Die Februarrevolution von 1917 brachte zwei Machtzentren hervor: den Sowjet der Arbeiter-,Soldaten- und Bauernräte mit den Menschewiki (Rechter Flügel der Sozialdemokratie) und den Sozialrevolutionären (Bauernpartei) auf der einen Seite und die provisorische Regierung der Bourgeoisie auf der anderen Seite. Die provisorische Regierung hatte bei den Arbeitern und Soldaten nur insoweit Autorität, als ihre Maßnahmen durch den Sowjet gebilligt wurden.
Die zwei Machtzentren waren Ausdruck der Klassenspaltung in Rußland: auf der einen Seite die Arbeiter, Soldaten (Bauern in Uniform) und die landlosen Bauern und auf der anderen Seite der Unternehmer und die Großgrundbesitzer. Doch diese Doppelherrschaft zwischen den Klassen ist notwendig instabil; entweder können die Reichen ihre Herrschaft wieder stabilisieren und die Sowjets entmachten oder umgekehrt. Und natürlich hatten die Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer kein Interesse, den Erwartungen und Forderungen nach Frieden, Land und Brot nachzugeben.
Diese Forderungen aber standen im Zentrum der Februarrevolution. Es war klar, daß die
Arbeiter vom Sowjet und der Regierung die Erfüllung ihrer sozialen Forderungen
(Achtstundentag, bessere Versorgung), die Soldaten die Beendigung des Krieges und die
landlosen Bauern eine Landreform mit der Verteilung des Großgrundbesitzes erwarteten.
Angesichts der Kräfteverhältnisse im Lande hatte die Regierung keine Chance, ihre Absichten
offen durchzusetzen; sie konnte nur darauf hoffen, die Arbeiter und Soldaten durch
Täuschungsmanöver hinzuhalten und schließlich zu demoralisieren.
So weigerte sie sich, den Achtstundentag einzuführen mit dem Argument, daß alle Opfer bringen
müßten, um die Revolution im Krieg gegen das reaktionäre deutsche Kaiserreich zu verteidigen.
Natürlich ging es ihr nicht um die Verteidigung der Revolution, nichts haßte sie mehr, sondern
um ihren Beuteanteil im Ersten Weltkrieg, waren doch die Chancen auf einen Sieg durch den
Kriegseintritt Amerikas gestiegen. Darüber hinaus sei es die Sache des Sowjets, die Arbeiter zu
beruhigen.
Noch bedrohlicher für die Regierung war die Frage des Grundeigentums.
Um das Land zu beruhigen, verfügte der Acker-biiuminister Schingarcw die
Bildung von lokalen Landkomitees, vorsieh tigerweise ohne deren Funktion und
Aufgaben zu bestimmen. Die Bauern bildeten sich ein, diese müßten ihnen Land geben
und die Gutsbesitzer, daß diese ihr Eigentum schützen müßten. Überhaupt versuchte die
Regierung alle zentralen Fragen, die die Revolution aufgeworfen hatte, bis zu einer
einzuberufenden Konstituierenden Versammlung und allgemeinen Wahlen zu vertagen, wobei
sie tunlichst alles vermied, diese vorzubereiten. Sie hoffte auf für sie bessere Zeiten.
"Was am 27. Februar im Taurischen Palais unter dem Namen Exekutivkomitee den
Sowjets der Arbeiterdeputierten entstanden war, hatte im wesentlichen wenig mit
diesem Namen gemein. Der Sowjet der Arbeiterdeputierten von 1905, der Stammvater
des Systems, war aus dem Generalstreik hervorgegangen.
Er repräsentierte unmittelbar die Massen im Kampf. Die Auswahl der
Personen vollzog sich im Kampf… Die Februarrevolution siegte, dank dem Aufstand der
Regimenter, bevor noch die Arbeiter Sowjets geschaffen hatten. Das Exekutivkomitee bildete
sich eigenmächtig vor dem Sowjet, unabhängig von den Betrieben und Regimentern, nach dem
Siege der Revolution. Wir sehen hier die klassische Initiative der Radikalen, die beim
revolutionären Kampfe abseits stehen, aber bereit sind, seine Früchte zu ernten." [l]
Während die Arbeiter und Soldaten noch auf der Straße kämpften und den Sieg der Revolution
sicherten, eigneten sich die Führer der rechten Sozialdemokratie und der Sozialrevolutionäre
und Offiziere in den Sowjets die Macht an, und indem sie dies unter den Symbolen der
Revolution von 1905 taten, auch deren riesige Autorität.
