So schlagen wir die NPD

Nazis sitzen wieder in den Landtagen von Brandenburg und Sachsen. Wie werden wir sie wieder los? Jan Maas wirft einen Blick in die bundesdeutsche Geschichte.


Protest der Außerparlamentarischen Opposition gegen den NPD-Bundesparteitag im September 1966 in Karlsruhe

Am Abend der Landtagswahlen in Sachsen machten die Moderatoren der Wahlsendungen der Nazipartei NPD vor allem einen Vorwurf: Sie habe ein „populistischen“ Wahlkampf gegen Hartz IV betrieben.
Diese Kritik greift zu kurz. Sie übersieht, dass der „Populismus“ ein Teil der Strategie der Nazis ist, mit der sie an die Sorgen der Menschen anknüpfen. Sie reagieren damit auf ihre derzeitige gesellschaftliche Isolation.
Rassismus und Vorurteile gegen Ausländer sind zwar weit verbreitet in unserer Gesellschaft, aber nur eine wenige verstehen sich selbst als Rechtsextremisten. Noch weniger Menschen wollen sich mit Auschwitz in Verbindung bringen lassen.
Nazi-Parteien müssen deshalb mit einem ständigen Widerspruch jonglieren: Einerseits bekennen sie sich nach innen offen zum Nationalsozialismus, um aus Sympathisanten Nazi-Kader zu machen. Andererseits versuchen sie, ihr wahres Gesicht nach außen zu verbergen, um neue Mitglieder aus dem Lager der Protestwähler zu gewinnen.
Die NPD nennt das „Drei-Säulen-Strategie“: Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente und Kampf um die Köpfe. Dabei knüpfen sie immer an die Verunsicherung und die enttäuschten Hoffungen der Menschen an.
Darum haben NPD und DVU einen „populistischen“ Wahlkampf gegen Hartz IV geführt. Aus der Sicht der Nazis erfolgreich: Für 71 Prozent der NPD-Wähler in Sachsen ist Hartz IV das wichtigste Thema.
Die NPD ist diejenige Partei, die diese Strategie am hartnäckigsten verfolgt hat. Sie verkauft sich als Protestpartei und besteht aus einem harten Kern von Nazis. Darum ist die NPD heute die gefährlichste faschistische Organisation in Deutschland.
Die Geschichte der NPD zeigt, dass eine Bewegung, die Nazis nicht als „Rechtspopulisten“ verharmlost, sondern sie bekämpft und entlarvt, das beste Mittel ist, um sie zu stoppen. So kämpfte die entstehende Studentenbewegung kämpfte schon bald nach ihrer Gründung 1964 gegen die alten und neuen Nazis.
In der NPD sammelten sich vor allem Mitglieder der „Deutschen Reichspartei“ und der 1952 verbotenen „Sozialistischen Reichspartei“, die sich offen zum Nationalsozialismus bekannte. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre konnte die NPD stetig an Stimmen gewinnen.
1966 geriet das „Wirtschaftswunder“, der scheinbar endlose Aufschwung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zum ersten Mal ins Stocken. Die Arbeitslosigkeit stieg an, und die Koalition aus CDU und SPD, die Gewerkschaften und die Unternehmer vereinbarten gemeinsam, die Lohnerhöhungen zu begrenzen.
Die NPD war damals die einzige sichtbare Opposition gegen die gemeinsamen Pläne der etablierten Parteien. Die Kommunistische Partei war verboten, die Grünen noch nicht gegründet. Die NPD sammelte einen Teil des Protestes hinter sich und zog ab 1966 in verschiedene Landtage und 1969 mit 4,3 Prozent fast in den Bundestag ein.
Konservative verharmlosten die NPD. 1969 wäre der CDU-Kandidat Schröder fast mit Stimmen der NPD zum Bundespräsidenten gewählt worden. Die Verharmlosung begünstigte den Aufstieg der NPD.
Erst die Gegenaktionen der seit 1967 wachsenden linken Außerparlamentarischen Opposition forderten die NPD heraus. Sie brachten den Nazikern hinter der Protestfassade zum Vorschein.
Auf einer Veranstaltung in Frankfurt am 28. Juli 1969 prügelten NPD-Ordner Gegendemonstranten bis zur Bewusstlosigkeit und griffen auch Reporter an. Kurz darauf schoss der NPD-Bundesbeauftragte für den Ordnerdienst Kolley auf zwei Gegendemonstranten und verletzte sie.
Der Versuch führender NPD-Funktionäre, Kolley vor polizeilicher Verfolgung zu schützen, schadete dem Image der NPD als bürgerlicher Partei noch mehr als der Vorfall selbst.
Die Aktionen der Außerparlamentarischen Opposition verstärkten den Widerspruch zwischen der internen Nazi-Indoktrination und der bürgerlichen Fassade so weit, dass der Aufstieg der NPD gebremst war: Die Mitgliederzahl sank von 40.000 1968 auf 6.000 in den 1970ern.
Erst unter dem SPD-Kanzler Schmidt Ende der 1970er-Jahre fand die NPD wieder Zulauf. 1974 brach die erste große Wirtschaftskrise über Nachkriegsdeutschland herein. Schmidt rettete die Gewinne der Unternehmer durch massiven Sozialabbau, wie es ihn bis dahin in der Bundesrepublik nicht gegeben hatte.
Die Arbeitslosigkeit stieg weiter, viele Menschen waren enttäuscht und hoffungslos. In dieser Situation konnte die NPD 1977 bei ihrem so genannten „Deutschland-Treffen“ in Frankfurt 5.000 Teilnehmer versammeln, während nur 1.000 Menschen dagegen demonstrierten.
Trotz polizeilicher Verbote gingen von Jahr zu Jahr mehr Menschen gegen die Nazis auf die Straße. 1978 war die NPD bereits gezwungen, nur noch Vororte von Frankfurt zu marschieren.
1979 versammelten sich 50.000 Menschen zu einer polizeilich verbotenen Gegendemonstration. Die Demonstration war deshalb so groß, weil der Deutsche Gewerkschaftsbund sich unter dem Druck der breiten Ablehnung, die seine Mitglieder den Nazis entgegenbrachten, zum ersten Mal in seiner Geschichte über ein Demonstrationsverbot hinwegsetzte und für die Demonstration mobilisierte.
Die Polizei fing viele NPD-Anhänger angesichts der Situation bereits auf der Autobahn ab und schickte sie nach Hause. 1980 musste die NPD kurzfristig nach Philippstal ausweichen und sah sich auch dort mit 3.000 Gegendemonstranten konfrontiert. Viele NPD-Mitglieder erreichten die Kundgebung nicht.

