Letzten November blockierten 50.000 Menschen in Seattle die Tagung der mächtigen Welthandelsorganisation. Seitdem hat sich etwas verändert in Amerika. Eine neue Stimmung für Widerstand macht sich breit. Diese Stimmung findet ihren Niederschlag im Präsidentschafts-Wahlkampf: Ralph Nader, der Kandidat der Grünen, erhebt die Stimme gegen den kapitalistischen Raubbau an Mensch und Natur.
In seinem fünfminütigen Wahlkampfspot sieht man Bilder von den Protesten in Seattle. Bei seiner ersten Veranstaltung sagte er: "Gesundheit, soziale Sicherung, Gerechtigkeit, Bildung, Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Natur und den zukünftigen Generationen, werden schrankenloser Gier und dem Kommerz untergeordnet."
In seinen Reden attackiert Nader die Macht der globalen Konzerne, klagt die Kluft zwischen Arm und Reich an und die wachsende Arbeitsbelastung: "Soziale Fragen müssen von einem Klassenstandpunkt aus betrachtet werden. Was auch immer dein Anliegen ist, sei es Rassismus, Homophobie, der städtische Verfall oder das Gesundheitswesen, du wirst nichts erreichen, wenn wir unseren Fokus nicht darauf richten, wo die Macht konzentriert ist."
Er spornt die Menschen an "eine Regierung der General Motors, Exxons und Du Ponts" herauszufordern. Wie Seattle die Linke in Amerika verändert hat, zeigt die Radikalisierung der Grünen Partei. Sie sieht das Jahr 2000 als "das Jahr der Blau-Grünen Allianz", blau steht für den Blaumann der Industriearbeiter. Nader besuchte streikende Zeitungsarbeiter in Detroit und fordert mehr Rechte für Gewerkschaften.
Nach ersten Umfragen bekäme er 7% der Stimmen.
Republikaner
Der Kandidat der Republikaner, George W. Bush, gehört zu den widerlichsten Personen, die man sich als Präsident vorstellen kann. "Normalerweise wurde immer wenn ein Kind kriminell wird gesagt, daß wir Schuld sind, daß die Gesellschaft Schuld ist," sagt Bush. "Unter George W. Bush jedoch ist es deine Schuld. Wir werden dich einsperren weil wir uns nicht länger Vorwürfe machen, daß wir irgendwie verantwortlich sein sollen." Er hat in Texas Amerikas größtes Gefängnissystem aufgebaut – mit 147.000 Menschen hinter Gittern. Kein anderer Gouverneur hat so viele Menschen hinrichten lassen: 135 Exekutionen hat er angeordnet – die meisten Opfer Schwarze.
Seit Jahren attackiert er Sozialhilfeempfänger und Frauen und macht den Konzernen Steuergeschenke. Texas hat die höchste Kinderarmutsrate in den USA.
Für diesen Frontalangriff werden die Republikaner massiv von Bossen unterstützt: Bisher hat Bush Rekord-Spendengelder in Höhe von 168 Mio. Mark gesammelt.
Zehntausende demonstrierten während des Parteitags der Republikaner in Philadelphia und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Wie in Seattle kamen Aktivisten aus ganz Amerika zusammen und forderten die Abschaffung der Todesstrafe, das Recht auf Abtreibung und Abrüstung.
Demokraten
Die Politik der Demokraten unterscheidet sich grundsätzlich nicht von den Republikanern. 1992 wurde Bill Clinton Präsident, doch er hat alle Hoffnungen auf eine Umkehr der unsozialen Politik der Republikaner enttäuscht.
Sein "Jobwunder" bedeutet, daß heute der durchschnittliche Arbeiter in den USA 164 Std. mehr im Jahr arbeitet als vor 25 Jahren und sein Lohn dem von 1973 entspricht. 14% der Bevölkerung leben in absoluter Armut.
Auch der Wahlkampf der Demokraten wird fleißig von Großkonzernen gesponsort. Viele Firmen unterstützen beide großen Parteien: "Wie jeder Spieler weiß, ist der sicherste Weg in einem Kopf an Kopf Rennen, auf beide Pferde zu setzen" schreibt die Zeitung der US-Bosse Wall Street Journal.
Aufbruch
Kein Wunder, daß mehr und mehr Menschen sich von den Demokraten abwenden.
Die kalifornische Krankenschwestergewerkschaft unterstützt bereits Nader. Auch andere Gewerkschaften überlegen, den Demokraten ihre Unterstützung zu entziehen.
Es liegt etwas in der Luft in Amerika – der Geist von Seattle, und jede Stimme für Ralph Nader ist Indikator dafür, wie weitgehend die antikapitalistische Stimmung und die Perspektive für aktiven Widerstand ist.