Die Hoffnung auf ein Ende der Unterdrückung liegt in der internationalen antikapitalischen Bewegung, die auch im Nahen Osten verankert ist. Eine Antwort auf "Raus aus der militärischen Logik" von Jürgen Grässlin in Linksruck Nr. 169.
Die internationale Antikriegsbewegung muss jede Art des Widerstandes der Iraker gegen die US-Besatzung ihres Landes unterstützen. Denn auch die ständigen Anschläge auf ihre Armee halten die USA bisher davon ab, weitere Kriege zu beginnen.
Bis vor einigen Jahren genügte es der US-Regierung meist, ihre Macht mit Hilfe verbündeter Diktaturen zu sichern. Dass die USA ihre Kriegspläne jetzt trotz des weltweiten Widerstandes gegen den Krieg im Irak nicht aufgeben, liegt an der zunehmenden Schwäche dieser Diktaturen. Oft können die arabischen Herrscher die Menschen in ihren Ländern nur mit extremer Gewalt unter Kontrolle halten.
Jürgen Grässlin meint, der bewaffnete Widerstand im Irak diene nur "den US-Falken als Legitimation für die unbefristete Besetzung des Irak und weitere Aufrüstungsprogramme". Doch dabei übersieht der Autor die Chancen auf Revolutionen in mehreren arabischen Ländern.
Denn der Widerstand der Iraker ist ein Vorbild für demokratische Bewegungen in der ganzen Region. Die Iraker kämpfen nicht nur gegen die Besatzung ihres Landes durch die US-Armee. Denn diese Besatzung ist verbunden mit der wirtschaftlichen Ausplünderung des Irak durch Konzerne, mit sozialer Verelendung, ständigen Demütigungen, willkürlichen Verhaftungen und sogar Folter und Mord durch die US-Soldaten.
Dass der Angriff auf den Irak für die US-Regierung und die verbündeten Diktatoren ein Schuss sein könnte, der nach hinten losgeht, erkannte der jordanische König Abdullah, als er US-Präsident Bush warnte: "Wenn er den Irak angreift, macht er für uns das Tor zur Hölle auf". Tatsächlich haben bei Kriegsbeginn Millionen Araber voller Wut gegen die Duldung des US-Krieges durch die eigenen Regierungen protestiert. Diese Bewegungen wurden sowohl durch den Widerstand der Iraker als auch durch riesige Demonstrationen auf der ganzen Welt ermutigt.
Grässlin fürchtet, die Bewegung setze sich "der Gefahr aus, die Mittel religiös verblendeter Islamisten und Terroristen zu legitimieren". Ohnehin sei der "Terrorismus eine der größten Bedrohungen des Weltfriedens". In Wahrheit sind es nicht Attentäter, sondern die USA, die seit Jahrzehnten immer wieder demokratische Bewegungen vernichten und Terror-Regimen zur Macht verhelfen. So ist Ägypten der zweitgrößte Empfänger von Militärhilfe der USA. Auch zahlreiche andere Diktaturen in der Region werden finanziell und politisch unterstützt.
Die Iraker bringen mit Demonstrationen, Streiks, Betriebsbesetzungen und bewaffneten Angriffen auf die Besatzungsarmee und die verbündete irakische Polizei die Pläne zum Erringen der Weltherrschaft der US-Regierung ins Stocken. Auf den Kriegsterror der USA reagieren arabische Aktivisten mit einer immer besseren Vernetzung der verschiedenen Bewegungen: Gewerkschafter, Studierende, linke Rechtsanwälte, Aktivisten für die Rechte von Frauen oder Schwulen und Lesben, Sozialisten, oder auch Nationalisten und Islamisten diskutieren über die nächsten Schritte des Widerstandes. Sozialforen in Ramallah, Beirut oder Kairo nach den Vorbildern aus Südamerika oder Indien verankern die internationale antikapitalistische Bewegung auch in den arabischen Ländern.
Eine neue linke Bewegung im Nahen und Mittleren Osten entsteht in Konkurrenz zu nationalistischen oder religiösen Organisationen. Dass aber auch diese ein wichtiger Teil des Widerstandes sind, zeigen die riesigen Demonstrationen für demokratische Wahlen im Irak. Aufgerufen hatte das schiitische Religionsoberhaupt Al-Sistani. Daraufhin erklärte die US-Regierung zumindest, prüfen zu wollen, ob noch dieses Jahr gewählt werden kann.
Auf der ganzen Welt verglichen Journalisten diese Demonstrationen mit der Revolution im Iran 1979. Damals hatten Arbeiter und Studierende mit Massenprotesten den Schah gestürzt, um seine blutige Diktatur und das Elend der Menschen zu beenden. Dadurch wurde den USA einer ihrer wichtigsten Verbündeten im Mittleren Osten entrissen.
Kurz nach der Revolution ist es Ayatollah Khomeini gelungen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und sie für die Errichtung einer islamistischen Diktatur zu missbrauchen. Die neuen Herrscher haben jede demokratische Bewegung brutal unterdrückt. Das Versprechen Khomeinis, den Iran zum Bollwerk gegen die Herrschaft der USA im Nahen Osten zu machen, wurde nie erfüllt. Die iranische Regierung ist niemals besser gewesen, als andere arabische Diktaturen.
Zu Recht betrachten heute die meisten Muslime die Mächtigen im Iran nicht als Verbündete. Auch andere islamistische Regime, wie die Taliban-Kriegsfürsten in Afghanistan oder die saudische Königsfamilie haben seit langem kaum noch Unterstützung in der Bevölkerung.
Anders als 1979 gibt es heute eine weltweite antikapitalistische und Antikriegsbewegung, die Arabern beweist, dass auch Millionen Menschen in Europa und Amerika gegen den Terror der US-Armee sind. Unsere Proteste zeigen, dass die Grenzen nicht zwischen den Religionen verlaufen, sondern zwischen Unterdrückten und Herrschenden überall auf der Welt.
Die nächste Möglichkeit in Deutschland gegen die Kriegstreiber zu kämpfen, ist die Demonstration gegen die "NATO-Sicherheitstagung" in München am 7. Februar. Außerdem werden am 20. März in Deutschland und auf der ganzen Welt hunderttausende gegen die Besatzung des Irak protestieren. Je mehr Menschen hier auf die Straße gehen, desto schwieriger wird es für Kanzler Schröder, deutsche Truppen in den Irak zu schicken, um die US-Besatzung zu unterstützen.Irmgard Wurdack ist Redakteurin von Linksruck und Mitinitiatorin einer Kampagne gegen das Kopftuchverbot für Musliminnen.
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