Grade vor dem Hintergrund der Krise des US-Imperialismus ist die Rede von Hogo Chavez anläßlich seineas Amtsantritts eingeschlagen wie eine Bombe. Chavez stellte sich in die Tradition von Marx, Engels, Lenin und Trotzki und kündigte die Rücknahme der zentralen Privatisierungen im Telekommunikations- und Energiesektor an. Die betroffenen Konzerne befinden sich faktisch unter der Kontrolle US-geführter Konsortien damit dürfte Chavez Programm der größte Angriff auf US-Interessen in Lateinamerika seit den von Salvator Allende geplanten Verstaatlichungen der Rohstoffindustrie in Chile in den 70ern sein.
Chavez Rede reflektiert die fortschreitende Radikalisierung der Bewegung in Venezuela deren Frontmann und politisches Produkt Chavez ist.
Dem innenpolitischen folgte der außenpolitische Paukenschlag: Irans Präsident Ahmedinedschad kam zum Staatsbesuch nach Caracas und rief gemeinsam mit Chavez die Allianz gegen das Imperium der USA aus.
Die bürgerlichen Medien sowie die US-Regierung haben sofort vom Treffen der Autokraten gesprochen. Das ist lächerlich: Chavez ist mehrfach mit immer größeren Mehrheiten gewählt worden. Und im Vergleich zu US-Verbündeten wie dem Regimen in Ägypten, Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten sind die Wahlen in Iran, bei allen Einschränkungen wie die Kandidatenauswahl durch den islamistischen Wächterrat, zumindest ansatzweise demokratisch.
Trotzdem wird vielen Chavez-Anhängern auf der Linken angesichts des Handschlags mit Ahmedinedschad mulmig werden.
Dazu folgendes: Chavez und Ahmedinedschad haben recht, wenn sie in ihrer gemeinsamen Erklärung sowohl die US-Kriegspolitik als von der US-geführten globalen neoliberalen Angriff verurteilen. Beide Länder sind im Visier des US-Imperialismus, deshalb ist es auch vernünftig, in einer US-dominierten Weltwirtschaft Absprachen über wirtschaftliche Kooperation zu treffen, um zu verhindern, dass die USA die jeweiligen Länder wirtschaftlich isolieren. Von daher ist die Kritik der USA und ihrer Verbündeten Heuchelei.
Völlig falsch liegt Chavez jedoch, wenn er über eine zweckgebundene Front gegen den US-Imperialismus hinausgeht und in gewohnt blumiger Sprache Ahmedinedschad bescheinigt, ein Bruder und Revolutionär. zu sein. Zwischen Chavez und Ahmedinedschad liegen Welten. Chavez ist auf der Welle einer genuin anti-neoliberalen und anti-imperialistischen Massenbewegung an die Macht geschwommen und wird von dieser Bewegung auch dort gehalten. In seiner politischen Entwicklung repräsentiert er die Entwicklung der Bewegung. Er ist ein wirklicher Stachel im Fleisch des US-Imperialismus.
Ahmedinedschad Wahl ist zwar Ausdruck des Protestes gegen die Korruption und Selbstbedienungsmentalität der klerikalen Eliten im Iran gewesen (er hatte zum Beispiel versprochen, aus Öleinnahmen Sozialprogramme zu finanzieren). Doch seit er Präsident ist, erweist er seiner Bevölkerung und der antimperialistischen Bewegung insgesamt einen Bärendienst nach dem anderen.
Zum einen ist Ahmedinedschads Haltung zum US-Imperialismus wesentlich pragmatischer als seine Rhetorik vermuten lässt. Die iranische Regierung hat unterstützt, das die mit ihnen verbundene irakische Schiitenorganisation SCIRI sich den US-Besatzer im Tausch gegen Regierungsposten als Bürgerkriegsarmee gegen den sunnitischen Aufstand andiente. Damit trägt die iranische Regierung Mitverantwortung dafür, das mittlerweile Zehntausende Iraker gegeneinander, statt gemeinsam gegen die US-Besatzer kämpfen. Sie hat die antiimperialistische Politik des gemeinsamen Widerstandes gegen Regionalmachtpolitik getauscht, weil sie sich über die schiitischen Organisationen mehr Einfluss im Irak erhoffte.
Dazu kommt, dass Ahmedinedschads grundfalsche Gleichstellung der Politik des Staates Israel mit den Juden sowie seine Holocaustleugnung die Anti-Kriegs-Bewegung weltweit, speziell aber in Deutschland schwächt. Die weltweite Anti-Kriegs-Bewegung gegen Bushs Politik und auch gegen die Politik des israelischen Staates gegenüber den Palästinensern umfasst Christen, Muslime, Juden und Nichtreligiöse diese Einheit bedroht Ahmedinedschad, indem er das falsche Bild vom Kampf der Kulturen selber verbreitet.
Zuletzt ist auch der soziale Inhalt der Ahmedinedschad-Regierung ein anderer. Chavez verteilt um, während im Iran alles beim Alten geblieben ist trotz Verdoppelung der Öleinnahmen steigt die Armut. Darüber regt sich mehr und mehr Unmut in der iranischen Bevölkerung: Ahmedinedschad schmierte bei den letzten Regionalwahlen ab.
Das alles sollte uns nicht von unserer revolutionären Traditionslinie der bedingungslosen aber nicht kritiklosen Unterstützung der antiimperialistischen Kräfte abbringen. Letztlich lässt sich Ahmedinedschads Schulterschluss mit Chavez aus der permanenten Bedrohung durch einen US-Krieg erklären und drückt die Hoffnungen von Millionen von Menschen im Nahen Osten nach einem Leben ohne Fremdbestimmung und imperialistischer Unterjochung aus. Deswegen stellen wir uns im Konflikt mit dem US-geführten Imperialismus zuerst bedingungslos auf die Seite von Chavez und Ahmedinedschad. Wir werden hier jedoch nicht stehenbleiben und den Fehler der stalinistischen Tradition machen, die das Heil der Kommunisten im Aufgehen ihrer Programme und Organisationen in der gemeinsamen Volksfront mit bürgerlichen Kräften sah. Vielmehr ist es entscheidend, dass die revolutionäre Linke Organisationen des Klassenkampfes und der Massenbewegung von unten aufbaut, die ihre Eigenständigkeit im gemeinsamen antiimperialistischen Kampf bewahren und durch das Eintreten für eine konsequente antiimperialistische Strategie den kleinbürgerlichen Nationalisten die Führung streitig machen können.