Jeder der behauptet hat, mit dem Einknicken der Grünen sei die Anti-Atomkraft-Bewegung tot, hat sich getäuscht: 16.000 Menschen kamen am Samstag, den 24. März, in Lüneburg zur Großdemonstration gegen den Castor-Transport. Hans Krause war für Linksruck als Berichterstatter vor Ort.
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16.000 auf der Straße – das waren 16.000 Zeichen gegen die lebensgefährlichen Atomkraftwerke und gegen Castor-Transporte, die seit Jahrzehnten hochradioaktiven Atommüll ins nahe gelegene Lager Gorleben bringen. Noch Tausende weitere werden in den kommenden Tagen ins Wendland kommen, wo der Castor die letzten Kilometer zurücklegen soll. Zahlreiche Aktionen werden stattfinden, die verhindern sollen, dass die Transporte durchkommen.
Demokratiefreie Zone
Waren beim letzten Castor-Transport vor vier Jahren schon 30.000 Polizisten hierhergekommen, um dem radioaktiven Gift den Weg frei zu knüppeln, haben sie den Bereich um die Transportstrecke diesmal endgültig zur demokratiefreien Zone gemacht. Die zahlreichen Camps, in denen sich die Atomkraftgegner versammeln wollten, um zu diskutieren und ihre Aktionen vorzubereiten, sind ausnahmslos verboten worden. Teilweise hat die Polizei die Bauern bedroht, die Wiesen zur Verfügung stellen wollten, teilweise wurden die Widerstandszentren mit lächerlichen Begründungen wie "zu wenig Toiletten" nicht genehmigt. Wer trotzdem versucht hat, das Grundrecht auf Versammlungs- und Redefreihet wahrzunehmen, dem wurde gezeigt, wozu die Polizei bereit ist: Mit schwerem Räumgerät rückten sie an, Namen und Dienstnummern abgeklebt, die Schaufelbagger vorne mit Stacheldraht versehen so haben sie die Camps der Atomkraftgegner geräumt.
Solidarität
Wenn sie geglaubt haben, uns damit vertreiben zu können, so war das jedoch ein Irrtum. Nachdem die Camp-Standorte als dauerhafter Versammlungsort angemeldet wurden, harrten hunderte Aktivisten bei Eiseskälte an Lagerfeuern aus, weil Schlafzelte nicht geduldet wurden. Noch wichtiger für das Scheitern der Vertreibungstaktik war jedoch die unglaubliche Solidarität der Menschen vor Ort. Schüler besetzten ihre Schulen und Turnhallen, damit die Aktivisten dort schlafen können. Viele Wendländer brachten Essen für die Blockierer, und die Info-Stellen hatten die ganze Zeit über genug Betten anzubieten, weil sehr viele Menschen ihre Wohnungen und Häuser zur Verfügung stellten. Selbst die St. Johanniskirche, das Wahrzeichen von Lüneburg und mehrere andere Kirchen wurden abends aufgesperrt, damit hunderte Aktivisten dort übernachten und diskutieren konnten. Die Küster brachten Tee und Kaffee.
Sturmparade
Einer der Höhepunkte der Anti-Castor-Proteste war traditionell die "Stunkparade" der wendländischen Bauern. 300 Traktoren bildeten einen kilometerlangen Zug, begleitet von über 2.000 Demonstranten. Der Protest endete jedoch mit einer Tragödie. Auf halber Strecke raste ein Nazi mit seinem Auto in die Menschenmenge und verletzte eine Frau schwer. Nachdem die Demo-Teilnehmer ihn verprügelt und sein Auto zerstört hatten, fand man auf dem Rücksitz eine Reichskriegsflagge. Obwohl die Demonstration von einem massiven Polizeieinsatz begleitet wurde, haben sie nichts unternommen, den Nazi zu stoppen. Am nächsten Tag musste ich in der Welt am Sonntag den Aufmacher lesen: "Polizei fürchtet Terror von Castor-Banden." Wie verlogen!