Zum NPD-Deutschlandtreffen 1981 kamen nur noch 700 Teilnehmer. Die Strategie der NPD, durch Demonstrationen neue Mitglieder an sich zu ziehen, war verhindert worden.
Auch die Versuche der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“, linke Begriffe mit Sprüchen wie „Nationalismus ist Antiimperialismus“ aufzugreifen, schlugen fehl. An diese Versuche knüpft die NPD heute wieder an, wenn ihr Vorsitzender Apfel behauptet, gegen einen „entarteten Monopolkapitalismus“ zu kämpfen.
In Ostdeutschland ist die soziale Misere nach dem Abbruch Ost so stark, dass die NPD mit ihrer Strategie, linke Begriffe aufzugreifen und sich als Opposition gegen „das System“ zu profilieren, wieder Erfolge erzielt. Steigende Arbeitslosigkeit, Sozialkürzungen und vor allem der Mangel an einer linken Perspektive haben dazu beigetragen.
Die Geschichte dieser Strategie ist älter als die NPD. Schon Hitlers NSDAP versuchte, linke Begriffe zu benutzen und umzudeuten, wie in ihrem irreführenden Namen „National-sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands“ zum Ausdruck kommt.
Tatsächlich waren die Nazis weder sozial oder sozialistisch, noch haben sie Politik im Interesse der Arbeiter gemacht. Vielmehr zerschlugen sie bereits 1933 die freien Gewerkschaften und Parteien. Ein Jahr später führten die Nazis Zwangsarbeit für Arbeitslose ein. Wer sich dagegen wehrte, wurde eingesperrt oder ermordet, ebenso wie später Millionen von Juden, Kriegsgefangenen, Hunderttausende Behinderte, Homosexuelle und Zehntausende Kommunisten, Gewerkschafter und Sozialdemokraten.
Die mörderische Geschichte des Nationalsozialismus ist bekannt. Aber die wiederkehrenden Krisen des Kapitalismus werfen immer wieder die Frage nach einer Alternative zu Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Verzweiflung auf. Die herrschenden Parteien sind nicht in der Lage, sie zu beantworten. Sie spitzen die Krise weiter zu.
Darum hat der Kampf gegen Nazis immer zwei Seiten: Einerseits ist es wichtig, die Nazis in der Bevölkerung zu isolieren und ihre Aufmärsche und Versammlungen gemeinsam mit allen Kräften zu stoppen. Andererseits ist es nötig, eine linke, antikapitalistische Kraft aufzubauen, die eine solidarische, kämpferische und internationale Alternative zu Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Verzweiflung darstellt.

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