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Die sozialdemokratischen Regierungen in Europa erbeben unter den Protesten gegen hohe Benzinpreise. Den erfolgreichen Blockaden in Frankreich folgten Blockaden in England, Spanien, Italien und Deutschland. Die Blair-Regierung ist innerhalb kurzer Zeit in die größte Krise seit Amtsantritt geschlittert und auch in Deutschland kommt Schröder unter Druck.
Die Proteste sind zum großen Teil ein Ausdruck der enormen Verbitterung, die sich unter der Sozialdemokratie europaweit angestaut hat. Die Woche bemerkt richtig, dass es nicht nur um Sprit geht: "Das Gefühl, immer und überall abgezockt zu werden, lässt die Menschen rebellisch werden wie selten zuvor. Schon sind 60% bereit für sinkende Energiepreise auf die Straße zu gehen."
Über die 80er und 90er ist der Anteil am Gesamtsteueraufkommens, den Arbeiter über Verbrauchssteuern wie die Mehrwertsteuern oder Benzinsteuer berappen müssen immer größer geworden. Gleichzeitig ist der Anteil der Unternehmen am Gesamtsteueraufkommen 1980-92 von 39%-23% gesunken.. Die neue Steuerreform vergrößert die Kluft noch.
Schlimm genug, daß wir immer mehr zahlen müssen im Gegenzug wird auch noch der Sozialstaat abgebaut: Trotz Steuern sollen wir zusätzlich Rente privat finanzieren und Medikamente zuzahlen.
Der Ärger über diese Zustände kristallisiert sich an den Spritprotesten. Millionen Menschen sind der Meinung, dass dieses Problem auf die "französische Art" gelöst werden sollte durch direkte Aktion von unten.
Spediteure
Doch es gibt einen Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland. In Frankreich haben in den vergangenen fünf Jahren Arbeiter die Initiative bei Aktionen übernommen. Sie haben von der Regierung Zugeständnisse erkämpft durch Streiks, Besetzungen und Blockaden. Auf diesen Zug sind in Frankreich die Kleinunternehmer aufgesprungen.
In Deutschland ist es andersherum. Die Spediteure und Taxiunternehmer haben die Initiative übernommen.
Also dieselben mittelständischen Unternehmen die gegen Betriebsräte kämpfen, Tarifverträge unterlaufen und auf der Seite der Profiteure neoliberaler Politik stehen. Diese Unternehmen haben kein wirkliches Interesse an unserem Wohlergehen.
Ölkonzerne
Ölkonzerne sollen zahlenDie Verantwortung für die jetzige Benzinpreiserhöhung tragen die Mineralölkonzerne. Die machen momentan Rekordprofite. Die großen Fünf verdienen rund 30 Mrd $ dieses Jahr. TEXACO machte in den ersten 6 Monaten dieses Jahres Profite von 1,19 Milliarden $ 51% mehr als letztes Jahr. Texaco-Chef Peter Bijur kassierte 4,2 Milionen $ an Gehalt und 2,9 Millionen $ an Aktien. EXXON verdoppelte im ersten Halbjahr seine Profite auf 7,03 Millionen $Der Anteil der Mineralölkonzerne am Gesamtpreis des Benzins ist zwar kleiner als der Steueranteil ihr Anteil an der Erhöhung der Preise über das letzte Jahr aber ist weitaus größer der Anteil der Ökosteuer. Im letzten Jahr zum Beispiel stiegen die Spritpreise um 24 Pfennig. Die Ökosteuer hatte daran „nur“ einen Anteil von 6 Pfennig. Der Rest floß in die Kassen der Ölkonzerne. Diese Konzerne könnten besteuert werden, um für die Folgen des hohen Ölpreises aufzukommen. |
Gleiches gilt für die CDU. Sie ist die letzte Partei, die sich zum Retter des kleines Mannes aufschwingen darf. Sie stand 16 Jahre der Erhöhung von Verbrauchssteuern bei Senkung von Unternehmenssteuern vor, sie hat die Bahn privatisiert und das Abbau im Öffentlichen Nahverkehr angerichtet (siehe Kasten), welchen Arbeiter jetzt ausbaden müssen. Ihre Kampagne gegen die Ökosteuer ist Heuchelei.
Unter dem Druck der Empörung kündigte die Regierung an, die Kilometerpauschale und das Wohngeld zu erhöhen. Das sind richtige Schritte ein Kurswechsel gegen die Interessen der Konzerne ist es nicht.
Wir müssen sagen, daß die Verantwortung für die hohen Preise bei den Ölkonzernen liegt, die uns abkassieren und die Umwelt zerstören.
Arbeiter, die das Auto brauchen, um zur Arbeit zu kommen oder Kinder abzuholen, sollten nicht für die hohen Preise zahlen müssen.
Durch die Besteuerung der großen Ölkonzerne wäre genug Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs da.
Das wäre eine Politik, die CDU und Kleinunternehmer nicht vereinnahmen können. Es sollten die Gewerkschaften sein, die den offensichtlichen Unmut gegen Rot-Grün in direkte Aktionen im französischen Stil kanalisieren.
Dann wird der BILD-Zeitung schnell die Freude an Massenaktion von unten vergehen.
Die Lösung: Bahn
Es gäbe eine Alternative zu Benzinpreisexplosion und Staus der Ausbau des Öffenlichen Nahverkehrs, insbesondere der Bahn. Doch die sozial und umwelttechnisch beste Lösung wurde systematisch von der Autolobby sabotiert.
Seit 1945 sind 12.000 Kilometer Schiene stillgelegt und 6.000 Bahnhöfe geschlossen wurden. Vor 50 Jahren wurde noch 55 % aller Güter über die Bahn transportiert heute sind es nur noch 15 %.Parallel dazu wurden 94.000 Kilometer allein an Landes- und Bundesstraßen gebaut.
Dieses Verhältnis ist kein Zufall. An der Ausarbeitung der Verkehrspolitik sind maßgeblich die direkten Konkurrenten der Bahn beteiligt: Automobilkonzerne, Speditionen, Mineralölgesellschaften und die am Straßenbau verdienenden Baukonzerne.
Rund 240 solcher Unternehmen sitzen in einem gigantischen Lobbyverband namens "Verkehrsforum Bahn". Der Name täuscht. Fürsprecher der Bahn oder gar Bahngewerkschafter finden sich hier nicht.
Privatisierung
Hauptanliegen des "Verkehrsforums Bahn" war die Privatisierung der Bahn. Eine "Arbeitsgruppe Unternehmensstruktur der Deutschen Bahn" arbeitete für die Privatisierung ein Konzept aus. Mitglieder der Arbeitsgruppe: Wilhelm Bender, Vorstandschef von Schenker-Rhenus, Deutschlands größter Spedition und Klaus Liesen, Aufsichtsratsvorsitzender bei VW.
So sieht dann auch das Konzept aus: Die Bahn soll nicht mehr mit Autos und Lastwagen konkurrieren, sondern mit dem Flugzeug! Die logische Konsequenz war der Ausbau dreier ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken für 100 Milliarden Mark bei gleichzeitiger Stilllegung der Regionalstrecken.
Es ist höchste Zeit, der Autolobby die Stirn zu bieten und bezahlbaren Bahntransport für alle zu schaffen. Das wäre sozial und gut für die Umwelt.