Irak: Zwölf Monate Widerstand gegen Unterdrückung

Seit den Bombenangriffen vor einem Jahr leiden die Iraker unter der US-Besatzung. Doch sie leisten Widerstand gegen die neuen Kolonialherren, auch nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung.

Standpunkt: Gemeinsam gegen die Besatzer


Die US-Armee steckt im Irak fest. Der irakische Widerstand hindert Bush an neuen Kriegen und weiteren hunderttausenden Morden.
Einen Tag vor dem Angriff auf den Irak, am 19. März 2003, schrieb das US-Politikinstitut Stratfor: „Irak ist nicht das Ende. Der Zweck dieses Feldzuges ist es, die Vereinigten Staaten in die Lage zu versetzen, andere Ziele zu erreichen.“
US-Truppen sollten nach einem Sieg im Irak Militärbasen aufbauen, um von dort aus die 40 nächsten Länder anzugreifen, die auf Bushs Liste der „Terrorstaaten“ stehen – als nächstes Opfer den Iran: „Wenn alles nach den Vorstellungen der USA läuft, vergehen Monate, vielleicht ein Jahr, bis sie sich entscheiden, den Iran anzugreifen.“
Der Widerstand der Iraker gegen die US-Besatzer hat Bushs Pläne durchkreuzt. Ein Jahr nach den ersten Bomben auf Bagdad sehen sich die USA gezwungen, mit dem Iran zu verhandeln, anstatt das Land zu überfallen. Die iranischen Mullahs sollen die irakischen Schiiten beeinflussen, damit diese das US-Marionettenregime im Irak unterstützen.
Die weltweite Antikriegsbewegung kann den irakischen Widerstand wirksam unterstützen. Massenproteste gegen die Beteiligung des spanischen Präsidenten Aznar am US-Krieg haben zu dessen Abwahl geführt. Die neue Regierung sieht sich gezwungen, die spanischen Soldaten aus dem Irak zurückzuziehen.

Am 20. März gehen in mehr als 50 Ländern Menschen gegen Krieg und Besatzung auf die Straße. Das Datum markiert den US-Überfall auf den Irak vor einem Jahr. US-Präsident Bush behauptete damals, Massenvernichtungswaffen zerstören und Demokratie bringen zu wollen. Inzwischen ist klar, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gibt.
Heute rechtfertigen Bush und Blair den Krieg vor allem damit, einen drohenden Bürgerkrieg zu verhindern und die angebliche Demokratie zu sichern. Ein Mitglied des von den USA eingesetzten irakischen Übergangsrats lobte den kürzlich beschlossenen Verfassungsentwurf als „Grundstein, auf dem ein neuer, freier und demokratischer Irak gebaut werden wird“.
Doch viele Iraker sind anderer Meinung. Für Hani Lazim von den „Irakischen Demokraten gegen die Besatzung“ bietet die Verfassung keinen Anlass zu feiern: Die US-Regierung wolle die politische Verantwortung für die Besatzung an ein irakisches Gremium loswerden.
Tatsächlich weigert sich Bremer, Chef der US-Besatzungsbehörde, Wahlen zuzustimmen. Hani Lazim ist sicher: „Sie wissen, dass sie im Fall einer echten Demokratie verschwinden müssen.“ Deshalb wird Bremer die zukünftigen irakischen „Volksvertreter“ zum Teil selbst ernennen. Den Rest sollen von ihm ernannte Vertreter aus den irakischen Provinzen bestimmen.
Die Angst der USA vor der irakischen Bevölkerung ist berechtigt. Widerstandsgruppen haben bereits über 500 US-Soldaten getötet. Anfang des Jahres hatten 100.000 Iraker gegen die militärische Besatzung demonstriert und sofortige und direkte Wahlen gefordert. Zu den Demonstrationen hatte der schiitsche islamische Geistliche Ayatollah Al-Sistani aufgerufen.
Der Widerstand wird durch die Verelendung der Bevölkerung weiter angeheizt. Hani Lazim: „Bereits wegen des UN-Embargos ist das Bildungssystem in einem schlimmen Zustand, auch die Krankenhäuser. Die Industrie liegt am Boden. Der Irak ist heute eines der ärmsten Länder weltweit. Und jetzt setzen ausgerechnet die Leute, die für das Embargo verantwortlich sind, eine Regierung ein.“
„Die USA wollen eine von ihnen abhängige Regierung im Irak, die US-Konzernen erlaubt, rein zu kommen und alles zu monopolisieren. Sie haben die Erdöl-Raffinerien zerstört, damit US-Konzerne das Öl raffinieren und an uns zu ihren Preisen verkaufen können. Benzin jetzt ist rationiert – in einem Land, das in Öl schwimmt. Strom gibt es in Bagdad nur zwölf Stunden am Tag.“
Da die Besatzungstruppen auf der Suche nach Widerstandskämpfern willkürlich Bauernhöfe stürmen und Felder zerstören, ist auch die Nahrungsmittelversorgung schlechter geworden. Ein Kartoffelpflanzer in der Nähe von Bagdad erzählt: „Normalerweise bewässern wir die Felder nachts. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weil die Truppen überall sind. Du weißt, dass sie jeden erschießen können und dir hinterher höchstens erzählen, dass es ihnen Leid tut. Oft müssen wir morgens nach dem Aufwachen feststellen, dass unsere Kartoffelernte über Nacht von US-Panzern zerstört worden ist.“
Die Ernte ist zurückgegangen und die Preise so gestiegen, dass frisches Obst und Gemüse für einen Großteil der irakischen Bevölkerung unerschwinglich geworden ist. Sadoun Al-Dulame, Direktor des Irakischen Zentrums für Strategische Studien in Bagdad, ist nach einem Jahr Besatzung der Überzeugung, dass eine von den USA eingesetzte irakische Regierung daran nichts ändern wird.
Während die US-Konzerne keine Iraker beschäftigen und die Arbeitslosigkeit in den Städten steigt, haben bereits die Mitglieder im jetzigen Übergangsrat „nach Ansicht der Bevölkerung wenig getan. Die meisten sind korrupt. Sie haben Familienmitgliedern und Freunden gute Posten sowie lukrative Aufträge verschafft.“
Deshalb besteht Ayatollah Al-Sistani weiterhin auf demokratischen Parlamentswahlen, obwohl die USA immer wieder versuchten, ihn mit Verhandlungen davon abzubringen. Auch Frauenrechtsorganisationen, Arbeitsloseninitiativen und Gewerkschafter fordern sofortige Wahlen und den Abzug der Besatzer.

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