Die USA haben die Taliban aufgebaut – nun wollen sie ihre ehemaligen Verbündeten angreifen.
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Kurz nach den schrecklichen Terroranschlägen in den USA wurde der Name Osama bin Laden als Drahtzieher genannt. Für Bush und seine Verbündeten ist er der Hauptfeind Nummer Eins.
Afghanistan, wo sich bin Laden wahrscheinlich aufhält, gilt jetzt als „Schurkenstaat“.
Aber dieselben westlichen Politiker, die heute die afghanische Regierung verurteilen, haben sie bis vor kurzem noch unterstützt. Sie scherten sich nicht um die afghanische Bevölkerung, die unter den Taliban zu leiden hatte.
Afghanistan ist nur eine Bühne des Kampfes der Großmächte um das flüssige Gold des modernen Industriezeitalters: Öl.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 hinterließ fünf unabhängige Staaten in Zentralasien. Seitdem werden die Karten in der Region um das Kaspische Meer neu gemischt.
Als sich Vermutungen erhärteten, dass diese Staaten auf großen Ölvorkommen säßen, drängten amerikanische Ölkonzerne in den frei gewordenen Raum: Chevron, Mobil, BP, Amoco, SOCAR und Exxon.
Im Vergleich mit dem Nahen Osten sind die Ölvorkommen in dieser Region zwar gering. Aber: „Der Kampf um die Kontrolle über das Öl in Mittelasien ist zum neuesten Kapitel der alten Rivalität zwischen Russland, den USA und Japan“ geworden, schreibt Paul Sampson. Er ist Herausgeber der Londoner Ölbusiness-Zeitschrift Nefte Compass.
„Auf dieser neuen Weltkarte übernimmt das Kaspische Meer die Rolle des Persischen Golfs als Zentrum der Aufmerksamkeit“, da alle Industriestaaten angesichts zunehmender Instabilität in Saudi-Arabien sowie politischer Probleme mit Irak und Iran „ernsthaft nach alternativen Lieferern“ von Öl und Erdgas suchen.
Dieses Kampffeld reicht vom Balkan über den Kaukasus, Iran, Afghanistan bis nach Kaschmir und Chinesich-Turkmenistan.
Die Förderung ist nicht das Problem, seit sich die Region nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für westliche Konzerne öffnete. Aber Russland hat nach wie vor ein Monopol auf den Transport des Öls. Es kontrolliert 70 Prozent der Pipeline-Kapazitäten.
Deswegen suchen westliche Konzerne und Regierungen nach sicheren Pipeline-Routen.
1995 verhandelten der CIA und Manager des US-Ölkonzerns Unocal mit den Taliban. Unocal wollte eine Pipeline durch das Land bauen. Der Konzern hielt Förderlizenzen für das Öl beim Kaspischen Meer, dem drittgrößten Vorkommen der Welt.
Ein Sieg der Taliban, so das Kalkül, könnte die Region befrieden. Dann ließe sich die Pipeline bauen.
Die Taliban hielten ihre Hand auf. Die USA legten einiges hinein, und die Taliban gewannen den Krieg.
Nur Stunden nach ihrem Einmarsch in der Hauptstadt Kabul im September 1996, sagte die damalige Sprecherin des Außenministeriums Glyn Davies, die USA könnten daran „nichts störendes“ finden.
Aber dann machten die USA eine Kehrtwendung. Die US-Regierung fürchtete, dass die Taliban weitere radikale islamische Bewegungen inspirieren könnten, die ihre Interessen im anderen Ländern gefährden könnten. Diese Furcht wurde untermauert, als die Taliban Osama bin Laden aufnahmen.
In einem typischen Akt der Heuchelei versuchte die damalige Außenministerin Madeleine Albright ihre wahren Absichten zu verschleiern. Vor afghanischen Kindern im Nasir-Bagh-Flüchtlingslager sank sie auf ihre Knie mit den Worten: „Ich werde euch nie vergessen. Ich werde alles tun, um euch und eurem Land zu helfen.“
Das war im November 1997. Gerade zwei Monate vorher hatte Sheile Heslin, Expertin für Energiefragen und Zentralasien im Nationalen Sicherheitsrat der USA, während einer Anhörung vor dem US-Senat in Washington bestätigt, dass es Washington im wesentlichen darum ginge, „die monopolistische Kontrolle Russlands über den Abtransport des Öls aus der Region zu brechen“.
Die einzige bisherige Hilfe der USA bestand darin, Teile von Afghanistan, in dem Versuch Osama bin Laden umzubringen, zu bombardieren.