Hunderttausend Menschen aus ganz Europa haben in Brüssel gegen Sozialkahlschlag und den Irak-Krieg protestiert.
Nein zu Sozialabbau, Rassismus und Krieg, steht auf einem Transparent, das Gewerkschafter auf die Großdemonstration mitgebracht haben. Ihre Kollegen tragen ein Transparent mit der Aufschrift Wir lassen uns nicht spalten Europaweit zusammenhalten! Besonders die Gewerkschaften haben zu den Protesten mobilisiert, um sich gegen die neue Dienstleistungsrichtlinie der EU zu wehren. Zehntausende Gewerkschafter aus ganz Europa sind gemeinsam auf der Straße, und der Zusammenhalt ist groß: portugiesische Kollegen laufen im DGB-Block mit, und Mitglieder der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc schließen sich dem französischen Block an. Auch streikende Gewerkschafter aus Spanien sind nach Brüssel gekommen. Sie arbeiten für das deutsche Unternehmen August Rüggeberg GmbH, den Weltmarktführer für Schleifgeräte. Vor 16 Monaten hat Rüggeberg 77 von 220 Arbeitern gekündigt und die Arbeitsplätze nach Osteuropa und Asien verlagert. 114 Kollegen befinden sich nach wie vor im Streik, berichtet Pedro Barragan, Wir leben alle zum größten Teil von Spenden der Arbeiter unserer Stadt. Aber er glaubt noch an einen Erfolg für die Arbeiter: Wir müssen durchhalten, sagt er.
Auf dem EU-Gipfel vom 22. 23. März wollten die Vertreter der EU-Staaten die Bolkestein-Richtlinie beschließen. Diese Richtlinie fördert soziale Ungerechtigkeit und Lohndumping in ganz Europa.
Besonders wütend waren die Demonstranten über das Herkunftslandsprinzip: Dieser wichtige Teil der Richtlinie besagt, dass Arbeiter und Angestellte in den EU-Staaten nach den Regelungen bezahlt und behandelt werden dürfen, die in ihren Herkunftsländern gelten. Die ortsüblichen Löhne und Tarife gelten dann für ausländische Arbeiter nicht mehr.
Die Angestellten im deutschen Fleischsektor haben mit diesem Prinzip schon bittere Erfahrungen gemacht. Seit dem EU-Beitritt der osteuropäischen Länder im Mai 2004 haben die Unternehmen Dienstleistungsfreiheit. Ein Drittel der 67.000 Arbeiter in der Fleischindustrie sind seitdem entlassen und durch Arbeiter aus Polen ersetzt worden, die niedrigere Löhne akzeptieren müssen. Gleichzeitig wurden viele Menschen in Polen entlassen, weil die Bosse Billiglohnarbeiter aus der Ukraine eingestellt haben.
Die polnische Gewerkschaft Solidarnosc fordert deshalb in Brüssel einen gesetzlichen Mindestlohn. Wenn sich die Arbeiter zusammenschließen und solidarisch kämpfen, können sie den Lohnterror stoppen. Die Gewerkschaftslinke muss unbedingt ein Signal setzen, dass konsequente Gegenwehr die einzige Antwort ist, erklärte Bernd Riexinger von ver.di.
Aufgrund der Proteste soll die Bolkestein-Richtlinie jetzt überarbeitet werden.