Im Nahen Osten bauen Aktivisten der Antikriegsbewegung eine neue Linke auf. Jan Maas sprach mit Ashraf El Bayoumi aus Kairo über den Kampf gegen die US-Besatzung und die Regime in arabischen Ländern. Ashraf bereitet derzeit die zweite Kairoer Konferenz vor. In den 90ern arbeitete er im Irak für das Welternährungsprogramm der UNO.
Stichwort: NasserismusDer Nasserismus ist eine arabische nationalistische Strömung, die nach dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten Nasser benannt ist. 1952 stürzte er die Monarchie, die von Großbritannien unterstützt wurde. Viele hielten Nasser damals für einen Befreier des Nahen Ostens von westlicher Vorherrschaft. |
Ashraf, du organisierst gerade die zweite Kairoer Konferenz mit und du bist einer der ersten Unterzeichner der Kairoer Erklärung von 2002. Worum geht es dabei?
Unsere Erklärung richtet sich gegen die militärische Globalisierung der US-Regierung. Sie richtet sich dagegen, dass Geld für Waffen ausgegeben wird, statt für die Bedürfnisse der Bevölkerung, ob Gesundheit oder Bildung.
Die Erklärung richtet sich auch gegen das kolonialistische Siedlerregime, das Israel aufbaut. Wir sind für eine menschliche Globalisierung.
Die Befürworter der Globalisierung behaupten, Demokratie in den Nahen Osten zu bringen. Seid ihr gegen Demokratie?
Wenn wir von Demokratie reden, meinen wir Demokratie und nicht einen starken Staat. Wir wollen nichts mit der "Demokratie" zu tun haben, von der US-Präsident Bush und sein Außenminister Powell reden.
Demokratie bedeutet Unabhängigkeit. Wir wollen eine Demokratie ohne Besatzung, ohne Vorherrschaft und Erpressung.
Während des Kriegs gegen den Irak haben sich zehntausende den Verboten und der Polizei widersetzt. Was kann die Antikriegsbewegung in Ägypten jetzt tun?
Die Antikriegsbewegung muss den Widerstandskämpfern gegen die Besatzung im Irak helfen. Wir müssen den Widerstand zumindest moralisch unterstützen.
Viele Menschen sind eingeschüchtert, weil der Widerstand als terroristisch dargestellt wird. Wer den Widerstand unterstützt, wird auch als Terrorist gebrandmarkt.
Welche Auswirkungen hat der Widerstand in der arabischen Welt?
Immer mehr Araber zeigen Solidarität untereinander, zum Beispiel mit der Intifada. Wenn ein Land besetzt wird, begrüßen die Menschen die Invasionsarmee nicht. Besonders nicht die US-Armee im Irak. Die Iraker haben eine große Tradition des Widerstands gegen die britische Besatzung bis 1958.
Kann der Widerstand die Supermacht USA besiegen?
Ja. Ich denke, er wird nicht nur die US-Armee vertreiben, sondern auch ein weiterer Schritt sein, die Regime in der arabischen Welt zu stürzen. Der ägyptische Präsident Mubarak hat immer wieder gesagt, die USA seien im Nahen Osten neutral. Dieses Märchen glaubt jetzt niemand mehr.
Auch die Hoffnung auf Wohlstand durch Mubarak ist zerstört. Die wirtschaftliche Lage in Ägypten ist wirklich schlimm. Mubaraks Regime hat jede Unterstützung verloren.
Was kann nach Mubarak kommen?
Die aufsteigende Kraft ist die Bevölkerung. Das haben wir besonders am 20. März gesehen. An diesem Tag waren wir tatsächlich überrascht, wie viele Menschen spontan zu unserer Demonstration gegen den Krieg im Irak auf den größten Platz Kairos kamen, den Tahrir-Platz.
Wie sieht die Zukunft der arabischen Welt aus?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die Alternative, für die wir arbeiten, bedeutet, die Zusammenarbeit der Kriegsgegner zu stärken, egal ob Marxisten, Nasseristen oder denjenigen, die ich charakterfeste Islamisten nenne. Eine andere Möglichkeit ist ein Militärputsch.
Wenn die Regierung so weitermacht, könnten auch rechte Teile der Islamisten versuchen, die Macht zu übernehmen. Die Muslimbruderschaft möchte zum Beispiel die Macht übernehmen und dazu den Islam missbrauchen. Sie werden von der Regierung sogar unterstützt, um eine Massenbewegung zu verhindern.
Haben rechte Islamisten viel Unterstützung?
Eine wichtige Behauptung der rechten Islamisten ist widerlegt worden: Dass ganz Nordamerika und Europa einen Kreuzzug gegen die Araber führen. Viele islamistische Gruppen haben gesagt, in den christlichen Ländern wären alle gegen uns. Doch dann haben die Ägypter gesehen, wie Millionen Europäer gegen den Krieg demonstrieren. Das zeigt uns, dass wir nicht allein sind, dass es noch andere Menschen gibt, die gegen den Krieg sind.