"Friedensplan" bringt keinen Frieden

Trotz zahlreicher Verhandlungen führen Israel und die Palästinenser weiter Krieg. Der Palästinenser Mamoud Abdennabi aus Chemnitz sprach mit Linksruck über die Hintergründe.
Noch vor kurzem sprachen die Medien weltweit von neuer Hoffnung auf Frieden, nachdem US-Präsident Bush, der israelische Ministerpräsident Scharon und der palästinensische Ministerpräsident Abbas in Akaba verhandelt haben. Was bringen die Gespräche den Palästinensern?

Ich halte nicht viel von den Gesprächen in Akaba. Sie zeigen, was die USA im Nahen Osten machen wollen. Bush hat den neuen Friedensplan "Roadmap to peace" ("Straßenkarte zum Frieden", die Redaktion) vorgelegt, um Palästina unter US-Mandat zu kontrollieren. Das geschah gegen den Willen der palästinensischen Bevölkerung.

Abbas unterstützt den Friedensplan. Was bedeutet er genau?

Der Plan sieht die Errichtung eines palästinensischen Staates bis 2005 in drei Etappen vor.
Die erste Etappe ist bereits beendet. Sie beinhaltet, dass ein neuer palästinensischer Regierungschef eingesetzt wird. Die USA haben Arafat abgesägt und an seiner Stelle Mohammed Abbas installiert, weil der ihre Interessen vertritt.
Er hat zugesichert, dass die Intifada beendet wird und die Palästinenser ihre Waffen abgeben müssen. Das ist die zweite Etappe.
Die dritte bedeutet den Aufbau einer Verwaltung für einen vorläufigen palästinensischen Staat, dessen endgültige Grenzen dann 2005 festgelegt werden sollen.

Warum sind viele Palästinenser mit dem Plan nicht einverstanden?

Weil die wichtigsten Probleme darin nicht thematisiert werden. Es geht ja nicht einfach nur um Grenzen.
So hat Scharon durchgesetzt, dass die Frage der palästinensischen Flüchtlinge ausgespart wird. Aber das ist eins der dringendsten Probleme. Im Gazastreifen und der Westbank leben 1,5 Millionen Menschen in Lagern, dazu kommen noch etwa 3,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge. Immer noch warten sie in anderen arabischen Ländern auf ihre Rückkehr, zum Beispiel in Jordanien, Syrien oder Libanon.
Und es kommen noch weitere Probleme hinzu.

Welche?

Ein großes Problem ist die Wasserversorgung. Auch nach dem neuen Friedensplan soll die Kontrolle über die Wasservorräte in israelischer Hand bleiben. Die Palästinenser haben mehr als fünfmal weniger Wasser als Israel. Aber wenn sie nach neuen Quellen forschen wollen, müssen sie erst die Genehmigung des israelischen Staates einholen.

Was soll mit den israelischen Siedlungen in palästinensischen Gebieten geschehen?

Die israelische Regierung hat zwar formal zugesagt, illegale Siedlungen zu räumen. Aber sie hält sich nicht daran. Das einzige, was geräumt wurde, sind ein paar leere Container. Alle Siedlungen, die übrigens den UN-Resolutionen zufolge illegal sind, stehen noch.

Etwa ein Viertel der Palästinenser unterstützt die Hamas, welche die Verantwortung für viele Selbstmordattentate übernimmt. Wie lässt sich das erklären?

Das hängt vor allem mit der großen Enttäuschung über die gemäßigten palästinensischen Kräfte zusammen, vor allem über die PLO von Jassir Arafat. Die PLO hat 1993 die Friedensverträge von Oslo anerkannt. Das war ein Schlag ins Gesicht für die meisten, denn ähnlich wie jetzt haben diese Verträge die wichtigsten Probleme der Palästinenser nicht gelöst.
Im Moment sind drei Viertel der Palästinenser arbeitslos. Oft können sie nur unter Lebensgefahr ihre Wohnorte verlassen, weil es so viele israelische Straßensperren gibt.

Wie kann es deiner Meinung nach Frieden geben?

Eine dauerhafte Lösung kann für mich nur ein gemeinsamer demokratischer Staat sein, in dem alle unabhängig von ihrer Hautfarbe oder Religion wohnen können. Sowohl Israelis als auch Palästinenser müssen lernen, miteinander zu leben.
Obwohl ich in der jetzigen Situation an so eine Lösung nicht glauben kann, halte ich sie nicht für unmöglich. Bis 1948 (in diesem Jahr wurde Israel gegründet und hunderttausende Palästinenser aus ihren Wohngebieten vertrieben, die Redaktion) haben hier alle ohne Probleme zusammengelebt: Muslime, Juden und Christen. Die jetzigen Israelis waren unsere Nachbarn und wie wir Teil der Gesellschaft.
Erst die rassistische Politik der israelischen Regierung hat zu den Problemen und der Gewalt geführt.

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