Die USA haben in Bagdad ein brutales Besatzungsregime errichtet. Hier sind die Stimmen aus einer besetzten Stadt.
Hallo Freunde,
Ich will euch auf den neuesten Stand bringen, was hier passiert. In meinem letzten Brief, etwa vor einem Monat, habe ich geschrieben, dass wir nur 8-12 Stunden am Tag Strom haben. Es wurde uns versprochen, dass das besser wird. Aber wir haben immer noch nicht länger als einen halben Tag Strom.
Lustig ist, dass Mr. Bremer (US-Verwalter des Irak, d. Red.) heute sagte, die Stromversorgung sei besser geworden. Nicht in meinem Land vielleicht erzählte er von New York dort ist es wohl besser geworden. Viele Gebiete sind immer noch vom Telefonnetz abgeschnitten.
Kurzum, in den letzten Monaten gab es keine wahrnehmbare Verbesserung. Das lässt die Menschen verzweifeln. Diejenigen, die optimistisch waren, haben ihren Optimismus jetzt verloren. Ich bin einer von ihnen. Das erste Mal in meinem Leben denke ich darüber nach, mein Land zu verlassen. Ich verliere einfach die Hoffnung.
Unsere Erfahrungen der letzten paar Monate sind, dass alle Versprechungen gebrochen worden.
Vor einer Woche ging ich die Rente meines Vaters abholen. Sie gaben 60 Dollar und sie zahlten die Rente für alle Rentner Bagdads an einem Ort. Mein Vater war am 12. August dran. Es waren 52 Grad an dem Tag. Zum Vergleich: Mehr als 3000 Menschen starben in Frankreich, weil die Temperaturen 42 Grad erreichten.
All diese Menschen über 60 mussten in Schlangen außerhalb stehen. So sehen für die Amerikaner die Menschenrechte aus. Während ich in der Schlange stand, sind zwei Menschen in Ohnmacht gefallen. War es zu schwierig, es so wie früher zu machen: jeder in der Bank in der Nähe seines Wohnortes?
Übrigens waren die 60 Dollar für drei Monate.
Ein Freund fragte mich, ob wir die amerikanischen Soldaten oft sehen. Man kann kaum länger als fünfzehn Minuten rausgehen, ohne eine oder zwei Patrouillen zu sehen. Fast immer sind Hubschrauber unterwegs. Gestern, als ich auf dem Dach geschlafen habe wo heutzutage die meisten Iraker schlafen, weil es keinen Strom gibt flog ein Hubschrauber so niedrig, dass ich fast in der Lage war, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Stellt euch das vor. Ihr schlaft sicher und ruhig und plötzlich wacht ihr von dem Geräusch eines Hubschraubers auf, der weniger als zehn Meter über euch schwebt.
Wir sind alle der Natur näher als zuvor. Wir verbringen viel Zeit im Garten und schlafen nachts auf dem Dach. Wir zählen die hellen Sterne in einer sehr dunklen Zeit.
Ich weiß, ich höre mich zu pessimistisch an, aber nur weil ich eben so fühle. Es könnte sein, dass die Dinge besser sind als ich sie sehe, oder sie werden es bald, aber unglücklicherweise sehe ich sie so.
Grüße
Ahmed Kharrufa
Bagdad, Irak, 8. August 2003
"Wir haben nichts Positives von den Amerikanern gesehen. Und das gilt auch für den Provisorischen Regierungsrat, den sie für uns erfunden haben.
Unter Saddams Regime trotz aller Nachkriegszwänge dauerte es 48 Tage, die Stromversorgung in Bagdad wiederherzustellen, nach dem sie im ersten Golfkrieg zerstört wurde. Warum haben die USA, das mächtigste Land der Erde, vier Monate, nachdem sie unser Netzwerk und unsere Infrastruktur zerbombt haben, diese noch immer nicht repariert?
Das Wasser wird knapp bei diesen kochend heißen Temperaturen. Ich habe ein sieben Jahre altes Kind und ich leide doppelt, weil ich sehe, wie er diese furchtbare Hitze erleidet. Denk nur an die Millionen beraubter Iraker, Babys, die Kranken, die Alten, die bei dieser Hitze nach Luft ringen. Wie kann die amerikanische Verwaltung es wagen, über unser Wohlbefinden zu reden, wenn sie uns foltert?"
Nahla, Künstlerin und Inhaberin einer Galerie in Bagdad