Die russische Armee geht in Tschetschenien ebenso brutal vor wie bei der Geiselbefreiung in Moskau.
200 Jahre Unterdrückung
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Putin wie auch westliche Staatsoberhäupter und die Presse bezeichnen die Tschetschenen als fanatische Terroristen.
Tatsächlich aber sind sie Menschen, die in den letzten acht Jahren die Schrecken zweier blutiger Kriege erlebt haben. Zweimal ist die russische Armee in die winzige Republik Tschetschenien eingefallen.
1999 kündigte Putin bei der Präsidentschaftswahl einen Krieg gegen Tschetschenien an. Sein Slogan war: Wir werden die Banditen im Klo ertränken.
Wenig später folgte der Einmarsch. Russische Truppen machten die tschetschenische Hauptstadt Grosny dem Erdboden gleich. Die russische Luftwaffe setzte sogenannte Vakuumbomben ein. Diese Bomben bringen die Lungen zum Platzen.
Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial veröffentlichte im Februar 2001 den Augenzeugenbericht der 37jährigen Elena aus Grosny: Wir kamen aus dem Keller. Kaum waren wir vor die Türe gelangt, schossen sie auf Natascha, Ljuda und den Jungen. Dann sagte ein Soldat Wir brauchen keine Zeugen und schoss nochmal auf die Kinder, die doch schon tot waren.
Die russische Armee tötet, foltert, vergewaltigt und plündert. Opfer ist die tschetschenische Zivilbevölkerung. Eine Frau berichtet: Vier russische Söldner drangen in das Haus der Nachbarn meiner Schwester ein. Sie wollten die Tochter sprechen. Die hatte sich im Keller versteckt. Die Soldaten durchsuchten das Haus und fanden sie. Die Mutter ging dazwischen, aber die Soldaten schossen ihr in die Beine. Dann vergewaltigten sie das Mädchen, der Reihe nach.
In ganz Tschetschenien errichtete die Armee sogenannte Filtrationslager – Folterzentren, in die mehrere Zehntausend Tschetschenen verschleppt wurden. Ein anonymer russischer Soldat schrieb einen Brief an die Presse über seine Erlebnisse im Lager Tschernokosowo: Was wir hier den Menschen antun! Sie werden buchstäblich massakriert. Man muss ihre Schreie hören, die Schreie starker Männer, denen man alles bricht und kaputtmacht, was man nur kaputtmachen kann. Einige werden vergewaltigt, oder man zwingt sie, es untereinander zu tun. Wenn es eine Hölle gibt, dann ist sie hier.
Ein Inhaftierter gab zu Protokoll: Die schlimmsten Zellen waren die versteckten Zellen: Den dort Inhaftierten waren alle Rippen gebrochen, Finger und Ohren abgeschnitten oder die Trommelfelle durchstochen.
14.000 Tschetschenen wurden beim letzten Einmarsch getötet. Zwei Jahre später ist die Industrie des Landes fast vollständig zerstört. Zwei Drittel seiner Einwohner haben ihr Obdach verloren. 130.000 tschetschenische Flüchtlinge leben im Nachbarland Inguschetien.
Präsident Putin behauptete im April 2000, er habe den Krieg in Tschetschenien gewonnen. Aber 85.000 russische Soldaten halten das Land weiterhin besetzt, zerbomben Wohngebiete, zerstören Dörfer und treiben Zivilisten zusammen.
Die Tschetschenen wehren sich gegen die Besetzung. Erst kürzlich schossen tschetschenische Kämpfer einen russischen Transporthubschrauber ab – 120 russische Soldaten starben.
Die Geiselnahme war ein verzweifelter Versuch, auf die Lage in Tschetschenien aufmerksam zum machen. Die Geiselnehmer waren radikale Islamisten, die in Tschetschenien aufgrund der Lage Zulauf bekommen.
An der Tragödie von Moskau sind die westlichen Regierungen mitschuldig. Seit dem 11. September ist Vladimir Putin Verbündeter beim Krieg gegen Terror von George Bush.
Als Gegenleistung schweigen die westlichen Regierungen zu den russischen Gräueltaten in Tschetschenien. Gerhard Schröder sagte, nach dem 11. September sei Putins Krieg differenzierter zu bewerten.
Putin, der Schlächter von Tschetschenien, und seine westlichen Verbündeten sind die wahren Verantwortlichen für das Drama von Moskau.