Arbeitsplätze statt Ausländerhetze

Die Schüler der Rütli-Schule verhindern mit Gewalt vernünftigen Unterricht. Doch schuld ist die Regierung, weil sie keine Arbeitsplätze schafft


Die Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln: Alle die vom Staat in den Hauptschulen zusammengepfercht werden, haben keine Zukunft mehr. Von den Schülern, die letztes Jahr an der Rütli-Schule einen Abschluss gemacht haben, hat kein einziger einen Ausbildungsplatz bekommen.

Standpunkt: Hoffnung ist machbar

Schüler und Lehrer der Rütli-Schule erklären, dass Armut und Arbeitslosigkeit die Ursachen für Frust und Gewalt sind.

Doch Bildungsministerin Schavan schlägt vor, gewalttätige Schüler zu zwingen, ihre Familie und Heimat zu verlassen und in Internaten mit anderen aggressiven Jugendlichen zu leben.

Dabei könnte die Regierung den Jugendlichen helfen, wenn sie ihnen bessere Schulen mit mehr Lehrern anbietet, dass Recht gibt, für immer in Deutschland zu leben und Arbeitsplätze schafft. Dafür wäre genug Geld da, wenn die Regierung ihre Steuergeschenke an Konzerne und Reiche aus den letzten Jahren rückgängig machte.

Würden allein Unternehmen genauso viele Steuern zahlen wie 2000, hätte der Staat jedes Jahr 20 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Wenn auch der Spitzensteuersatz wieder erhöht, die Vermögenssteuer wieder eingeführt und große Erbschaften besteuert werden, kann der Staat jedes Jahr weitere 60 Milliarden einnehmen.

Der Kampf gegen Gewalt an Schulen ist ein Kampf für soziale Gerechtigkeit. Die Demonstrationen und Kundgebungen der Gewerkschaften am 1. Mai sind die nächste Gelegenheit, mit WASG und Linkspartei eine Bewegung aufzubauen, die Gerechtigkeit erreichen kann – auch für die Kinder der Rütli-Schule.

„Die Stimmung in einigen Klassen ist geprägt von Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz uns Erwachsenen gegenüber. Das Verhalten im Unterricht ist geprägt durch totale Ablehnung des Unterrichts und menschenverachtendes Auftreten.
Lehrkräfte werden nicht wahrgenommen. Gegenstände ? iegen zielgerichtet gegen Lehrkräfte. Einige Kollegen gehen nur noch mit dem Handy in bestimmte Klassen, damit sie Hilfe holen können.“

Das sind Auszüge aus dem Brief von Petra Eggebrecht, Leiterin der Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln, an die Berliner Schulaufsicht. Die Lehrerkonferenz hat den Brief einstimmig verabschiedet.

Aber die Kollegen schreiben auch über die Ursachen: „Wir müssen feststellen, dass die Hauptschule am Ende der Sackgasse angekommen ist und es keine Wendemöglichkeit mehr gibt.
Welchen Sinn macht es, dass in einer Schule alle Schüler gesammelt werden, die weder von den Eltern noch von der Wirtschaft Perspektiven aufgezeigt bekommen, um ihr Leben gestalten zu können? In den meisten Familien sind unsere Schüler die Einzigen, die morgens aufstehen. Wie sollen wir ihnen erklären, dass es trotzdem wichtig ist, in der Schule zu sein und einen Abschluss anzustreben?“

Die Lehrer fordern: „Die Hauptschule isoliert die Schüler. Deshalb kann jede Hilfe für unsere Schule nur bedeuten, die aktuelle Situation erträglicher zu machen. Perspektivisch muss die Hauptschule aufgelöst werden zu Gunsten einer neuen Schulform.“

„Das eigentliche Problem liegt weder in der arabischen, türkischen oder serbischen, sondern in der sozialen Herkunft der Schüler und ihren mangelnden Perspektiven“, so Brigitte Pick, bis 2005 Leiterin der Schule. „Die Hauptschule wird nur von marginalisierten Gruppen gewählt und von abgewiesenen Schülern anderer Schulzweige.
Sperren Sie sozial Deklassierte in ein Wohnhaus und Sie werden sehen, was passiert. Hier leistet sich eine Gesellschaft noch immer ein Schulsystem aus dem Kaiserreich.“

Die Lehrer der Sekundarschule „Karl Marx“ in Gardelegen bei Magdeburg berichten über ähnliche Probleme wie an der Rütli-Schule. Dort gibt es ganz wenige ausländische Schüler, doch 21 Prozent der unter 25-jährigen Gardelegener sind arbeitslos.

