Karl Liebknecht: "Nieder mit dem Krieg!"

"Wie lange noch sollen die Glücksspieler des Imperialismus die Geduld des Volkes missbrauchen? Genug und übergenug der Metzelei!


Nieder mit den Kriegshetzern diesseits und jenseits der Grenze! Ein Ende dem Völkermord!


Proletarier aller Länder, vereinigt euch zum internationalen Klassenkampf gegen die Verschwörungen der Geheimdiplomatie, gegen den Imperialismus, gegen den Krieg, für einen Frieden im sozialistischen Geist. Der Hauptfeind steht im eigenen Land!"
Karl Liebknecht im Mai 1915


Der Sozialist Karl Liebknecht kämpfte gegen den 1. Weltkrieg. Er wurde verleumdet, eingesperrt und letztendlich getötet wegen seines Widerstands gegen Militarismus und Kapitalismus. Aber er zweifelte niemals daran, dass eine bessere Welt möglich ist.

Karl Liebknecht wurde in die SPD hineingeboren. Sein Vater Wilhelm war stellvertretender Vorsitzender der SPD im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Karl schmuggelte sozialistische Propaganda nach Russland. Er verteidigte auch andere vor Gericht, die für dieses Verbrechen verhaftet worden waren.


Er schrieb umfassende Arbeiten gegen den Militarismus und wurde für seine Meinung 18 Monate ins Gefängnis gesperrt. 1912 wurde Karl Liebknecht in den Reichstag gewählt und zwei Jahre später mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs international bekannt.


"Liebknechts Forderung war nicht umsonst. Sie ermutigte die oppositionellen Kräfte gegen den Krieg. An Bord der Kreuzer, Zerstörer, Torpedoboote und in anderen Einheiten begann eine Flüsterkampagne unter den Seeleuten, und hier und da lauter Beifall: Lang lebe Liebknecht!"

Die SPD hatte eine ablehnende Haltung zum Krieg, so wie alle sozialistischen Parteien in Europa. Diese Position wurde auf jedem internationalen Kongress bekräftigt, bevor der Krieg begann. Noch am 25. Juli 1914 richtete die Führung der SPD diesen Aufruf an die Arbeiterklasse: "Die Herrschenden Klassen, die Euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen Euch als Kanonenfutter missbrauchen. Überall muss den Gewalthabern in die Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Krieg! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!"


Aber schon am 4. August stimmte die SPD im Reichstag mit folgender Begründung geschlossen für die Aufnahme von Krediten, um den Krieg zu finanzieren: "Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich."


Liebknecht und seine Mitstreiterin Rosa Luxemburg versuchten monatelang verzweifelt, diejenigen in der SPD zu organisieren, die den Krieg ablehnten, und Unterstützung unter den Reichstagsabgeordneten zu finden. Es war umsonst. Es schien, als ob die ganze Welt von Kriegsbegeisterung erfasst war.


Am 2. Dezember gab es eine zweite Abstimmung im Reichstag, um der Regierung mehr Kredite zu bewilligen. Dieses Mal trat Liebknecht hervor und stimmte gegen die Kriegskredite. Jeder andere SPD-Abgeordnete stimmte mit der Regierung.


Die Neuigkeit von Liebknechts Opposition verbreitete sich in Europa und wirkte inspirierend für jene Sozialistinnen und Sozialisten, wie Lenin und die Bolschewiki in Russland, die gegen den Krieg und gegen ihre eigenen Herrscher kämpften.


Anfang 1916 entschieden Liebknecht und gleich Gesinnte, eine Organisation ins Leben zu rufen, die die linkesten Elemente der SPD zusammenbrachte. Sie nannten sie Spartakus, nach dem legendären Sklaven, der die Revolte gegen Rom anführte. Es war klar geworden, dass es nötig war, mit der Disziplin der SPD zu brechen, um wirklich sozialistische Politik voran zu bringen.


Die Spartakus-Gruppe versuchte, gegen den Krieg zu agitieren und zu erklären, dass der Hunger der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken mit dem Massenmord an der Front zusammenhängt.


Die SPD-Führung war offen für den Krieg. Sie hatte ein Verhältnis zum deutschen Staat, das dem der heutigen Kriegstreiber im Westen sehr ähnlich war. Entstanden war dieses Verhältnis in den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg. In dieser Zeit gab es nur wenige große Auseinandersetzungen zwischen der Arbeiterbewegung und dem Kapital. Dadurch beschränkte sich die SPD darauf, Mitglieder und Stimmen bei Wahlen zu gewinnen. Daneben schuf sie als Ausdruck der Ablehnung der offiziellen Gesellschaft eine eigene getrennte Welt. Es gab keine größere Stadt ohne sozialdemokratische Tageszeitung, ohne Konsumgenossenschaften, ohne Sportvereine und Kulturverbände der Arbeiter.


Sie bot aber keine wirkliche Perspektive eines Kampfes um die Macht in der Gesellschaft. Die Konfrontation mit der Staatsmacht und sogar mit den Arbeitgebern wurde möglichst vermieden.


