Zwei junge Demonstranten wurden Ende Juni in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires erschossen. Dario Santillan und Maximiliano Kosteki nahmen an einer Demonstration von Arbeitslosen teil. Sie protestierten gegen die Auswirkungen der gewaltigen Wirtschaftskrise, in der sich das Land befindet.
Bewaffnete Polizei griff den Demonstrationszug brutal an, und Maximiliano wurde angeschossen. Demonstranten trugen ihn eine nahe gelegene Bahnhofshalle. "Bitte helft mir, es brennt so," flehte Maximiliano, während er starb. Der Mitdemonstrant Dario versuchte, ihm zu helfen und leistete ihm Beistand, als plötzlich eine Gruppe bewaffneter Polizisten, angeführt vom Chefinspektor Alfredo Franchiotti, in die Halle stürzte.
"Erschießt mich nicht!" schrie Dario als er versuchte zu entkommen. Franchiotti hob seine Pistole und schoss Dario in den Rücken. Dutzende andere erlitten Schusswunden, als die Polizei weiter wütete. Dies war der brutalste Angriff auf Protestierende seit dem letzten Dezember als Polizei und Armee 27 Menschen erschossen. Die Morde von Ende Juni sind zwar von einzelnen Beamten ausgeführt worden. Aber sie handelten im Geiste eines koordinierten Versuches, die Proteste zu zerschlagen, die sich gegen die brutalen Sparmaßnahmen der Regierung von Präsident Duhalde richten. In den Tagen vor der Demo hatten die Medien und die Regierung davon gesprochen, dass die Polizei nun mit "harter Hand" gegen die Proteste vorgehen müsse. Die Morde geschahen an dem Tag, als der Minister und Duhalde-Vertraute Ruckhauf sich damit brüstete, genau richtig gehandelt zu haben, als er vor 27 Jahren der Polizei und Armee den Befehl gab, gegen linke Organisationen loszuschlagen.
Der damalige Angriffe war der Startschuss für Argentiniens "schmutzigen Krieg", in dem Polizei und Armee tausende Menschen umbrachten und so dem Militärputsch von 1976 den Weg bereiteten. Teile der jetzigen Regierung wollten die Ereignisse Ende Juni als Rechtfertigung für einen breit angelegten Gegenangriff nutzen. Sofort nach den Schüssen behaupteten Medien und Regierung, dass die Toten Opfer von Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Teilen der Demonstration geworden seien. Die größte konservative Tageszeitung, La Nacion, berichtete von Plünderungen, Bandstiftung und Vandalismus der Demonstranten. Das Ziel war, einen Pauschalangriff auf jegliche Opposition zu rechtfertigen. Diese Pläne wurden von einzelnen mutigen Presse- und Fernsehjournalisten an die Öffentlichkeit gebracht. Ihre Bilder zeigten die Wahrheit. Die Wut über diese Enthüllungen ergoss sich auf die Straßen. Am nächsten Tag protestierten rund 15.000 Menschen in der Hauptstadt, und viele Lehrer und öffentliche Angestellte streikten. Um breiteren Protesten vorzubeugen, sah sich Präsident Duhalde gezwungen, die Polizei öffentlich für ihre "grausame Jagdpartie" auf die arbeitslosen Demonstranten zu verurteilen.
Der Polizeichef von Buenos Aires und sein Stellvertreter mussten zurücktreten. Zwei Polizisten, die mit den Erschießungen in direktem Zusammenhang stehen, wurden festgenommen. Sie sind nicht die einzigen, die Blut an den Händen haben. Die Arbeitslosengruppe, zu der Dario und Maximiliano gehörten, ist der Meinung: "Die Regierung hat diese Repressionen vorbereitet. Sie ist politisch und geistig für die Toten verantwortlich."