"Wenn sich die Sache in Petrograd so verhielt, kann man sich
leicht vorstellen, wie es in der Provinz aussah, wo der Sieg ganz
ohne Kampf gekommen war." [2]
"Nichtsdestoweniger begannen die Meetings der Soldaten und Arbeiter (in Petersburg) schon seit
dem 3. März vom Sowjet zu fordern, unverzüglich die Provisorische Regierung der liberalen
Bourgeoisie zu beseitigen und die Macht selbst in die Hand
zu nehmen… Aber diese Agitation brach bald ab: nicht nur deshalb,
weil die Vaterlandsverteidiger (rechte Sozialdemokraten) sie scharf
zurückwiesen; schlimmer war, daß die bolschewistische Führung in der
ersten Märzhälfte sich faktisch vor dem Regime der Doppelherrschaft beugte." [3]
Die aus dem Exil in Sibirien zurückgekehrten Führer der Bolschewiki, Kamenew und Stalin,
übernahmen im März die Führung der Bolschewiki und ihrer Zeitung, der Prawda. Als erstes
stoppten sie die Agitation gegen die Fortsetzung des Krieges und schwenkten ebenfalls auf
die Linie der Menschewiki ein, das Vaterland und die Regierung entschieden zu verteidigen,
"insofern sie gegen Reaktion und Kanterrevolution kämpft…
Nicht das inhaltlose ‚Nieder mit dem Krieg‘ ist unsere Losung.
Unsere Losung ist – der Druck auf die Provisorische Regierung mit dem Ziele, sie zu zwingen
… mit einem Versuch hervorzutreten, alle kämpfenden Länder zur sofortigen Aufnahme von
Friedensverhandlungen zu bewegen … Bis dahin bleibt jeder auf seinem Kampfposten." [4]
Diese Formulierung unterschied sich in nichts von den Losungen der Führung
der II. Sozialdemokratischen Internationale, die ihre Herrschenden in deren
Kriegsanstrengungen unterstützt hatten. Demgegenüber halten Sozialisten wie
Rosa Luxemburg und Lenin und die bolschewistische Partei immer betont:
"Der Feind steht im eigenen Land" und der imperialistische Beuteteldzug der
Herrschenden kann nur über deren Sturz beendet werden.
Dieser Kurswechsel stieß zwar auf den scharfen Protest von Parteimitgliedern, der
Wyborger Bezirk von Petersburg forderte den Parteiausschluß von Stalin und Kamenew,
aber die Parteiführung ging ihren Kurs der Annäherung an die Menschewiki und an die
bürgerliche Regierung weiter. Auf der Parteikonferenz der Bolschewiki Ende März hielt
Stalin ein Grundsatzreferat über die Haltung der Bolschewiki zur bürgerlichen Regierung,
die von den meisten Delegierten geteilt wurde:
"Die Macht ist auf zwei Organe aufgeteilt, von denen aber keines die volle Macht innehat.
Reibungen und Kampf zwischen ihnen bestehen und müssen bestehen. Die Rollen sind verteilt.
Der Sowjet hat faktisch die Initiative revolutionärer Umgestaltung ergriffen. Der Sowjet ist
der revolutionäre Führer des aufständischen Volkes, ein die Provisorische Regierung kontrollierendes
Organ. Die Provisorische Regierung dagegen hat faktisch die Rolle
des Befestigers jener Errungenschaften des revolutionären Volkes übernommen." [5]]
Und: "Sofern die Provisorische Regierung die Schritte der Revolution festigt,
ist sie zu unterstützen; sofern sie konterrevolutionär ist, ist eine Unterstützung der
Provisorischen Regierung unzulässig." [6]
Damit wird unterstellt, daß die Bourgeoisie nach der Durchsetzung des Kapitalismus
revolutionär sein könnte. Diese Politik der bolschewistischen Führung bedeutete nichts
anderes als die totale politische Auslieferung der Arbeiter und Bauern an die Interessen
der Bourgeoisie, Damit noch nicht genug, befürwortete Stalin einen Vorschlag Zeretellis,
des Führers der Menschewiki, die Partei der Menschewiki und der Bolschewiki zu vereinen.