Der Haupttheoretiker der SPD, Karl Kautsky, lieferte die passende Ideologie: "Die Sozialdemokratie ist eine revolutionäre, nicht aber eine Revolution machende Partei. Wir wissen, dass unsere Ziele nur durch eine Revolution erreicht werden können, wir wissen aber auch, dass es ebenso wenig in unserer Macht steht, diese Revolutionen zu machen, als in der unserer Gegner, sie zu verhindern."


Weil die SPD sich mit der täglichen Ausbeutung der Arbeiter zum Wohle einer kleinen Minderheit abgefunden hatte, konnte sie auch der extremsten Form dieser Ausbeutung, dem Weltkrieg, nichts entgegensetzen. Sie verteidigte ihn sogar. 1916 gab der SPD-Sprecher im Reichstag bekannt: "Der Frieden wird Deutschland und seine Verbündeten als eine Gruppe von Mächten hervorbringen, deren Sphäre wirtschaftlichen Einflusses von den Marschen der Elbe bis zu den Küsten des Persischen Golfs reicht. Dieses Deutschland wird mit Waffengewalt den Kern einer großen Sphäre wirtschaftlicher Kontrolle gewinnen, die es wert ist, neben anderen Weltreichen genannt zu werden."


Die Spartakus-Gruppe entschied, am 1. Mai 1916 zu einer Anti-Kriegs-Demonstration aufzurufen. Obwohl sie illegal war, kamen etwa 10.000 Arbeiter und machten sie zum ersten sichtbaren Protest gegen den Krieg.


Liebknecht stieg aufs Podium und begann seine Rede mit: "Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!" Er wurde sofort verhaftet. Er wurde des Hochverrats für schuldig befunden und von einem Militärgericht zu zweieinhalb Jahren Zwangsarbeit verurteilt.


Jeden Monat gab es noch grausamere Geschichten über "den Feind" und noch barbarischere Methoden der Kriegsführung. Jedes Jahr nahmen mehr Länder an dem Konflikt teil; erst die Türkei, dann Italien, dann die USA und andere.


Aber die Unzufriedenheit mit dem Krieg wuchs. 55.000 Munitionsarbeiterinnen streikten am Tag von Liebknechts Verurteilung. Im Oktober 1918 begann eine große Zahl von Arbeiterinnen und Arbeitern gegen die Regierung zu demonstrieren.


Die Regierung geriet unter Druck und war gezwungen, Liebknecht freizulassen. Im November kam die angehäufte Bitterkeit von vier Jahren Krieg zum Ausbruch, als Matrosen in den Häfen von Kiel und Wilhelmshaven gegen ihre Offiziere meuterten.


Eine Welle von Meutereien und Streiks breitete sich in Deutschland aus. Hunderttausende gingen auf die Straße, und an der Front legten Soldaten einfach die Waffen nieder und weigerten sich zu kämpfen.


Innerhalb von Tagen erzwangen sie die Abdankung des Kaisers und den Rücktritt der Regierung. Dieser Arbeiteraufstand beendete den 1. Weltkrieg.


Die SPD-Führer, die bis zum letzten Moment versucht hatten, den Ausbruch der Revolution zu verhindern und die Monarchie zu stützen, eilten nun an die Spitze der Bewegung, mit der Absicht, sie in friedliche Bahnen zu lenken.


Überall begannen Arbeiter und Soldaten, demokratische Räte aufzubauen, die in jeder Region die Streiks und Meutereien organisierten.


Liebknecht und die Spartakusgruppe argumentierten, dass der alte Staat zerschlagen werden müsse, und dass die Räte auf einer landesweit zusammenkommen müssten um echte Macht auszuüben.


Aber sie waren eine sehr schwache Stimme, und hatten nur einige tausend Unterstützer. Der SPD gelang es hingegen, die Mehrheit der Bevölkerung für eine dem Namen nach sozialistische, in Wahrheit jedoch die Macht der Kapitalisten sichernde Politik zu gewinnen. Obwohl die SPD-Führer ihre Anhänger in den Krieg gehetzt hatten, konnten sie sich dank ihrer langen Tradition und Bekanntheit als Vertreter der Unterdrückten gegen die Revolutionäre durchsetzen.


Ein revolutionärer Aufstand Anfang 1919 wurde niedergeschlagen, und am 15. Januar wurden Liebknecht und seine Genossin Rosa Luxemburg von Soldaten ermordet.


In der Nacht davor schrieb Karl Liebknecht seine Gedanken nieder, in einem Artikel mit dem Titel: "Trotz alledem!" Darin argumentierte er, dass Arbeiterinnen und Arbeiter sich solange gegen Angriffe der Herrschenden wehren müssen, solange der Kapitalismus existiert. Er freute sich auf den Tag, an dem sie ihre eigene Macht erkennen würden, die Gesellschaft zu führen:


"Das Wort, dass die Befreiung der Arbeiterklasse nur das eigene Werk der Arbeiterklasse selbst sein kann, es hat durch die bittere Lehre dieser Woche eine neue, tiefere Bedeutung für sie gewonnen."

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