Im Nachkriegsboom bis zur Ölkrise 1973/74 setzen die Gewerkschaften große Erhöhungen der Löhne durch. Doch die anhaltende Krise hat die Bosse unnachgiebiger gemacht.
Viele Gewerkschafter blicken wehmütig auf das so genannte goldene Zeitalter des Kapitalismus zurück, das nach dem zweiten Weltkrieg bis zur ersten Ölkrise 1973/74 anhielt. Die Nachkriegszeit war zwar in Europa schlimm, vielerorts herrschte Armut. Doch die Wirtschaft wuchs rasch von einem niedrigen Niveau aus, so dass die anfangs hohe Zahl an Arbeitslosen in der BRD dahinschmolz wie Schnee in der Frühlingssonne. Ab Anfang der 60er Jahre warben die Unternehmen sogar Gastarbeiter aus dem Ausland an, um der Knappheit an Arbeitskräften zu begegnen. Das Arbeitsförderungsgesetz AFG, mit dem heute Arbeitslose drangsaliert werden, sollte damals noch dem Arbeitskräftemangel begegnen.
Die Löhne hielten nicht nur mit der Wirtschaftsentwicklung mit, die Lohnquote stieg sogar. Zwar mussten die Gewerkschaften teilweise lange und hart streiken um Reformen zu erkämpfen, von denen wir noch heute leben Beispiel Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Doch selbst CDU/FDP-Regierungen führten Reformen ein, welche die heutigen Regierungen wieder abschaffen möchten und teilweise schon abgeschafft haben. Die Regierung des CDU-Kanzlers Adenauer brachte beispielsweise die dynamische Anpassung der Renten an die Lohnentwicklung.
Viele Gewerkschafter hoffen auf eine Rückkehr zum goldenen Zeitalter. Tatsächlich führten jedoch ganz besondere, keineswegs immer erfreuliche Umstände zu dem langen Aufschwung der 50er und 60er Jahre. Ein Weltkrieg hatte Europa zerstört. Besonders in Europa und Japan waren die Löhne niedrig. Die USA waren zwar im Westen unangefochtene Weltmacht, doch befanden sie sich in einem erbitterten Wettrüsten mit der UdSSR.
Paradoxerweise führte die riesige Verschwendung des Wettrüstens dazu, dass die hohen Profitraten der Nachkriegszeit lange stabil blieben. Die US-Regierung gab in den 50er Jahren bis zu 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Aufrüstung aus. Bis in die 70er Jahre verringerte sich dieser Prozentsatz tendenziell. Heute liegt er trotz der Kriege im Nahen Osten nur bei etwa zwei bis drei Prozent.
Wie konnten solch große Rüstungsausgaben die Nachkriegswirtschaft stabilisieren? Einerseits sorgte der Staat so, vor allem in den USA, für eine hohe Nachfrage. Andererseits konnten die Unternehmen den Teil der Profite, den sie (mittelbar oder unmittelbar) dem Staat zur Finanzierung der Rüstung abgeben mussten, nicht in die eigene Konkurrenzfähigkeit zu Lasten der Konkurrenten investieren. So kam es, dass die Profite, die nach Abzug der Rüstungskosten noch übrig waren, in erster Linie in Erweiterungsinvestitionen gesteckt wurden, zumal auch dies über Kostenvorteile der Massenproduktion ebenfalls die Profite steigerte. So kam es, dass Produktion, Beschäftigung, sogar die Produktivität stärker wuchsen als heute.
Im Schatten des Wettrüstens war die Konkurrenz gedämpft und der Konzentrationsprozess des Kapitals kam langsamer voran. Umso rascher wuchsen die Rüstungsausgaben einerseits, die Wirtschaft insgesamt andererseits.
Allerdings verloren die USA langsam aber sicher ihre wirtschaftliche Vormachtstellung, weil sie fast als einziger westlicher Staat die Rüstungskosten der NATO tragen mussten. Da die USA versuchten, die Rüstung zu finanzieren, indem sie mehr Geld druckten, stieg die Inflation und der Dollar verlor immer mehr an Wert. Dies führte schließlich dazu, dass das System fester Wechselkurse, das Bretton-Woods-System, 1973 zusammenbrach.
Im Zuge der über die Druckpresse angeheizten Inflation explodierten schließlich auch die Ölpreise 73/74 und knapp zehn Jahre später 81/82 noch einmal. Schon die erste Ölkrise hatte das goldene Zeitalter beendet, die zweite Ölkrise brachte weltweit den Neoliberalismus als Antwort der herrschenden Klasse auf die zunehmenden Schwierigkeiten der kapitalistischen Weltwirtschaft.
Unter Reagan stiegen die Rüstungsausgaben in den 80er Jahren wieder an, und auch jetzt vor dem Hintergrund neuer Kriege sind die Rüstungsausgaben gewaltig gewachsen. Aber heute kann sich kein Staat der Welt mehr Rüstungsausgaben wie zur Zeit des Kalten Krieges leisten. Er wäre wirtschaftlich bald am Ende.
Die Erfolge der Arbeiterbewegung im goldenen Zeitalter waren beachtlich. Aber sie konnten nur im Windschatten dieses Rüstungskapitalismus durchgesetzt werden. Die Weltwirtschaft erholte sich damals nicht, weil die Gewerkschaften damals so hohe Löhne durchsetzten. Sondern die Gewerkschaften konnten hohe Löhne und soziale Reformen erkämpfen, weil sich die Weltwirtschaft aus bestimmten, besonderen Gründen – ungewöhnlich hohe Rüstungsausgaben bei zunächst noch hohen Profitraten – ausdehnte.