Kaschmir-Konflikt: 1,2 Milliarden Menschen von Atomkrieg bedroht

Die Opfer der Krise


Beide Regime behaupten, die Einwohner von Kaschmir zu schützen. Diese Menschen sind jedoch die größten Opfer des verschärften Militärkonfliktes. Die Region Kaschmir ist ein Produkt der Teilung des indischen Subkontinents von 1947, aus der die Staaten Indien und Pakistan hervorgingen. Kaschmir selbst wurde auch zerteilt und ist seitdem schon dreimal Anlass von Kriegen gewesen.


Der indische Staat unterdrückt die überwiegend muslimische Bevölkerung in dem von ihm besetzten Teil Kaschmirs grausam. Pakistan hat die Grausamkeiten zum Anlass genommen, sich zum Beschützer der Moslems in Kaschmir zu erklären. Tatsächlich will Pakistan vor allem ganz Kaschmir annektieren.


Der von Pakistan besetzte Teil Kaschmirs wird völlig undemokratisch von Gouverneuren regiert, die der pakistanische Staat einsetzt. Die Einwohner Kaschmirs werden solange nicht in Freiheit leben, wie sie vom indischen oder pakistanischen Staat beherrscht werden.


Das zumindest sagen jene, die für die Unabhängigkeit Kaschmirs kämpfen. Sowohl der indische wie der pakistanische Staat haben wütenden Nationalismus aufgepeitscht.


Aber in beiden Ländern gibt es Friedenskampagnen. Das Beste, was Menschen auf der ganzen Welt tun können, um der Kriegsgefahr nicht hilflos gegenüberzustehen, ist, sich dem weltweiten Schub zu neuen Kriegen entgegenzustellen. In dessen Zentrum steht Bushs "Krieg gegen den Terror".


Bush will Nuklearwaffen einsetzen

Schon der Gedanke daran, dass Indien und Pakistan Atomwaffen einsetzen könnten, ist erschreckend.


Aber die Regierungen Indiens und Pakistans sind nicht allein mit ihren Überlegungen, Atomkriege zu führen. Anfang diesen Jahres berichtete die Los Angeles Times, dass die neuesten amerikanischen Strategiepläne den "vorbeugenden" Einsatz von Nuklearwaffen mit einschließen.


Die neue amerikanische Richtlinie erlaubt den Einsatz zum ersten Mal auch gegen Nicht-Atommächte. Sie beinhaltet, dass Atomwaffen auch angewandt werden können, wenn konventionelle Kriege eine unerwartete Wendung nehmen sollten. Eine solche Wendung könnte zum Beispiel eine Niederlage von Bodentruppen auf dem Schlachtfeld sein. Die US-Generäle denken an genau so eine Möglichkeit für den Fall, dass Bush eine Invasion gegen den Irak befehlen sollte.


Auch Großbritanniens Verteidigungsminister Geoff Hoon erklärte vor ein paar Monaten, dass er bereit sei, den nuklearen Erstschlag zu autorisieren.


Mehr als 1,2 Milliarden Menschen in Indien und Pakistan leben unter der Bedrohung eines Krieges zwischen den beiden Atommächten. Ein voller Ausbruch der Kämpfe wäre katastrophal. Diese Bedrohung bleibt real, obwohl Versuche unternommen werden, beide Regime an einen Verhandlungstisch zu bringen.



Indiens Verteidigungsminister Yogendra Narain ließ am Sonntag verlauten: "Pakistan ist kein demokratisches Land, und wir wissen nicht, ab wann es Nuklearwaffen einsetzen würde. In diesem Fall würden wir zurückschlagen und müssten auf gegenseitige Zerstörung auf beiden Seiten vorbereitet sein." Pakistanische Generäle haben General Musharraf, der dem Militärregime in Pakistan vorsteht, aufgerufen, keinen Zentimeter zurückzuweichen.


Ein Hardliner sagte: "Ich glaube, General Musharraf gibt dem Druck nach, aber wir dürfen nur bis zu einem bestimmten Punkt nachgeben." In Kaschmir, dem umstrittenen Gebiet, sind entlang der "Kontrolllinie" bereits über eine Million indische und pakistanische Soldaten stationiert. Die Gefechte zwischen ihnen haben sich in der letzten Woche verschärft. Jede größere Stadt in Pakistan und im nördlichen Indien liegt in der Reichweite der gegnerischen Atomraketen.


Die USA und westliche Regierungen haben zur Beruhigung des Konfliktes aufgerufen und gleichzeitig tausende ihrer Staatsbürger aus der Region ausgeflogen. Mehrere hundert Millionen vor allem sehr armer Menschen in Indien können nirgendwohin fliehen. Der Konflikt um Kaschmir ist ein Resultat des wahnwitzigen Krieges, den die USA und ihre Alliierten vorantreiben.


Dieselben amerikanischen und britischen Politiker, die Verhandlungen zwischen Indien und Pakistan fordern, heizen global die Kriegsstimmung an. An demselben Tag, als Indiens Verteidigungsminister von "gegenseitiger Zerstörung" sprach, forderte George W. Bush "vorbeugende Maßnahmen" in seinem "Krieg gegen den Terror", in dem der Irak das nächste Hauptziel sein soll.


Er erklärte Offizieren der West Point Militärakademie: "Im 20. Jahrhundert fußte Amerikas Verteidigung auf den Doktrinen des Kalten Krieges: Abschreckung und Eindämmung. Eindämmung ist nicht möglich, wenn verrückte Diktatoren Massenvernichtungswaffen mit Raketen einsetzen oder sie an terroristische Verbündete liefern können. In der Welt, die wir jetzt betreten, ist Handeln der einzige Weg zu Sicherheit. Und diese Nation wird handeln."


Diese erschreckende Logik ist dieselbe, der auch das pakistanische Militärregime und die hindu-chauvinistische Regierung Indiens folgen, während sie auf einen Atomkrieg zusteuern. Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz goss auf einer asiatischen Regierungskonferenz letzte Woche weiter Öl ins Feuer, indem er beide Seiten dazu aufrief, sich Bushs Feldzug anzuschließen.


Der von den USA angeführte Krieg hat die Spannungen zwischen Indien und Pakistan erhöht. Die pakistanische Elite stellte sich hinter den Angriff auf Afghanistan, nachdem sie an Einfluss verloren hatte, als ihre Verbündeten, die Taliban, zusammenbrachen. Um diese Niederlage auszugleichen, lenkten sie die Aufmerksamkeit der militanten Islamisten auf Kaschmir und die gerechtfertigten Sorgen der Bevölkerung dort.


Die indische Regierung, die von der moslemfeindlichen BJP geführt wird, benutzte Bushs Rede von einem Krieg gegen den Terror, um Pakistan Ende letzten Jahres zu einem "Terrorstaat" zu erklären und so die eigenen Angriffe zu rechtfertigen. Militante Anhänger der BJP haben daraufhin bei einem Pogrom über 1.000 Muslimen ermordet.

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