WASG und Linkspartei haben die Chance, eine neue Linke zu schaffen. Doch ein schneller Beitritt der WASG zur Linkspartei ist nicht der richtige Weg.
Gregor Gysi und andere Führungspersonen der Linkspartei sind für eine schnelle Fusion von WASG und Linkspartei. WASG-Bundesvorstandsmitglied Thomas Händel will hingegen ein Zusammengehen so schnell wie möglich und so langsam und sorgfältig wie nötig.
Tatsächlich sollte der Prozess sehr sorgfältig diskutiert werden. Ein bloßer Beitritt der WASG zur größeren Linkspartei würde nur die Weiterführung der alten PDS-Politik, auch mit ihren Fehlern, bedeuten. Stattdessen sollten beide Parteien eine neue Linke gründen, die aktiv den außerparlamentarischen Widerstand mit aufbaut. Dieses Ziel sollte auch den Weg bestimmen.
Eine neue Linke ist nötig, weil die alte Linke, speziell die SPD und die Grünen, sich dem Neoliberalismus untergeordnet haben. Die Bilanz der Schröder-Regierung spricht für sich.
Nach sieben Jahren Rot-Grün gibt es mehr Arbeitslose und weniger tarifgebundene Arbeitsplätze. Es gibt mehr Armut und weniger Zugang zu Gesundheit. Es gab Kriegseinsätze in Jugoslawien und Afghanistan und einen Anstieg der Rüstungslieferungen.
Zum Versagen der Schröder-Regierung gibt es aber noch eine weitere Erfahrung die wir diskutieren müssen: Auch Kräfte links von Schröder haben es nicht geschafft, aus der Regierungsverantwortung heraus einen Bruch mit dem Neoliberalismus einzuleiten.
Das gilt auch für die Linkspartei selbst. Bei den Regierungsbeteiligungen in den Ländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern hat sie unter dem Druck des großen Partners SPD den Sozialabbau nicht verhindert, sondern teilweise sogar mit organisiert.
Ihre Regierungsbeteiligung hat dazu geführt, dass sich die Linkspartei gegen die Proteste von Gewerkschaften, Studierenden und vielen anderen gestellt hat. Dadurch wurde nicht Schlimmeres verhindert, sondern der Kampf gegen Sozialabbau geschwächt.
Auch Oskar Lafontaine hat seine Erfahrungen mit den Grenzen parlamentarischer Politik gemacht, als er 1999 durch eine Kampagne von Unternehmerverbänden, Medien und SPD-Rechten aus dem Amt gedrückt wurde. Die Unternehmer schauen nicht einfach zu, wie gegen sie Politik gemacht wird. Sie werden versuchen, jede linke Regierung entweder auf ihren Kurs zu zwingen, oder aus dem Amt zu jagen.
Um diese Erfahrungen nicht zu wiederholen, sollten wir über die Grenzen des Parlamentarismus hinaus denken. Der zentrale Ansatzpunkt dabei ist der neue Aufschwung an Bewegungen. In Deutschland haben sich über die letzten Jahre hunderttausende Menschen politisiert und an Protesten beteiligt.
Eine halbe Millionen Menschen haben gegen den Irakkrieg demonstriert. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist auf 16.000 Mitglieder angewachsen. Gegen Agenda 2010 und Hartz IV ist eine neue soziale Bewegung aufgestanden, die tief in die Gewerkschaften ausgestrahlt hat.
Seitdem setzen sich Gewerkschafter darüber auseinander, ob es richtig ist, an der SPD als politischem Partner festzuhalten. Innerhalb von wenigen Tagen haben über 1000 Gewerkschafter den Aufruf Wir wählen links für die Linkspartei unterzeichnet.
Dieser Aufschwung der Bewegung ist nichts Kurzlebiges. Er entspringt einer tief greifenden Skepsis innerhalb breiter Teile der Bevölkerung gegenüber dem politischen und wirtschaftlichen System.
Laut Spiegel meinen 73 Prozent im Osten und 50 Prozent im Westen, dass Karl Marx Kritik am Kapitalismus heute noch Sinn macht. Nach einer aktuellen Umfrage von Emnid ist das Vertrauen der Menschen in politische Parteien von 41 Prozent (1995) auf 17 Prozent gesunken.
79,8 Prozent meinen, dass gegen soziale Missstände zu wenig protestiert wird. Diese Entwicklung ist ein internationales Phänomen, wie der große Erfolg der Europäischen Sozialforen zeigt.
Die Gegenmacht der außerparlamentarischen Bewegungen war in den letzten Monaten sichtbar. Nach den riesigen Mobilisierungen gegen Agenda 2010 und Hartz IV hat die Regierung kleinere Zugeständnisse machen müssen. Dass Hartz IV nicht gestoppt wurde, lag vor allem daran, dass der Einfluss der SPD in den Gewerkschaften diese Bewegung ausgebremst hat.
Die neue Linke muss ein Teil dieser Bewegungen sein und sich mit ihren Ideen und Forderungen auseinandersetzen. Das heißt, auch im Parlament eine andere Art von Arbeit zu machen als bisher üblich.
Es muss eine Arbeit sein, die nicht daraus besteht, Sozialabbau zu verhindern, statt ihn sozialer zu gestalten. Wir sollten das Parlament nutzen, um Alternativen zu verbreiten und so Menschen zu helfen, selbst aktiv zu werden.
Dazu sollte eine neue Linke in außerparlamentarischen Bündnissen arbeiten und gemeinsam mit den Bewegungen Proteste organisieren und mobilisieren. Sie sollte Strukturen aufbauen, die linke Ideen in die breite Bevölkerung kommunizieren.
Eine solche Linke kann Menschen aktivieren und befähigen für ihre eigenen Interessen einzustehen.
Deshalb ist für die Gründung einer neuen Linken entscheidend, dass WASG, Linkspartei und außerparlamentarische Akteure, sich die Zeit nehmen, um gründlich zu diskutieren, wie die Linke die Welt verändern kann. Zentral dabei ist die Frage der Regierungsbeteiligung und wie das Verhältnis zu den sozialen Bewegungen ist.
Eine schnelle Fusion würde diese Auseinandersetzung verhindern und deshalb der historischen Chance nicht gerecht, erstmalig nach 1945 eine schlagkräftige gesamtdeutsche Linke aufzubauen, die Angriffe von Regierung und Unternehmern zurückschlägt und Verbesserungen erreicht.