Es hätte bedeutet, die einzige Partei, die für ein Kriegsende und für radikale Bodenreform
eintrat, zu liquidieren und die Initiative den konterrevolutionären Plänen der Bourgeoisie
zu überlassen – in einer Situation, in der die Macht praktisch schon in den Händen der Räte
lag. Diese Linie der Partei wurde praktisch in ganz Rußland von den lokalen Führern geteilt.
Dies war die Situation, als Lenin aus dem Exil in der Schweiz am 3. April nach Rußland zurückkehrte.
Schon von Genf aus hatte Lenin in Briefen an die Partei gewarnt, daß er bereit sei, mit jedem zu
brechen, der in den Fragen des Krieges, des Chauvinismus und des Versöhnlertums der Bourgeoisie
Konzessionen machen sollte.[7] Am 6. März telegraphierte er nach
Petersburg:
"Unsere Taktik: restloses Mißtrauen, keinerlei Unterstützung der neuen Regierung; Kerenski mißtrauen
wir besonders (Kerenskis war der einzige ‚Sozialist‘ in der Regierung); Bewaffnung des Proletariats
die einzige Garantie; keine Annäherung an andere Parteien." [8] Und im Abschiedsbrief an die
Schweizer Arbeiter erinnerte Lenin an die Position der Bolschewiki von 1915:
"Sollte die Revolution in Rußland eine republikanische Regierung an die Macht bringen, die den
imperialistischen Krieg fortsetzen will, werden die Bolschewiki gegen die Verteidigung des
republikanischen Vaterlandes sein." [9]
Und schon bei der Begrüßungsansprache auf dem Bahnhot‘ von Petrograd nahm er die
Auseinandersetzung
mit der Parteiführung auf, wie der Menschewik Suchanow beklagte:
"Die Agrarreform auf gesetzgehenden Wege schleuderte er ebenso weg wie die übrige feste Politik
des Sowjets. Er
verkündigte die organisierte Aneignung des Landes durch die Bauern, ahne auf irgendwelche
Staatsmacht …zu warten… Wir brauchen keine parlamentarische Republik, wir brauchen keine
bürgerliche Demokratie, wir brauchen keinerlei Regierung außer den Sowjets der Arbeiter,
Soldaten und Landarbeiterdeputierten!" [10]
Am 4. April unterstrich Lenin auf der gemeinsamen Konferenz der Bolschewiki und Menschewiki noch
einmal seine Position in einem Thesenpapier, den sogenannten April-Thesen:
Die Prawda griff Lenins Thesen an: "Lenins allgemeines Schema schein! uns insoweit inakzeptabel,
als es von der Annahme ausgeht, daß die bürgerliche demokratische Revolution beendet ist und auf
die unmittelbare Umwandlung dieser Revolution in eine sozialistische Revolution baut."
In der Tat war auch Lenin bis 1917 davon ausgegangen, daß es in Rußland eine
bürgerlich-demokratische Revolution unter der Führung der Arbeiter und Bauern
geben wird, um den mittelalterlichen Zarismus zu stürzen und das Zeitalter des
modernen Kapitalismus in Rußland einzuläuten. Aber Lenin war kein Dogmatiker;
er sah, daß eine bürgerliche Demokratie unter Kontrolle der Arbeiter ein unlösbarer
Widerspruch war: entweder die Arbeiter ergreifen die Macht oder sie werden entmachtet.
Lenin konnte diese Auseinandersetzung in der Partei in außerordentlich kurzer Zeit für
sich entscheiden. Bereits auf der Petrograder Parteikonferenz Mitte April gewann er, wenn
auch knapp, die Mehrheit der Partei. Der Schlüssel dafür war die Kriegsfrage. Den
Mitgliedern wurde klar, daß nur der Sturz der Provisorisehen Regierung und die
Machtergreifung der Räte den Krieg beenden konnte. Damit hatte die Partei ihre
Orientierungslosigkeit überwunden.
Je langer die Provisorische Regierung den Krieg fortführte, desto
mehr ging bei den Massen der Glaube daran verloren, daß die Regierung
ernsthaft einen Friedensabschluß betreibt. Ihre Parole des revolutionären
Verteidigungskrieges, die Stellung zu halten, bis es zum Friedensverlag kommt,
wurde immer unglaubwürdiger. Die Soldaten an der Front verweigerten den Befehl,
wenn die Kommandeure den Befehl zum Angriff gaben
("Wir halten die Stellung bis zum Frieden, aber nicht mehr").
