Planung
Sozialismus dagegen heißt, die Kontrolle über die Produktion zu demokratisieren und so die Voraussetzung zu schaffen, daß die menschlichen Bedürfnisse Ausgangspunkt aller Entscheidungen sind. Sozialismus heißt, daß die menschliche Vernunft das Handeln in der Gesellschaft bestimmt, und nicht die abstrakten Sachzwänge eines anonymen Marktes.
Während im Kapitalismus neue Maschinen ausschließlich dazu dienen, die einen mehr zu stressen und die anderen auf die Straße zu werfen, würden sie im Sozialismus die Arbeit erleichtern und verkürzen. Dies erlaubt dem Arbeiter, aktiv am gesellschaftlichen Leben mitzuwirken. Er wird Produzent und Planer in einer Person. In diesem Moment verliert die Arbeit auch ihren Schrecken, den sie im Kapitalismus hat. Denn die Produzenten gewinnen die Kontrolle über die Früchte ihrer Arbeit.
Deshalb ist die Vorstellung absurd, daß in einer solchen Gesellschaft der Anreiz verloren ginge, überhaupt noch zu arbeiten. Im Gegenteil. Hat die Arbeit ihren Sinn für den einzelnen Menschen zurückgewonnen, dann braucht er als Antrieb dazu auch nicht mehr die ständige Existenzangst wie im Kapitalismus. Man muß sich nur einmal vergegenwärtigen, mit welchem Eifer viele Arbeiter noch nach ihrem Arbeitstag ein Hobby betreiben können. Oder mit wieviel Enthusiasmus Erstkläßler in die Schule gehen, bevor der Zensurendruck das Lernen zu einem sinnentleerten Pauken macht.
Klassenkämpfe
Der Sozialismus ist nicht irgendeine sympathische, aber utopische Vision. Er erwächst aus den sehr realen Klassenkämpfen der bestehenden Gesellschaft. Jeder Streik durchbricht bereits heute im Keim die Logik des Kapitalismus. Erfolgreiche Streiks hängen stets von der Solidarität untereinander ab. Sie überwinden so die Vereinzelung und den Egoismus, den die kapitalistische Konkurrenz unter den Arbeitern wuchern läßt. Kommt es zum Generalstreik, so ist es eine Frage der Zeit, bis die Arbeiter selbst anfangen müssen, die Versorgung in einer Stadt sicherzustellen, wenn sie den Kampf nicht verlieren wollen. Aus dieser Notwendigkeit heraus entstanden in der Geschichte dieses Jahrhunderts immer wieder in großen Kämpfen Aktionsausschüsse von Arbeiterdelegierten – die Räte.
Auf diese Weise haben etwa in den Revolutionen in Rußland 1917, Deutschland 1918, Iran 1979 oder auch ansatzweise in Frankreich 1968 die Kämpfenden begonnen, die Kontrolle des öffentlichen Lebens in die eigenen Hände zu nehmen. Der Historiker Sebastian Haffner beschreibt die Geschehnisse im November 1918 in Deutschland: In dieser Woche verwandelte sich das westliche Deutschland aus einer Militärdiktatur in eine Räterepublik. Die Massen, die sich erhoben, schufen kein Chaos, sie schufen überall die rauhen und ungehobelten, aber klar erkennbaren Elemente einer neuen Ordnung. Was beseitigt wurde, waren die Generalkommandos, die militärischen Obergewalten … Was an ihre Stelle gesetzt wurde, war die neue, revolutionäre Autorität der Arbeiter- und Soldatenräte. Aus dem Klassenkampf der Arbeiter entstand organisch eine neue Form der Demokratie von unten. Es sind diese Beispiele kollektiv erfahrener Macht, die uns einen Vorgeschmack darauf geben, wie sich eine neue, freie Gesellschaft aus den Widersprüchen des Kapitalismus entwickeln kann.