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In der Regierungskoalition ist ein heftiger Streit um die Gesundheitsreform ausgebrochen. Anlass waren die Vorschläge des Wirtschaftsministers Werner Müller, die Lohnnebenkosten zu senken. Seine Lösung: "Ich glaube daher, wir müssen diskutieren, ob wir auf lange Sicht für unsere Gesundheit ein größeres Stück des Einkommens zur Verfügung stellen müssen". Er wolle verhindern, "dass die Inanspruchnahme des medizinischen Fortschritts den Faktor Arbeit unbezahlbar macht". Ihm schwebt eine private Vorsorge der Arbeitnehmer á la Rentenreform vor.
Müller erhielt spontane Schützenhilfe aus den Reihen der Unternehmer. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte, dass sich die Pflichtleistungen auf das medizinisch Notwendige konzentrieren sollten. Dadurch sei es möglich, 40 Milliarden Mark einzusparen. Die Hälfte davon solle in die Taschen der Unternehmer fließen. Von der anderen Hälfte sollen die Beschäftigten eine private Vorsorge finanzieren.
Bisher zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je die Hälfte des Krankenkassenbeitrages. Damit soll nun Schluss sein. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt lehnt Müllers Forderungen ab. Doch weniger aus Sorge um eine gerechte Finanzierung unserer Gesundheit, sondern weil sie vor der Bundestagswahl keine Gesundheitsdebatte will. In den Schubladen des Bundeskanzleramtes schlummert nämlich ein Strategiepapier, das noch weit härtere Kürzungen enthält, als Müller und die Arbeitgeber offiziell fordern. Die Süddeutsche Zeitung zitierte aus dem Papier: "Eine notwendige Kostenentlastung kann nicht erreicht werden, wenn nur Bagatellleistungen und medizinisch nicht notwendige Leistungen ausgesteuert werden" und "die freie Arztwahl wird eingeschränkt".
Die Regierung will also offensichtlich nach der Bundestagswahl eine Gesundheitsreform, in der auch medizinisch notwendige Leistungen gekürzt werden. Wer dennoch eine gute Gesundheitsversorgung will, soll selber zahlen. Schröders vielgepriesener "Dritter Weg" ist der in die Zwei-Klassen-Medizin.