Nur ein radikales Umsteuern im weltweiten Maßstab kann die Klimaerwärmung stoppen. Die G8 sind das größte Hindernis dafür. Von Paul Severin
Die Alternativen Die meisten seriösen wissenschaftlichen Studien gehen davon aus, dass der CO2-Ausstoß bis 2050 weltweit um durchschnittlich 60 Prozent reduziert werden müsste, um die schlimmsten Folgen der Klimaerwärmung abzuwenden. Das würde für die Industriestaaten eine Reduzierung um bis zu 90 Prozent bedeuten. Energieproduktion (verantwortlich für etwa ein Drittel der CO2-Emissionen): Verkehr (verantwortlich für etwa ein Fünftel der CO2-Emissionen): Höhere Energieeffizienz Umsteuerung der Produktion |
Die Welt steuert ungebremst auf eine Katastrophe zu. Die Ursachen sind bekannt, die Folgen vorhersehbar und auch der Weg, die Katastrophe zu verhindern, ist den Regierungen der großen Wirtschaftsmächte genau erklärt worden.
Doch sie unternehmen so gut wie nichts. Auf der UNO-Klimakonferenz im November in Nairobi wurden keine Maßnahmen beschlossen.
Der bisherige Ausstoß von CO2 hat die Erwärmung auf der nördlichen Erdhalbkugel bereits so beschleunigt, wie seit 1000 Jahren nicht mehr. Auch die Zunahme von Dürren in Afika und Hurrikans, wie jenem, der 2005 zur Überflutung von New Orleans geführt hat, sind die Folge des CO2-Ausstoßes der vergangenen 100 Jahre.
In dieser Zeit hat sich die Temperatur weltweit durchschnittlich um 0,6 Grad erhöht. Würde der Ausstoß aller Treibhausgase sofort gestoppt, würde die Temperatur voraussichtlich trotzdem um weitere 0,5 Grad steigen. Das würde einen Anstieg des Meeresspiegels um 11 Zentimeter bedeuten.
Doch der CO2-Ausstoß bleibt weltweit seit Jahren auf demselben Niveau und wird höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahren zunehmen. Werden nicht alle verbleibenden Notbremsen gezogen, ist es so gut wie sicher, dass unsere Kinder erleben werden, wie das Eis an den Polen schmilzt und sich der Meeresspiegel um 1 Meter erhöht.
Die Niederlande wären dann vollständig verschwunden, ebenso Bangladesch wo heute 150 Millionen Menschen leben. New York und London wären weitgehend unbewohnbar.
Die Erwärmung des Klimas würde hunderte Millionen in die Armut treiben, vor allem Menschen, die schon heute fast nichts besitzen. Laut der Zeitschrift Global Environmental Change werden 2050 etwa 25 Millionen Menschen von Überflutungen, 200 bis 300 Millionen von Mangel an Trinkwasser und 180 bis 250 Millionen von Malaria bedroht sein. Denn durch wärmere Temperaturen wird sich die Malariamücke ausbreiten.
Auch dies trifft vor allem Menschen in der Dritten Welt. Sie sind stark abhängig von der Landwirtschaft.
Ihre Häuser sind schlecht gebaut und ihre Staaten verfügen über keinen ausreichenden Katastrophenschutz. Zudem liegen die trockensten Regionen der Erde in der Dritten Welt.
Die Kosten, die diese Umweltschäden verursachen werden, übersteigen die heutige Entwicklungshilfe um ein vielfaches. Dadurch wird der Kampf gegen die Klimaerwärmung zu einem der wichtigsten im Kampf um globale Gerechtigkeit.
Die G8, das sind die acht mächtigsten Regierungen der Welt, haben ökologische Themen bisher weitgehend ignoriert. Von ihrer letztjährigen Erklärung zum Klimaschutz blieb, ähnlich wie von ihrem Versprechen, Armut zur Geschichte zu machen, nur heiße Luft übrig.
Das fehlende Engagement der G8 ist eine der Hauptursachen für das Scheitern des Gipfels in Nairobi. Es ist auch ein Beispiel für die Macht der G8. Maßnahmen, die die G8 für wichtig halten, wie die Gründung der Welthandelsorganisation oder die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds, werden schnell umgesetzt. Wenn die G8 sich nicht engagieren, passiert fast nichts.
Doch warum ergreifen die mächtigsten Staaten der Welt nicht die Initiative? Auch sie müssten ein Interesse daran haben, dass die Umweltkatastrophe ausbleibt. Denn deren Kosten werden wesentlich höher sein als die Ausgaben für Gegenmaßnahmen.
Der Hauptgrund für die Inaktivität der G8 ist, dass sie Politik für jene Konzerne machen wollen, die davon profitieren, dass CO2 in die Atmosphäre gepumpt wird: die Energiekonzerne, Ölförderer, Autofirmen, Reifen- und Gummikonzerne und die Luftfahrtindustrie.
In Westdeutschland gehen rund 60 Prozent der Industrieproduktion auf Betriebe zurück, die direkt oder indirekt mit der Energieerzeugung oder der Produktion von Autos zusammenhängen. Auch in anderen Staaten stellen Energie- und Automobilbranche den Kern der kapitalistischen Wirtschaft dar.
