Vor dem Angriff auf den Irak hatte das US-Politikinstitut Stratfor geschrieben: Der Zweck dieses Feldzuges ist es, die Vereinigten Staaten in die Lage zu versetzen, andere Ziele zu erreichen. Wenn alles nach den Vorstellungen der USA läuft, vergehen Monate, vielleicht ein Jahr, bis sie den Iran angreifen.
Doch die US-Armee ist längst im Irak stecken geblieben. Der Widerstand der Iraker hindert Bush an weiteren Kriegen und hunderttausenden Morden. Wenn die Iraker die US-Armee zum Abzug zwingen, wäre das ein Sieg für die weltweite Antikriegsbewegung gegen die Weltherrschaft der USA.
In seinem Buch Weltmacht im Treibsand vergleicht Scholl-Latour den US-Krieg gegen den Irak mit dem Krieg gegen Vietnam von 1964 bis 75: Militärisch waren die USA den schlecht bewaffneten Vietnamesen schon damals haushoch überlegen. Eine Niederlage schien der US-Regierung undenkbar. Doch gegen das gesamte vietnamesische Volk und die Bewegung gegen den Krieg in den USA und auf der ganzen Welt hatte selbst die stärkste Armee der Welt keine Chance.
Niemand glaubte mehr an die Unbesiegbarkeit der US-Armee. Ihre Niederlage in Vietnam beflügelte die Antikriegsbewegung in den USA und Befreiungsbewegungen auf der ganzen Welt. Danach haben es die USA 16 Jahre lang nicht mehr gewagt, einen großen Krieg zu führen.
Scholl-Latour betont, dass die Folgen einer Niederlage im Irak für die USA weitreichender wären als die Niederlage in Vietnam: Indochina war geostrategisch eher uninteressant. Anders der Irak. Er verfügt über die größten Erdölvorkommen nach Saudi-Arabien. Wären die USA gezwungen, sich von dort geschlagen zurückzuziehen, hätte dieses dramatische Folgen auf die anderen Staaten der Region. Der Nimbus (das Ansehen, die Redaktion) der unbesiegbaren letzten Supermacht wäre dahin.
Tatsächlich ermutigt der Widerstand der Iraker im ganzen Nahen Osten demokratische Bewegungen gegen die Vormacht der USA und die verbündeten arabischen Diktatoren. Seit Beginn des US-Krieges gegen den Irak haben Millionen Menschen in allen arabischen Ländern immer wieder gegen die USA und ihre eigenen Regierungen demonstriert.
Wenn die Iraker siegen, könnten auch mehrere arabische Herrscher gestürzt werden. Dadurch würde die Kontrolle der USA über den Nahen Osten beendet und Bush müsste seine Weltmachtpläne begraben.
Auch die meisten US-Amerikaner denken nicht, dass für den Krieg gegen die Iraker noch mehr Soldaten sterben sollten. Seit Bush im Mai letzten Jahres das angebliche Ende der Kampfhandlungen verkündete, sind mindestens 466 US-Soldaten im Irak getötet worden. Laut US-Regierung berichten 72 Prozent der US-Soldaten von schlechter Moral in der Besatzungsarmee. Rund 18.000 Soldaten sind zur medizinischen oder psychologischen Behandlung bereits ausgeflogen werden.
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