Wahl ändert nichts

Nach der Abstimmung werden weiterhin die USA herrschen, meint Hani Lazim von der Organisation Irakische Demokraten gegen die Besatzung.


Iraker demonstrieren vor dem Foltergefängnis Abu Ghraib gegen die US-Besatzer: "Ihr habt einen schlechten Eindruck von Amerika und Christen hinterlassen"

US-Präsident Bush und der britische Premierminister Blair sagen, die Wahl im Irak Ende dieses Monats werde dem Land Demokratie bringen. Die Demokratie, von der sie sprechen, ist nicht mehr als eine Fortführung der Besatzung unter dem Deckmantel einer gewählten irakischen Versammlung.

Die Wahl ermöglicht den Irakern nicht, eine Regierung zu bestimmen, sondern nur eine Übergangsversammlung. Sie soll einen Verfassungsentwurf verabschieden, für den die Besatzungsbehörden bereits Vorgaben ausgearbeitet haben.

Die Besatzungsbehörden haben schon die Regeln gebrochen, die der erste Gouverneur des Irak, Paul Bremer, erlassen hatte: Sie haben keine Volkszählung durchgeführt. Jetzt haben sie die mit der Durchführung der Wahl betrauten Beamten handverlesen.

Es sind keine internationalen Wahlbeobachter zugelassen. Die 700 UNO-Beobachter reichen gerade so für Bagdad, keinesfalls für den ganzen Irak.

Die Menschen kämpfen jeden Tag um das Nötigste, weil es nicht ausreichend Benzin, Gas zum Kochen und Heizöl gibt. Die Städte Falludscha, Nadschaf, Mosul, Samara, Ramadi, Bakuba, Basra und große Teile Bagdads liegen in Trümmern.

Viele Menschen haben ihr Dach über dem Kopf verloren. Kirkuk befindet sich mehr oder weniger im Bürgerkrieg.
In dieser Situation können die Menschen nicht einfach zu den Wahlurnen pilgern. Sie wissen nicht, für wen sie stimmen sollen, weil kaum Informationen über die verschiedenen Parteien und Wahllisten zugänglich sind.
Es gibt weder Fernsehen noch Radio außer den Satellitenstationen, und die Zeitungen erscheinen unregelmäßig und haben keine große Verbreitung. Unter diesen Umständen kann kein Wahlkampf im westlichen Sinne stattfinden.

In weiten Teilen Bagdads und anderer Städte könnten die Menschen nicht wählen, selbst wenn sie das wollten, weil die mit der Wahl betrauten Behörden sie gar nicht oder unter falschem Namen registriert haben. Wenn die Namen auf den Wahlberechtigungsscheinen nicht mit den tatsächlichen Namen der Wähler übereinstimmen, dürfen die Betreffenden ihre Stimme nicht abgeben.

Auf dem Schwarzmarkt verkaufen Menschen bereits Stimmzettel, um etwas zu Essen auf den Tisch zu bekommen. Pro Stimme werden zwischen 100 und 200 US-Dollar gezahlt. Im syrischen Damaskus bekommt man irakische Pässe angeboten, mit denen man wählen kann.
Im Irak diskutiert man darüber, ob die Wahl boykottiert werden sollte. Viele Menschen lehnen die Abstimmung unter den gegebenen Umständen der Besatzung, dem Mangel an Sicherheit, internationaler Beobachtung und an Informationen über die verschiedenen Parteien ab.

Al-Ghad, eine linke irakische Zeitung, hat sich gegen die Wahl ausgesprochen, weil sie zu einem „Bürgerkrieg“ führen könnten, den „Iraker führen und den die Besatzungsbehörden auslösen“. Die Zeitung veröffentlichte Bedingungen, die für eine glaubwürdige Wahl geschaffen werden müssten.

Als erstes müsse ein Zeitplan für die Beendigung der Besatzung und den Rückzug der ausländischen Truppen erstellt werden. Die Wahl sollte von unabhängigen internationalen Beobachtern kontrolliert werden.
Viele setzen dennoch auf die Wahl als einen friedlichen Weg, die Besatzung zu beenden. Das ist die Position des schiitischen religiösen Führers Sistani und einiger sowohl religiöser wie auch weltlicher Parteien.

Außerdem unterstützen jene Parteien die Wahl, die mit den Besatzern zusammenarbeiten, weil eine Verzögerung als Schlappe für die USA angesehen würde. Die USA werden Sistani mit Freuden benutzen, um so seine Glaubwürdigkeit zu untergraben. Sie werden ihm aber nie erlauben, eine Machtposition einzunehmen.

Die Besatzer haben Verbündete wie den ehemaligen US-Geheimdienstler Tschalabi und den Übergangsministerpräsidenten Allawi in den Übergangsregierungsrat berufen. Jetzt sorgen sie dafür, dass diese Leute als Vertreter ihrer ethnischen oder religiösen Gemeinden gezählt werden. So soll der Anschein erweckt werden, die Volksgruppen seien ausgewogen vertreten.

Aber die USA werden keiner Regierung Verantwortung überlassen, die sich nicht strikt an die Vorgaben aus Washington hält. Der ehemalige US-Außenminister Kissinger ist nur einer von jenen, die fordern, den Irak aufzuspalten, falls die Wahl nicht das gewünschte Ergebnis bringen sollte.

Nach der Wahl könnten die Bombardierungen und der Widerstand zunehmen. Sistani und seine Anhänger könnten enttäuscht sein, wenn sie einsehen müssen, dass ihre Versuche fehlgeschlagen sind, die Wahlen für ihre Zwecke einzusetzen. Diese Erfahrung könnte auch die Masse der Menschen zu den Waffen greifen lassen und das Land im Kampf gegen die Besatzer vereinen.

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