16 der 25 größten Unternehmen weltweit gehören der Öl- oder Automobilbranche an. Aufgrund des hohen ökologischen Bewusstseins in der Bevölkerung geben sogar Konzerne wie Shell oder BP vor, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und umweltschonend zu arbeiten. Doch ihr Kerngeschäft ist nach wie vor darauf ausgerichtet, den Planeten zu verheizen.
Für Ölkonzerne bedeutet das knapper werdende Öl eine Erhöhung der Ölpreise. Öl wird damit erst recht zu einem begehrten und umkämpften Rohstoff, der hohe Profite verspricht.
In der Autoindustrie herrscht ein harter Wettkampf um Marktanteile. Für alle Autofirmen hat die Expansion in den chinesischen Markt höchste Priorität, egal welche ökologischen Folgen das hat.
Die G8 werden keine Maßnahmen ergreifen, um die mächtigsten Konzerne ihrer Länder in die Schranken zu weisen. Ihre Macht beruht auf der wirtschaftlichen Stärke dieser Unternehmen, die hauptverantwortlich dafür sind, dass es keinen radikalen Wechsel in der Energieerzeugung und im Verkehr gibt. Als Wettbewerbsstaaten schützen sie die Interessen ihrer Unternehmen und setzen sich für das Wachstum der Energie- und Autounternehmen ein.
Am offensichtlichsten ist dies in den USA. Präsident Bush ist ein Präsident der Ölindustrie.
Die Energieunternehmen spendeten in den 90er Jahren umgerechnet über 45 Millionen Euro sowohl für Republikaner als auch Demokraten und finanzierten umfangreiche Lobbying-Aktivitäten. Ergebnis war unter anderem die Verabschiedung einer Resolution im Senat im Juni 1997, die es den USA verbieten, jegliches internationales Klimaabkommen wie das von Kyoto zu unterzeichnen. Die USA sind der größte Verursacher von CO2 in der Welt und die Regierung erwartet Wettbewerbsnachteile, falls entscheidende Schritte für den Klimaschutz eingeleitet würden.
Die EU präsentiert sich oft als grünes Gegengewicht zu den USA. Doch auch hier werden effektive Maßnahmen für den Klimaschutz verhindert.
Ein Treffen der EU-Regierungschefs im letztes Jahr sprach sich gegen jegliche verbindliche Klimaschutzziele nach Ablauf des Kyoto-Protokolls 2012 aus. Auch die Erklärung der G8 zum Klimaschutz, die 2005 verabschiedet wurde, ist ein Beleg für deren Untätigkeit.
Zwar mangelt es nicht an wohl klingenden aber unverbindlichen Absichtserklärungen. Darin steht jedoch auch: Fossile Treibstoffe werden auch weiterhin eine wichtige Rolle im globalen Energiemix spielen, und wir werden Wege finden müssen, mit den damit verbundenen Luftverschmutzungen und Treibhausgasen umzugehen. Die Rettung der Umwelt wird nur gegen die Macht der G8 umzusetzen sein.
Die Loyalität zwischen den Regierungschefs der mächtigsten Staaten und jener Konzerne, die für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich sind, verhindert bis heute ein radikales Umsteuern, das eine lebenswerte Zukunft sichern könnte. Statt einer aktiven Umgestaltung der Wirtschaft, die der Bedrohung angemessen ist, setzen die G8 auf Marktmechanismen um die Umwelt zu retten.
Doch solche Maßnahmen wie der so genannte Emissionshandel ermöglichen es den Konzernen derzeit vor allem, das Recht auf den Ausstoß von CO2 zu erhalten und dauerhaft zu sichern. Die Umweltorganisation Friends of the Earth kommt zu dem Ergebnis, dass die CO2-Emissionen in Europa bis 2012 sogar leicht steigen werden, sollten weitere entschlossene Schritte ausbleiben. Damit würden sogar die völlig unzureichenden Reduzierungs-Quoten des Kyoto-Protokolls unerfüllt bleiben.
Die Unfähigkeit der G8 den Klimawandel aufzuhalten, zeigt, dass der Kapitalismus zwar dynamisch ist, wenn es darum geht, die Rendite zu erhöhen. Er ist aber hilflos, wenn es darum geht, einschneidende Veränderungen im Interesse der Menschen durchzusetzen, die keinen finanziellen Gewinn bringen.
Vor die Wahl gestellt, ob die Macht der Konzerne erhalten werden soll, oder die Wirtschaft zugunsten unserer Zukunft in die Schranken gewiesen wird, entscheiden sich die G8 für den Machterhalt der Konzerne. In der Geschichte der Klassengesellschaften sind Zivilisationen immer wieder untergegangen, weil die Herrschenden ihre Machtstrukturen sichern wollten, statt den drohenden Untergang abzuwenden, indem sie auf ihre Privilegien verzichteten und das Ruder herumrissen. Wir brauchen eine globale Bewegung, die sich diesem Wahnsinn entgegenstellt.