Aus der Bewegung gegen Sozialabbau muss eine linke Alternative zur SPD erwachsen, argumentiert Werner Halbauer.
Die Krise der Sozialdemokratie hat einen großen politischen Raum aufgerissen. Millionen Menschen fühlen sich durch Schröders SPD nicht mehr repräsentiert. Noch nie war der Kluft zwischen SPD und Gewerkschaften so tief. Hier entsteht eine neue Strömung innerhalb der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Tradition, der die Notwendigkeit sieht, sich von der rechten SPD zu lösen. Viele suchen nach Alternativen.
Dieser Raum wird gefüllt werden entweder durch die Linke oder durch rechte Kräfte. Wie real die Gefahr von rechts ist, hat die Hamburg-Wahl gezeigt: Hier war die CDU der Nutznießer der unsozialen SPD-Politik. Selbst ein Umschwenken der SPD auf einer linkeren Wahlkampf in den letzten Wochen konnte den CDU-Sieg nicht verhindern so tief sitzt das Misstrauen.
In Berlin überlegt die FDP-Fraktion, den wegen seiner Sparpolitik unbeliebten rot-roten Senat durch ein Volksbegehren zu stürzen. Wenn die Linke nicht selbst die Initiative ergreift, zum Beispiel durch ein eigenes Volksbegehren, dann liegt die Führung im Kampf gegen den SPD-PDS Senats bei den Rechten.
Damit die Rechten nicht profitieren, brauchen wir eine linke, wählbare Alternative zur SPD.
Denn für eine grundsätzlich andere Politik der SPD fehlen sowohl die Kräfte, als auch angesichts der Tiefe der wirtschaftlichen Krise die Rahmenbedingungen.
Die Linke in der SPD ist in einem traurigen Zustand. Sie baut auf Parlamentstaktik statt auf Bewegung von unten. Im Oktober 2003 hatten sechs SPD-Linke ihre Zustimmung zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe davon abhängig gemacht, ob die Zumutsbarkeitsregelung verbessert wird. Zumutbar sollten nur solche Jobs sein, die zu tariflichen und ortsüblichen Entgelt bezahlt werden. Die Fraktionsführung machte den Linken dieses Zugeständnis, die Linken stimmten zu. Im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag fiel das Zugeständnis wieder weg das Taktieren im Parlament durch die SPD-Linken war gescheitert.
Ähnlich schlecht ist der Zustand der PDS. Durch die Regierungsbeteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin und der einhergehenden Unterstützung von Sozialabbau hat sich die PDS als linke Alternative zur SPD diskredidiert. Anstatt enttäuschte SPDler anzuziehen, verliert die PDS selbst Mitglieder
Die Schwäche sowohl von SPD-Linken als auch der PDS ist eine politische. Beide setzen darauf, dass eine andere Wirtschaftspolitik den Kapitalismus wieder flott machen kann. Mit Nachfrageprogrammen und Zinssenkungen, sogenannten Keynesianismus, wollen sie die Wirtschaft wieder zum Wachsen bringen.
Diese Politik ist in der Vergangenheit gescheitert. So versuchte die japanische Regierung in den 90er ihre Wirtschaft mit gigantischen Finanzspritzen auf die Füße zu bekommen. Seit 1995 wurde die unglaubliche Summe von 1.200 Milliarden Euro aus der Staatskasse in die Wirtschaft gepumpt. Wirklich gelöst wurde damit nichts – die Stagnation hält seit 12 Jahren an. Das Land steht einem Staatsbankrott nahe, der Spielraum für weitere Nachfrageprogramme ist ausgeschöpft.
Der Keynesianismus bietet keine Antwort auf die jetzige Krise des Systems.
Weltweit versuchen die Bosse, diese Krise auf die Bevölkerung abzuwälzen. Die Agenda 2010 gibt es in Deutschland, in Frankreich, weltweit. Deshalb sind die entscheidenden Fragen jetzt: Wie durchbrechen wir diesen wahnsinnigen Kürzungswettlauf? Und wie schaffen wir eine politische Kraft, die in der Lage ist, die Unzufriedenheit von Millionen mit der Sozialdemokratie zu bündeln und in den Kampf gegen für eine bessere Welt zu führen?
Bei der Beantwortung beider Fragen kommt den Protesten am 3. April eine strategische Bedeutung zu. Eine Großdemonstration gegen den Sozialabbau der Schröder-Regierung kann diese schwer beschädigen, ja stürzen.
Schröder ist angeschlagen. Deshalb sein Rücktritt vom Parteivorsitz und der Rausschmiss des Parteivorsitzenden Scholz. Aber Schröder ist auf Verderb mit der Offensive des Kapitals verbunden. Als er, erschreckt über die Wut der SPD-Basis, die "Grenzen der Belastbarkeit" verkündete, drohten die Unternehmer, ihm die Unterstützung zu entziehen. Schröder schwenkte sofort wieder auf weiteren Sozialabbau und bekräftigte dies auch nach seinem Rücktritt vom Parteivorstand.
Wenn Schröder über eine Massenbewegung gegen Sozialabbau aus dem Amt gejagt wird, dann hat die neoliberale Offensive ihren wichtigsten Rammbock verloren. Jede nachfolgende Regierung, ob CDU oder SPD hätte es dann schwerer, Kürzungen durchzusetzen.
Aus dem Kampf gegen die Schröder-Regierung erwächst natürlich die Frage der politischen Alternative. Millionen Menschen werden Fragen: Wenn nicht SPD was dann?
Die Linke muss jetzt, während sie die Bewegung aufbaut, anfangen eine Antwort zu geben. Schröder und jeder seiner SPD-Nachfolger wird auf ewig die SPD als "kleineres Übel" und einzige Alternative zu den Konservativen verkaufen und damit versuchen, Widerstand gegen unsoziale SPD-Politik zu ersticken. Darauf gibt es nur eine Antwort: Dafür zu sorgen, das die SPD nicht die einzige Alternative zu den Rechten ist.
Die politischen Umrisse dieser Alternative links von der SPD sind schon in der jetzigen Bewegung gegen Sozialabbau zu erkennen.
Sie muss offen sein für die Millionen, die bereit sind, sich von der SPD zu lösen und auch linken SPDlern und PDSlern eine neue politische Heimat bieten. Sie muss Kampf und Bewegung als Weg zur Durchsetzung von Reformen in den Vordergrund stellen und diesen Kampf aktiv organisieren. Die größten potentiellen Kampforganisationen in Deutschland sind die Gewerkschaften. Also muss die linke Alternative zur Durchsetzung ihrer Ziele eine Orientierung auf die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in den Gewerkschaften nach links haben.
Sie muss aber auch bereit sein, nach seriöser Abschätzung der Aussichten, bei Wahlen anzutreten und Wahlkampf und Parlament als Bühne für antikapitalistische Politik zu nutzen.
Ideologisch muss sich die linke Alternative gegen die Profitlogik richten. Die Forderungen der globalisierungskritischen Bewegung zeigen den Weg "Für eine Gesundheitsversorgung unabhängig vom Profit", "Bildung ist keine Ware", "Internationaler Widerstand statt Standortkonkurrenz", "Die Reichen sollen zahlen".
Die Krise der SPD hat ein historisches Fenster aufgestoßen. Dieses Fenster wird nicht ewig offen sein. Deshalb müssen wir jetzt mit der Diskussion beginnen, wie eine Alternative zur SPD aufgebaut werden kann.Werner Halbauer ist aktiv im Berliner Bündnis gegen Sozial- und Bildungsraub und Mitglied bei Linksruck.
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