Interview mit Dieter von der Erwerbslosenorganisation HängemattenLR:
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Dieter: Das ist völlig falsch. Die Chance eine Arbeit zu bekommen, von der man leben kann, wird immer geringer. Es drängeln sich nämlich immer mehr Arbeitslose um einen Arbeitsplatz. Mit dem Abnehmen der offiziellen Arbeitslosenzahlen gibt es keinen Anstieg der Vollzeitarbeitsplätze. Schließlich gilt jeder, der mehr als 15 Stunden wöchentlich arbeitet, als beschäftigt.
Wie die Arbeitslosigkeit wirklich bekämpft werden kann:
Insgesamt: 1.420.000 |
Gleichzeitig tummeln sich unter den offenen Stellen massenweise Teilzeitarbeitsplätze, und sogar ehrenamtliche Stellen und Praktika ohne Bezahlung. Auf eine offene Vollzeitstelle kommen bundesweit ganze 23 Arbeitslose. In Berlin ist das Verhältnis sogar eins zu 300.
Viele Arbeitslose werden nur in den Vorruhestand gedrängt, oder in Beschäftigungsmaßnahmen. Dort lernen sie meistens, eine Bewerbung zu schreiben, was aber schon fast alle können.
LR: Was würden die Pläne der Regierung, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen, für Arbeitslose bedeuten?
Dieter: Arbeitslose würden ebenso wie Sozialhilfeempfänger gezwungen, "gemeinnützige" Arbeit anzunehmen. Das Amt kann dir jede Arbeit aufzwingen, für 2 bis 4 Mark pro Stunde.
Oder es werden den Menschen irgendwelche Arbeitsplätze aufgezwungen, wie im Berliner Programm "Integration durch Arbeit". Wer eine beliebige Stelle für 1.500 Mark monatlich ablehnt, bekommt keine staatliche Unterstützung mehr.
LR: Gibt es schon heute Versuche einen Niedriglohnsektor zu schaffen?
Dieter: Ja. Mehrere Städte haben sogar spezielle "Kombilohnprogramme" dafür. Dabei zahlt das Sozialamt einen Anteil des Gehalts, damit der Arbeitgeber überhaupt einen Arbeitsplatz schafft. Ziel ist es, dass der Arbeitgeber nach ein bis drei Jahren den vollen Arbeitsplatz bezahlt. In der Realität wird aber praktisch niemand übernommen. Die Arbeitgeber erhalten so nur billige Arbeitskräfte, die sie schnell wieder los werden.
LR: Was würde die Ausdehnung des Niedriglohnsektors für uns bedeuten?
Dieter: Wie in den USA schon heute, müsste dann jeder zwei oder drei Jobs annehmen, um überleben zu können. Wir müssten dann 60 oder 70 Stunden die Woche arbeiten, für den gleichen Lebensstandard eines heutigen tariflich abgesicherten Arbeitsplatzes.
Besonders für Familien und alleinerziehende Frauen wäre das dramatisch. Wer Kinder hat, kann nicht Tag und Nacht arbeiten. Schon heute ist die hauptsächliche Ursache für Armut, ein Kind alleine aufzuziehen.