Es sollte vielen besser gehen. Doch Kohl und Konzerne haben in Ostdeutschland Armut und Arbeitslosigkeit geschaffen.
Konzern DDRDie Treuhandanstalt diente dazu, so genannte Volkseigene Betriebe (VEB) in privaten Besitz zu überführen. In Wirklichkeit war der Staat DDR der Besitzer der Betriebe ein Staat, in dem die Bevölkerung nichts zu melden hatte. |
Im Herbst 1989 gehen in der DDR hunderttausende auf die Straße. Ihr Slogan Wir sind das Volk drückt ihre Hoffnung auf eine demokratische und freie DDR aus. Der damalige westdeutsche Kanzler Kohl missbraucht diese Hoffnungen, um Ostdeutschland zu beherrschen und verspricht blühende Landschaften nach einer Wiedervereinigung.
Ein Jahr später sind Ost- und Westdeutschland vereint und die Menschen stehen vor den ersten geschlossenen Betrieben statt vor blühenden Landschaften. Im Sommer 1990 sind bereits 1 Million Ostdeutsche arbeitslos. Jede Woche kommen 25.000 dazu.
In den folgenden Jahren muss die Hälfte der 150.000 Handwerksbetriebe schließen. Bis Ende 1991 sind zwischen 40 und 50 Prozent aller Arbeitsplätze vernichtet.
Die Industrieproduktion in Ostdeutschland wird zwischen 1989 und 92 um 69 Prozent gesenkt, das Bruttoinlandprodukt fällt um ein Drittel. Noch nie wurden in Deutschland so viele und so große Betriebe dichtgemacht. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland noch 57 Prozent der Wirtschaftskraft aus der Zeit vor dem Krieg.
Als erstes trifft es vor allem Frauen. In der DDR gingen 9 von 10 Frauen außer Haus arbeiten. Im vereinigten Deutschland sind es heute 6 von 10.
Die Westdeutschen Konzerne benutzten die Wiedervereinigung, um im Osten auf Großeinkauf zu gehen. Damit verbunden war das Streichen von Arbeitsplätzen und Lohnsenkungen.
1989 stand der Kapitalismus weltweit vor einer Krise. Die USA und Großbritannien befanden sich schon in der Rezession. Mitte 1989 verlangsamte sich auch das deutsche Wirtschaftswachstum. Die Exporte gingen zurück, besonders im Maschinenbau. Die Bosse blieben auf ihren Waren sitzen, eine Überproduktionskrise bahnte sich an.
Die Vereinigung ist die Chance für westdeutsche Konzerne, dieser Krise zu entgehen. Anfang der 90er gibt es einen kurzen Vereinigungsboom.
Die Bosse und die westdeutsche Regierung arbeiten dafür zusammen: Kohl schafft durch die Währungsunion 16 Millionen neue Kunden, die westdeutsche Waren mit D-Mark bezahlen. Gleichzeitig übernehmen die West-Konzerne ihre ostdeutschen Konkurrenten.
Die Maschinen in der DDR sind zwar durchschnittlich ein Drittel älter als im Westen, aber einzelne Bereiche wie der Maschinenbau sind hochmodern. Die DDR-Regierung hatte sie besonders gefördert, um mit der westdeutschen Wirtschaft zu konkurrieren.
Die modernsten und konkurrenzfähigsten Betriebe der DDR sind die größte Bedrohung für die Westkonzerne. Sie werden als erste geschlossen.
Die Übernahme der ostdeutschen Konkurrenz besorgt die Treuhandanstalt. Im Verwaltungsrat versammeln sich die Spitzen der westdeutschen Banken und Konzerne.
Im August 90 macht der Ministerrat der DDR den westdeutschen Manager Rohwedder vom Stahlkonzern Hoesch zum Präsidenten der Treuhand. Bei Hoesch hatte er in acht Jahren fast die Hälfte der Angestellten entlassen, um mehr Profit zu erreichen.
Die Treuhand verkauft die DDR-Industrie zu symbolischen Beträgen von einer Mark. 85 Prozent der ostdeutschen Industrie gehen an westdeutsche Konzerne, 10 Prozent an ausländische Käufer.
BASF aus Ludwigshafen kauft eine Kaliumsulfat-Düngerfabrik in Dorndorf. Kaliumsulfat ist als Dünger weit besser als das westdeutsche Produkt. BASF löst Mitte 1991 die Sulfatfabrik in Dorndorf auf und baut drei Monate später eine Sulfatanlage im westdeutschen Philippsthal. Die Konkurrenz ist erledigt, die Monopolstellung von BASF in Deutschland erreicht.
Innerhalb von zwei Jahren legen Treuhand und Konzerne die Hälfte des ostdeutschen Maschinenbaus still, 70 Prozent der Büromaschinenherstellung und 80 Prozent der Optik und Feinmechanik.
1991 sagte der Treuhand-Manager Odewald: Wenn alles gut geht, wird man uns vorwerfen, zu billig verkauft zu haben. Ende 94 löst sich die Treuhand auf. Sie hat Schulden über 60 Milliarden Euro angehäuft.
Die Arbeitslosigkeit schwankt seitdem um 20 Prozent. In manchen ehemaligen Industriestandorten liegt sie bei 50 Prozent.
Viele Menschen hoffen nach der Wiedervereinigung, dass der Lebensstandard der Ostdeutschen auf das Niveau im Westen steigt. Tarifverträge regeln die langsame Angleichung der Löhne im Osten an den Westen.
Die Bosse wollen jedoch nicht erfüllen, was Kohl versprochen hatte. Sie wollten die Vereinigung nur, um ihre Profite zu steigern. 1993 drohen die Metallbosse, einen Tarifvertrag zu kündigen, der eine Lohnerhöhung im Osten um 26 Prozent vorsieht. Die Gewerkschaft IG Metall schlägt diesen Angriff mit einem Streik im Osten zurück. Die Erhöhung wird verschoben, aber sie kommt.
Die Öffnungsklauseln, die mit dem neuen Tarifvertrag vereinbart werden, haben schwere Folgen. Auf ihrer Grundlage bleibt die Spaltung zwischen Ost und West bestehen.
Viel Ostdeutsche sind aus Angst vor Arbeitslosigkeit bereit, Löhne unter Tarif hinzunehmen. In vielen Betrieben arbeiten die Menschen ganz ohne Tarifvertrag. Ostdeutschland wird zur Billiglohnzone.
Dieses Ergebnis ihrer feindlichen Übernahmen benutzen Politiker und Bosse heute, um die Arbeiter im Westen unter Druck zu setzen. Als die IG Metall letztes Jahr die Arbeitszeit im Osten auf 35 Stunden anpassen will, protestieren Bosse und Politiker aller Parteien. CDU-Chefin Merkel will die Richtung umdrehen: Der Westen muss so werden, wie der Osten heute ist.
Der Kampf um die 35-Stunden-Woche geht verloren, weil die Gewerkschaft im Westen ihre ostdeutschen Kollegen nicht unterstützt. Die jetzige Kampagne der Bosse für längere Arbeitszeiten ist die Folge dieser Niederlage. Siemens, DaimlerChrysler und VW nutzen die Spaltung zwischen Ost und West, um ihre Gewinne zu sichern.