Gesundheit: Rot-Grüne Kürzungspläne

Kostenexplosion im Gesundheitswesen?

Argument für die rot-grünen Gesundheitskürzungen ist die sogenannte "Kostenexplosion im Gesundheitswesen". Doch seit 20 Jahren beträgt der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt konstant neun bis zehn Prozent. Nicht die Kosten sind das Problem, sondern Arbeitslosigkeit und die niedrigen Lohnabschlüsse. Der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen ist seit den frühen 80er Jahren von 72 Prozent auf heute 66 Prozent gesunken. Die Arbeitslosenzahl stieg von fast 2 Millionen auf heute 3,7 Millionen.


Dadurch sanken die Einnahmen der Krankenkassen Jahr für Jahr. Als „Ausweg“ haben die Kassen schlicht und ergreifen die Arbeitnehmer durch steigende Beiträge geschröpft. Die rot-grüne „Alternative“ lautet: Sparen an der Gesundheit.


Laut Strategiepapier des Bundeskanzleramtes ist die steigende Zahl der Rentner für die Kostenexplosion verantwortlich. Diese würden nur geringe Beiträge zahlen und hohe Kosten verursachen. Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, ein Expertengremium, das die Regierung berät, kam in seinem 1995er-Gutachten zu einem ganz anderen Ergebnis: Die steigende Zahl älterer Menschen ist nur für weniger als ein Prozent der Kostensteigerungen verantwortlich.


Internationale Studien belegen zudem, dass die Ausgaben für medizinische Versorgung erst mit der zeitlichen Nähe zum Tod steigen. Der Behandlungsaufwand wächst vor allem im letzten Lebensjahr (ca. 28 Prozent der lebenslangen Gesundheitskosten) – also nicht automatisch mit zunehmenden Alter und längerer Lebenserwartung.

In der Regierungskoalition ist ein heftiger Streit um die Gesundheitsreform ausgebrochen. Anlass waren die Vorschläge des Wirtschaftsministers Werner Müller, die Lohnnebenkosten zu senken. Seine Lösung: "Ich glaube daher, wir müssen diskutieren, ob wir auf lange Sicht für unsere Gesundheit ein größeres Stück des Einkommens zur Verfügung stellen müssen". Er wolle verhindern, "dass die Inanspruchnahme des medizinischen Fortschritts den Faktor Arbeit unbezahlbar macht". Ihm schwebt eine private Vorsorge der Arbeitnehmer á la Rentenreform vor.


Müller erhielt spontane Schützenhilfe aus den Reihen der Unternehmer. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte, dass sich die Pflichtleistungen auf das medizinisch Notwendige konzentrieren sollten. Dadurch sei es möglich, 40 Milliarden Mark einzusparen. Die Hälfte davon solle in die Taschen der Unternehmer fließen. Von der anderen Hälfte sollen die Beschäftigten eine private Vorsorge finanzieren.


Bisher zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je die Hälfte des Krankenkassenbeitrages. Damit soll nun Schluss sein. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt lehnt Müllers Forderungen ab. Doch weniger aus Sorge um eine gerechte Finanzierung unserer Gesundheit, sondern weil sie vor der Bundestagswahl keine Gesundheitsdebatte will. In den Schubladen des Bundeskanzleramtes schlummert nämlich ein Strategiepapier, das noch weit härtere Kürzungen enthält, als Müller und die Arbeitgeber offiziell fordern. Die Süddeutsche Zeitung zitierte aus dem Papier: "Eine notwendige Kostenentlastung kann nicht erreicht werden, wenn nur Bagatellleistungen und medizinisch nicht notwendige Leistungen ausgesteuert werden" und "die freie Arztwahl wird eingeschränkt".


Die Regierung will also offensichtlich – nach der Bundestagswahl – eine Gesundheitsreform, in der auch medizinisch notwendige Leistungen gekürzt werden. Wer dennoch eine gute Gesundheitsversorgung will, soll selber zahlen. Schröders vielgepriesener "Dritter Weg" ist der in die Zwei-Klassen-Medizin.

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