Imperialismus ist kein verstaubter Begriff aus den Geschichtsbüchern, sondern Realität im 21. Jahrhundert."Die Internationalisierung des Wirtschaftslebens führt
unvermeidlich zu einer Entscheidung der strittigen Fragen durch Feuer und Schwert." So beschrieb der Revolutionär Nikolai Bucharin 1915 den Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen Wirtschaftssystem und Kriegen. Er untersuchte den Imperialismus, als der der US-Krieg gegen den Irak heute zu Recht bezeichnet wird. Dieser Begriff ist weder ein bloßes Schimpfwort noch eine oberflächliche Beschreibung von "Imperien".
Er gibt uns vielmehr einen Schlüssel an die Hand, um die Veränderungen im kapitalistischen Weltsystem zu erfassen und um zu verstehen, wie der Durst nach Profit immer wieder zu brutalen Kriegen führt. Bucharin erklärte, dass der Krieg nichts anderes sei als die Fortführung der Konkurrenz auf einem bestimmten Stand der internationalen Entwicklung.
Individuelle Kapitalisten sind in einem System des Wettbewerbs um Rohstoffe, Märkte und Arbeitskräfte gefangen. In dieser nie endenden Konkurrenz schalten Firmen ihre Konkurrenten aus oder schlucken sie, um weiter zu wachsen. Aus dem Wettbewerb einer Vielzahl von Konkurrenten geht in einer Branche nach der anderen eine Handvoll monopolistischer Großunternehmen hervor. Schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte der russische Revolutionär Lenin in dem "ungeheuren Wachstum der Industrie und dem auffallend raschen Prozess der Konzentration der Produktion in immer größeren Betrieben
eine der charakteristischen Besonderheiten des Kapitalismus." Die Monopolisten produzieren und vermarkten ihre Waren zunehmend global. Und so bleibt auch ihre Konkurrenz nicht mehr wie früher auf den nationalen Rahmen beschränkt, sondern findet im Weltmaßstab statt.
Die Nationalstaaten unterstützen ihre jeweiligen Unternehmen in der internationalen Konkurrenz. Aus diesem Grunde geraten sie wirtschaftlich und schließlich militärisch miteinander in Konflikt.
Auch die größten Firmen können nicht selber Kriege führen, um ihre Interessen durchzusetzen. Ölkonzerne wie Shell und Exxon mögen auf das irakische Erdöl versessen sein, aber sie besitzen keine Panzer, Flugzeugträger oder Soldaten. Sie sind auf die Armeen von Nationalstaaten angewiesen, um für sie zu kämpfen.
Weil die Produktion nicht mehr nur innerhalb der Landesgrenzen stattfindet, müssen Nationalstaaten die Fähigkeit entwickeln, Märkte, Produktionsanlagen und Rohstoffe in verschiedenen Teilen der Welt für ihre Unternehmen zugänglich zu machen und militärisch zu kontrollieren.
"Die Fähigkeit zum Kampfe auf dem Weltmarkt hängt somit von der Macht und Geschlossenheit der Nation, von ihren militärischen und finanziellen Hilfsmitteln ab", schrieb Bucharin. Die großen Konzerne und der Staat sind fortan aneinander gekettet. Dieses Band zwischen Kapitalisten und Staat macht Kriege unvermeidlich.
"Eine kapitalistische Gesellschaft ist ohne Rüstung ebenso undenkbar wie ohne Kriege", erklärte Bucharin weiter, "Und ebenso wie nicht die niedrigen Preise die Konkurrenz hervorrufen, sondern umgekehrt die Konkurrenz niedrige Preise erzeugt, so ist auch das Bestehen der Armeen nicht die Hauptursache und die Triebkraft der Kriege (wenn auch natürlich Kriege ohne Armeen undenkbar sind), sondern umgekehrt: das Bestehen der Armee ist dadurch bedingt, dass wirtschaftliche Konflikte unausbleiblich sind. Aus diesem Grunde erleben wir heute in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Konflikte einen Zustand der höchsten Spannung erreicht haben, auch einen Hexensabbat der Rüstungen."
Die Imperialisten müssen nicht nur ihren Zugriff auf wichtige Rohstoffe wie Öl sichern, sondern auch ihre strategische Position in der Welt ausbauen und verteidigen. Lenin schrieb dazu, es sei "für den Imperialismus wesentlich der Wettkampf einiger Großmächte in ihrem Streben nach Hegemonie, d.h. nach der Eroberung von Ländern", und zwar, "nicht so sehr direkt für sich als vielmehr zur Schwächung des Gegners und Untergrabung seiner Hegemonie." Diese Dynamik mündete mehrmals in Phasen weltumspannender Konflikte, in denen Friedenszeiten nur als Atempausen vor erneuten Zusammenstößen dienten. Kein Abkommen konnte weitere Kriege verhindern.
Lenin betonte, dass sich die Großmächte nur für kurze Zeit über eine Aufteilung der Welt verständigen könnten, weil einige von ihnen wirtschaftlich schneller wachsen als andere. Damit verändert sich auch das militärische Gleichgewicht zwischen ihnen, und die Stärkeren fordern einen größeren Anteil der Welt für sich. Die bisherige Aufteilung der Welt wird dann neu verhandelt und ausgefochten.
Der Imperialismus bleibt ein System der Konkurrenz zwischen einigen wenigen mächtigen Staaten um die wirtschaftliche, politische und militärische Herrschaft über den Rest der Welt. Die Imperialismustheorie ist alles andere als eine trockene Beschreibung der Kriege der Vergangenheit. Sie erklärt weiterhin die wirklichen Triebkräfte hinter der US-Besatzung des Irak und dem Tod der Kinder in Bagdad.
Es gibt immer wieder Zeiten relativen Friedens, die den Anschein erwecken, die Kapitalisten wären in der Lage, ihre Streitereien friedlich oder durch Organisationen wie die UNO beizulegen. Aber wir haben erst in jüngster Zeit wieder erlebt, wie ab einem bestimmten Zeitpunkt Krieg wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Unser Kampf gilt jedem einzelnen Krieg, aber auch dem System, das ihn hervorbringt.
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