Die Soldaten wurden immer mißtrauischer gegen ihre Kommandeure
und Offiziere und Stück für Stück änderte sich die Zusammensetzung
in den Soldatensowjets. Jeder erfolglose Versuch,
die Disziplin wiederherzustellen, aber auch jedes
abgerungene Zugeständnis stärkte das politische Bewußtsein und das Selbstvertrauen.
Das gleiche Bild bot sich in der Frage der Agrarreform. Da die Regierung nichts unternahm,
begannen die lokalen Sowjets die praktischen Dinge des Lebens selbst in die Hand zu nehmen,
Land in Besitz zu nehmen und die öffentliche Verwaltung zu übernehmen, nahmen Verhaftungen
von reaktionären Administratoren vor. Sie mischten sich in Wirtschaftskonflikte, Ernährungs-
und Transportfragen ein und unter dem Druck der Arbeiter wurde der Achtstundentag eingeführt.
Unter dem Einfluß der ständig anwachsenden Ernährungsschwierigkeiten und des Warenhungers
griffen die Provinzsowjets zu Preisregulierungen, Ausfuhrverboten für bestimmte Gouvernements
und zur Requisition von Vorräten. Dabei standen überall an der Spitze der Sowjets Sozialrevolutionäre
und Menschewiki, die mit Entrüstung die bolschewistische Parole ‚Alle Macht den Sowjets‘ ablehnten.
Regierungssozialisten reisten in die Provinz, versuchten zu überreden, drohten, rechtfertigten sich
vor der Bourgeoisie. Doch all das änderte das Kräfteverhältnis nicht.
So übernahmen die Massen nach und nach die Parolen der Bolschewiki, traten des Lavierens der
menschewistischen und Sozialrevolutionären Parteien überdrüssig, in Scharen in die bolschewistische
Partei ein und wählten deren Mitglieder in die Sowjets. Diese Entwicklung wurde insbesondere dadurch
beschleunigt, daß sich nur die bolschewistische Partei gegen die neue Juni-Offensive der Regierung
an der Front stellte. So verzehnfachte sich von März bis Juni 1917 die Mitgliederzahl der Bolschewiki,
z.B. im Wyborger Arbeiterbezirk von Petersburg von 500 auf 6.600 Mitglieder.
Die wirtschaftliche und soziale Lage war in Rußland im Juni unerträglich geworden.
Die Kriegsausgaben im ersten Halbjahr 1917 waren auf über zehn Milliarden Rubel gestiegen,
1/7 des Nationalvermögens. Die Eisenindustrie hatte sich um 40 % und die Textilindustrie
um 20 % verringert. Mehr und mehr Betriebe wurden geschlossen, weil die Regierung ihren
Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkam, obwohl die Notenpresse der Regierung auf
Hochtouren lief, was aber nur die Inflation ins Unermeßliche steigerte.
Das Transportsystern war zusammengebrochen, es fehlte an Brennstoff und in Petersburg gab es
Ende Juni nur noch Lebensrnittel Vorräte für 10 bis 15 Tage.
Ein Memorandum des Gewerkschaftsverbandes der Lokomotivbrigaden an den Verkehrsminister
lautete: "Wir erklären zum letztenmal: die Geduld hat eine Grenze. Weiter in solcher
Lage zu leben, fehlt uns die Kraft" Das war eine Beschwerde nicht nur über Not und Hunger,
sondern auch über Zweideutigkeit. Charakterlosigkeit, Betrug. Die Eingabe protestierte besonders
zornig gegen "die an uns gerichteten endlosen Ermahnungen zur Bürgerpflicht und Enthaltsamkeit bei
hungrigem Magen."
So brodelte es im ganzen Lande, ganze Divisionen mußten an der Front wegen Meutereien aufgelöst werden,
die Soldaten wollten nach Hause, um gegen den Hunger das Land zu bestellen; aber besonders explosiv war
die Lage in den Betrieben und Kasernen von Petersburg, Kronstadt und in der baltischen Flotte.
Die Forderung nach einem Sturz der provisorischen Regierung und der Machtergreifung des Sowjets wurde
in Petersburg zur Kampflosung, um die aktuellen Probleme endlich zu lösen. Und die Kräfteverhältnisse
in Petersburg beschrieb der Journalist Claude Anet gegenüber dem französischen Gesandten Anfang Juli so:
"Das ist der Bezirk der großen Fabriken, der restlos den Bolschewiki gehört. Lenin und Trotzki walten dort wie die Herren."