„Besonders schwerwiegend sind die verbalen Beleidigungen und Bedrohungen der Lehrkräfte“, schrieb der Personalrat am 18. März an das Landesverwaltungsamt. „Es gibt hier einen allgemeinen Werteverfall“, beschreibt Rektor Horst-Dieter Radtke die Lage. „Meist sind es Schüler, die über längere Zeit auffällig beziehungsweise straffällig geworden sind.“

Radtke wünscht sich sofort eine neue Schule, „denn unsere ist mit die schlimmste, die ich kenne: Aus dem Werkraum können Sie ein Museum machen.“

„Wir wissen aus Beobachtungen in verschiedenen Ländern, dass die Gewalt dort größer ist, wo eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen ist“, so der Psychologe und Bildungsforscher Professor Reinhold Jäger. „Jugendgewalt ist nicht nur bei Kindern aus Migrantenfamilien zu beobachten. Die Jugendlichen an der Rütli-Schule sprechen selbst von ‚Hoffnungslosigkeit’ und davon, dass der Staat sie im Stich lässt.“

Denn die beruflichen Perspektiven für Jugendliche aus ausländischen Familien sind besonders schlecht. 40 Prozent der ausländischen Schüler müssen auf die Hauptschule gehen, gegenüber 18 Prozent der Deutschen.

Hingegen können nur 18 Prozent der Ausländer aufs Gymnasium gehen. Unter deutschen Schülern sind es 33 Prozent.

44 Prozent der Berliner Ausländer sind arbeitslos. Unternehmen stellen auch deshalb selten Ausländer ein, weil nur 11 Prozent einen Aufenthaltsstatus bekommen haben, durch den der Staat ihnen das Recht, in Deutschland zu leben, praktisch nicht mehr wegnehmen kann.

Auch dass viele ausländische Jugendliche nicht perfekt deutsch sprechen, macht es ihnen schwerer, Arbeit zu ? nden. Trotzdem plant Innenminister Schäuble, die Mittel für Integrations- und Sprachkurse für Ausländer und Zuwanderer dieses Jahr um 67 Millionen Euro zu kürzen. Gleichzeitig will er für die Bundespolizei 55 Millionen mehr ausgeben. Deshalb lügt Kanzlerin Merkel, wenn sie behauptet, mehr für die „Integration“ jugendlicher Ausländer tun zu wollen.

Aus diesen Gründen sind auch die Vorschläge des Berliner CDU-Spitzenkandidaten Pflüger sinnlos: „Man muss die deutsche Sprache als Verkehrssprache durchsetzen. Notfalls braucht man Polizeipräsenz und wie in New York Metalldetektoren gegen Waffen.“

Dass der Berliner SPD-Bildungssenator Böger jetzt ankündigt, für ganz Berlin 50 Lehrer und 20 Sozialpädagogen einzustellen, ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn allein letztes und dieses Jahr hat die Berliner Landesregierung 400 Referendarsstellen für Lehrer gestrichen, obwohl Lehrer Überstunden machen müssen und die Klassen zu groß sind. Laut des Deutschen Philologenverbandes fehlen in ganz Deutschland 10.000 Lehrer. Deshalb sind die Schuldigen diejenigen, die den Sozialstaat zerschlagen, Arbeitsplätze vernichten, Ausbildungsplätze abbauen und Mittel für Schulen und Sozialarbeit streichen. Also: Die Regierungen im Bund und Land und die Konzerne. Dabei ist genug Geld da. Allein die Vermögenssteuer bringt 8 Milliarden Euro. Dieses Geld brauchen wir um mehr Bildung für alle zu bekommen.

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