Eine Demonstration im Frühjahr soll der großen Koalition Dampf machen das beschloss die Aktions- und Strategiekonferenz in Frankfurt.
350 Aktivisten aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen diskutierten auf der Aktions- und Strategiekonferenz in Frankfurt am Main. Angesichts der Zumutungen des Koalitionsvertrages ist eine solche Zusammenarbeit wichtiger denn je, sagte Horst Schmitthenner, Beauftragter des IG-Metall-Vorstandes für soziale Bewegungen |
Der Umverteilungspolitik der Regierung von unten nach oben werden im Frühjahr große Proteste entgegengesetzt. Das beschlossen Aktivisten aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen bei einer Konferenz der außerparlamentarischen Bewegung in Frankfurt.
Wer gegen die Kürzungen ist, sollte mithelfen die Proteste so groß wie möglich zu machen. Denn ohne Druck von unten wird die Regierung den Sozialabbau nicht stoppen.
CDU-Kanzlerin Merkel und SPD-Arbeitsminister Müntefering bekräftigten gemeinsam ihre feste Entschlossenheit, diese Koalition zum Erfolg zu führen. Damit meinen sie die Umsetzung des Koalitionsvertrags: Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, Rente erst mit 67, kein Kündigungsschutz in den ersten zwei Jahren am neuen Arbeitsplatz und so weiter.
Außerdem kann ein großer Protest die Gewerkschaftsführungen unter Druck setzen, den Widerstand gegen Kürzungen mit aufzubauen. Denn solange die Vorsitzenden der Gewerkschaften keinen Finger rühren, können wir die Regierung zwar bekämpfen aber nicht besiegen. Keine andere Organisation kann so viel auf die Beine stellen wie die Organisationen der Arbeiter mit 7 Millionen Mitgliedern.
Wenn die Gewerkschaften heute die Interessen ihrer Mitglieder nicht auf der Straße gegen die Regierung vertreten, werden sie es morgen gegen die Konzerne nicht mehr können. Denn durch die starke Einschränkung des Kündigungsschutzes und das Streichen von Hartz IV für viele unter 25 Jahren müssten Angestellte mehr denn je um ihren Arbeitsplatz fürchten. Wer jeden Tag entlassen werden kann und dann von Arbeitslosengeld II leben müsste, traut sich oft nicht, gegen Lohnkürzungen zu streiken.
Leider haben die Gewerkschaftsführer nicht vor, ihrer Verantwortung für die Menschen gerecht zu werden. Michael Sommer, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, findet den Koalitionsvertrag besser als befürchtet, und sagt: Es hätte schlimmer kommen können.
Sommer hofft, dass die SPD in der Regierung für sozialen Ausgleich sorgt, ohne dass die Gewerkschaften etwas tun müssen. Doch die SPD hat ihre Wahlversprechen gebrochen und weder Merkel noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer verhindert. Auch der neue SPD-Vorsitzende Platzeck unterstützt Sozialabbau.
Doch auch wenn Sommer keinen Widerstand organisieren will, kann er dazu gezwungen werden. Im März 2003 stellte der damalige Kanzler Schröder mit der Agenda 2010 den bis dahin größten Angriff auf den Sozialstaat seit 1945 vor. Auch damals taten die Gewerkschaftsführer nichts, obwohl es sich viele Mitglieder gewünscht hätten.
Letzteres nutzten Aktivisten aus Gewerkschaften, dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac und anderen sozialen Bewegungen, um einen Aktionstag gegen Sozialabbau am 1. November ins Leben zu rufen. Obwohl die Bundesverbände der Gewerkschaften die Demonstration nicht unterstützten, mobilisierten viele Ortsvereine ihre Mitglieder.
Dadurch wurde der Protest ein großer Erfolg. Fast 100.000 Menschen, zehnmal mehr als erwartet, demonstrierten durch die Straßen Berlins und forderten eine Ende der Agenda-Politik.
Ilona Plattner von Attac rief ins Mikrofon: Diese Demonstration war erst der Anfang. Wir sind viele. Wir sind überall und wir kommen wieder. Zehntausende erhoben ihre Stimme zum Jubel.
Sommer hatte die Demonstration bis zum Schluss nicht unterstützt. Doch als zehntausende Gewerkschafter trotzdem auf die Straße gingen, befürchtete er zu Recht, dass seine Mitglieder ihm nicht mehr trauen, wenn er weiter nur Presseerklärungen schreiben lässt.
Deshalb organisierten danach alle Gewerkschaften gemeinsam große Demonstrationen gegen Sozialkahlschlag am 3. April 2004. Es wurden die größten Gewerkschaftsproteste gegen eine SPD-Regierung aller Zeiten.
Auch wenn diese Bewegung die Agenda 2010 nicht stürzte, ermutigte sie einige Gewerkschafter zur Gründung einer linken Alternative zur SPD: Die WASG war geboren.
Damals wie heute gibt es die Chance, mit der Initiative von Aktiven Protest auf die Straße zu bringen. Mit WASG und Linkspartei haben sich mittlerweile zwei Parteien gebildet, die mehr Chancen haben, Leute zu einer Demonstration zu mobilisieren als vor zwei Jahren die PDS.
Nach Bildung der rot-grünen Regierung 1998 hat es fünf Jahre gedauert, bis die erste größere Demonstration gegen sie auf der Straße war. Bei der großen Koalition können wir es in fünf Monaten schaffen.