Im gleichen Bezirk befänden sich die Kasernen des Maschinengewehrregiments, das etwa
zehntausend Mann und über tausend Maschinengewehre zähle: weder Sozialrevolutionäre
noch Menschewiki hätten Zutritt zu den Kasernen des Regiments. Die übrigen Regimenter
seien entweder bolschewistisch oder neutral.
"Wollten Lenin und Trotzki Petrograd besetzen, wer wurde sie daran hindern?"
Die Bolschewiki und die Leitung des Petersburger Sowjets aber versuchten alles, die
Bewegung zurückzuhalten, da sie davon ausgingen, daß ein Aufstand in Petersburg
weitgehend isoliert bleiben, und niedergeschlagen würde und daß selbst in Petersburg die
verräterische Politik der Menschewiki und Sozialrevolutionäre noch nicht voll von den Massen
durchschaut worden sei. Die Bolschewiki sandten pausenlos Aufrufe und Agitatoren in die Betriebe
und Kasernen, um den drohenden Aufstand zurückzuhalten Aber nichts half. Schließlich brach am 3. Juli
die bewaffnete Demonstration los. Die Regierungszeitung Iswestja schrieb:
"Um 5 Uhr nachmittags traten bewaffnet hervor: das 1. Maschinengewehrregiment,
Teile des Moskauer- des Grenadier- und des Pawlowski-Regiments. Ihnen schlössen sich
Arbeiterhaufen an … mit roten Bannern und Plakaten, die den Übergang der Macht an
die Sowjets forderten. … Die Truppenteile wählten eine Deputation, die dem Allrussischen
Zentral-Exekutivkomitee (des Sowjets) … folgende Forderungen überbrachte: Nieder mit den
zehn bürgerlichen Ministern, alle Macht dem Sowjet, Einstellung der Offensive, Beschlagnahme
der bürgerlichen Zeitungsdruckereien, Verstaatlichung von Grund und Boden, Produktionskontrolle."
Die Teile von Regimentern und die Arbeiterhaufen waren in Wirklichkeit Regimenter und Betriebe
vollzählig.
Die Bolschewiki waren in einer schwierigen Lage. Die Demonstration war eine Tatsache,
weitere Aufrufe, nicht hervorzutreten, waren nutzlos. So setzten sich die Bolschewiki an die Spitze der
Demonstrationen, die über drei Tage dauerten, und versuchten erfolgreich, den vorzeitigen Aufstand zu
verhindern, Das Ziel der Demonstrationen war das Taurische Palais, wo das Exekutivkomitee des Sowjets
seinen Sitz hatte.
Hunderttausende Demonstranten forderten die Übergabe der Macht an die Sowjets. Tscheidse, der das
Sowjetsystem repräsentierte, und schon allein damit Kandidat für den Premierposten, suchte Militärkräfte
gegen die Demonstranten. Die grandiose Bewegung für die Macht der Demokratie wurde von deren Führern als
Überfall bewaffneter Banden auf die Demokratie erklärt.
Schließlich traten die Petersburger Betriebe und Kasernen nach drei Tagen bewaffneter
Demonstration gegen die Regierung erschöpft den Rückzug an. Die Menschewiki und die
Sozialrevolutionäre nutzten diesen Rückzug sofort, um eine massive Verfolgung der
Bolschewiki und der Linken in den Sowjets zu beginnen, die mehrere Wochen anhält.
Tausende werden verhaftet und Dutzende von reaktionären Offizieren ermordet. Doch
landesweite Verfolgung der Bolschewiki macht deren Parolen erst landesweit bekannt
und die einsetzende Reaktion und das sich erhebende Gesicht der Konterrevolution
öffnen den Massen in der
Provinz erst richtig die Augen über den Charakter der Provisorischen Regierung und deren
Handlanger im Exekutivkomitee des Sowjets.
Anmerkungen
1 Leo Trotzki: Geschichte der russischen Revolution, Februarrevolution, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1982, S. 188
2 ebenda, S. 189
3 ebenda, S. 190
4 ebenda, S. 248
5 ebenda, S. 258
6 ebenda, S. 259
7 Tony Cliff; Lenin, Band 2, Pluto Press Limited, 1975, S. 112
8 Leo Trotzki, a.a.O., S. 250