Seit den Bombenangriffen vor einem Jahr leiden die Iraker unter der US-Besatzung. Doch sie leisten Widerstand gegen die neuen Kolonialherren, auch nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung.
Standpunkt: Gemeinsam gegen die Besatzer
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Am 20. März gehen in mehr als 50 Ländern Menschen gegen Krieg und Besatzung auf die Straße. Das Datum markiert den US-Überfall auf den Irak vor einem Jahr. US-Präsident Bush behauptete damals, Massenvernichtungswaffen zerstören und Demokratie bringen zu wollen. Inzwischen ist klar, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gibt.
Heute rechtfertigen Bush und Blair den Krieg vor allem damit, einen drohenden Bürgerkrieg zu verhindern und die angebliche Demokratie zu sichern. Ein Mitglied des von den USA eingesetzten irakischen Übergangsrats lobte den kürzlich beschlossenen Verfassungsentwurf als „Grundstein, auf dem ein neuer, freier und demokratischer Irak gebaut werden wird“.
Doch viele Iraker sind anderer Meinung. Für Hani Lazim von den „Irakischen Demokraten gegen die Besatzung“ bietet die Verfassung keinen Anlass zu feiern: Die US-Regierung wolle die politische Verantwortung für die Besatzung an ein irakisches Gremium loswerden.
Tatsächlich weigert sich Bremer, Chef der US-Besatzungsbehörde, Wahlen zuzustimmen. Hani Lazim ist sicher: „Sie wissen, dass sie im Fall einer echten Demokratie verschwinden müssen.“ Deshalb wird Bremer die zukünftigen irakischen „Volksvertreter“ zum Teil selbst ernennen. Den Rest sollen von ihm ernannte Vertreter aus den irakischen Provinzen bestimmen.
Die Angst der USA vor der irakischen Bevölkerung ist berechtigt. Widerstandsgruppen haben bereits über 500 US-Soldaten getötet. Anfang des Jahres hatten 100.000 Iraker gegen die militärische Besatzung demonstriert und sofortige und direkte Wahlen gefordert. Zu den Demonstrationen hatte der schiitsche islamische Geistliche Ayatollah Al-Sistani aufgerufen.
Der Widerstand wird durch die Verelendung der Bevölkerung weiter angeheizt. Hani Lazim: „Bereits wegen des UN-Embargos ist das Bildungssystem in einem schlimmen Zustand, auch die Krankenhäuser. Die Industrie liegt am Boden. Der Irak ist heute eines der ärmsten Länder weltweit. Und jetzt setzen ausgerechnet die Leute, die für das Embargo verantwortlich sind, eine Regierung ein.“
„Die USA wollen eine von ihnen abhängige Regierung im Irak, die US-Konzernen erlaubt, rein zu kommen und alles zu monopolisieren. Sie haben die Erdöl-Raffinerien zerstört, damit US-Konzerne das Öl raffinieren und an uns zu ihren Preisen verkaufen können. Benzin jetzt ist rationiert in einem Land, das in Öl schwimmt. Strom gibt es in Bagdad nur zwölf Stunden am Tag.“
Da die Besatzungstruppen auf der Suche nach Widerstandskämpfern willkürlich Bauernhöfe stürmen und Felder zerstören, ist auch die Nahrungsmittelversorgung schlechter geworden. Ein Kartoffelpflanzer in der Nähe von Bagdad erzählt: „Normalerweise bewässern wir die Felder nachts. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weil die Truppen überall sind. Du weißt, dass sie jeden erschießen können und dir hinterher höchstens erzählen, dass es ihnen Leid tut. Oft müssen wir morgens nach dem Aufwachen feststellen, dass unsere Kartoffelernte über Nacht von US-Panzern zerstört worden ist.“
Die Ernte ist zurückgegangen und die Preise so gestiegen, dass frisches Obst und Gemüse für einen Großteil der irakischen Bevölkerung unerschwinglich geworden ist. Sadoun Al-Dulame, Direktor des Irakischen Zentrums für Strategische Studien in Bagdad, ist nach einem Jahr Besatzung der Überzeugung, dass eine von den USA eingesetzte irakische Regierung daran nichts ändern wird.
Während die US-Konzerne keine Iraker beschäftigen und die Arbeitslosigkeit in den Städten steigt, haben bereits die Mitglieder im jetzigen Übergangsrat „nach Ansicht der Bevölkerung wenig getan. Die meisten sind korrupt. Sie haben Familienmitgliedern und Freunden gute Posten sowie lukrative Aufträge verschafft.“
Deshalb besteht Ayatollah Al-Sistani weiterhin auf demokratischen Parlamentswahlen, obwohl die USA immer wieder versuchten, ihn mit Verhandlungen davon abzubringen. Auch Frauenrechtsorganisationen, Arbeitsloseninitiativen und Gewerkschafter fordern sofortige Wahlen und den Abzug der Besatzer.