Der frühere Grünen-Europaabgeordnete Wilfried Telkämper kandidiert bei den baden-württembergischen Landtagswahlen am 26. März für die WASG, um eine neue Linke aufzubauen.
Wilfried Telkämper aus Freiburg tritt als parteiloser Kandidat für die WASG an |
Du hast dich vor drei Jahren von den Grünen und der Parteipolitik verabschiedet. Warum kandidierst du jetzt für WASG und Linkspartei?
Die Geschichte der Linken in Deutschland ist eine Geschichte von Spaltungen. Mir hat der Versuch von Linkspartei und WASG, die Linke über die Grenzen der beiden Parteien hinaus zu sammeln, in dieser Zeit des sozialen Kahlschlags neue Hoffnung gegeben. Die Enttäuschung vieler Linker über die Grünen, die ihre Grundsätze einer Politik des reinen Machterhalts geopfert haben, kann mit der neu entstehenden Linkspartei hoffentlich geheilt werden.
Der Einzug der Linksfraktion in den Bundestag beweist, dass wir in der ganzen Bevölkerung Zustimmung erfahren und Millionen Menschen eine neue linke Opposition unterstützen. Die anderen Parteien, sei es in der großen Koalition oder hier in Baden-Württemberg, setzen den Auswirkungen der Globalisierung nichts entgegen. Sie betreiben selbst Politik zur Steigerung der Profite der Konzerne, statt zur sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung der gesamten Gesellschaft.
WASG und Linkspartei sind zuversichtlich, dass das neue linke Bündnis auch in den baden-württembergischen Landtag einziehen wird. Was meinst du?
Ich rechne mit 5 bis 7 Prozent. In den letzten Wochen haben 12.000 wahlberechtigte Baden-Württemberger bei uns unterschrieben und so ermöglicht, dass wir antreten können.
Wir stellen in allen 70 Wahlkreisen Kandidaten auf, haben schon Unmengen Wahlkampfmaterial erstellt und die notwendigen Unterstützerunterschriften zusammen. All das zeigt die große Professionalität und das enorme Engagement der Aktiven.
Dabei kommt uns zugute, dass WASG und Linkspartei sehr gut zusammenarbeiten. Besonders positiv fand ich in Freiburg, dass WASG und Linkspartei gemeinsam öffentliche Diskussionsforen organisiert haben, in denen wir uns auf das Wahlprogramm und die Kandidaten geeinigt haben.
Formal musste mich die WASG nominieren. Das einstimmige Votum hat mich besonders gefreut.
Auf welche Themen habt ihr euch geeinigt, um die Menschen zu überzeugen, links zu wählen?
Im Mittelpunkt steht soziale Gerechtigkeit. Gegen die zunehmende Arbeitsplatzvernichtung fordern wir Arbeitszeitverkürzung und ein öffentliches Investitionsprogramm. Allein durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die Produktion energiesparender Produkte könnten viele neue Arbeitsplätze entstehen.
Wir kämpfen gegen die Privatisierung von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge und für die Rekommunalisierung bereits privatisierter Unternehmen, wie Elektrizitäts- und Wasserversorgern.
Ein weiteres wichtiges Thema ist Bildung. Wir setzen uns unter anderem dafür ein, dass Bildung kostenlos zugänglich ist und wehren uns gegen Studiengebühren.
WASG und Linkspartei mobilisieren am 11. Februar zu Demos gegen die Bolkestein-Richtlinie nach Berlin und Straßburg. Was für eine Rolle spielt das für euren Wahlkampf?
Wenn diese Richtlinie verabschiedet wird, ist sie Gesetz in allen Ländern der EU und wird diese für einen Dumpingwettlauf unvorstellbaren Ausmaßes öffnen bezogen auf Löhne, Sozial- und Umweltstandards, Arbeits- und Verbraucherschutz.
Deshalb mobilisieren wir gemeinsam mit Gewerkschaften, Attac und anderen nach Straßburg. In Freiburg beteiligen wir uns an einem breiten Mobilisierungsbündnis, das Busse nach Straßburg organisiert.
Als EU-Abgeordneter habe ich meine politische Aufgabe immer darin gesehen, Brücken zu den Organisationen und Aktivisten der außerparlamentarischen Bewegungen zu schlagen. Diesen Anspruch an linke Politik habe ich nie aufgegeben.
Lebendige Demokratie braucht eine enge Verbindung parlamentarischer Arbeit mit der außerparlamentarischen Bewegung. Sonst entsteht Politikverdrossenheit, weil die Menschen das, was sie bewegt und betrifft, in den parlamentarischen Debatten nicht wiederfinden.
Manche befürchten, unter anderem wegen der Kürzungspolitik der Berliner SPD-Linkspartei-Landesregierung, dass die neue gemeinsame Partei den Weg der Grünen von links unten nach rechts oben nehmen wird.
Grundsätzlich besteht die Gefahr immer, dass sich Linke im Parlament der Macht des Kapitals unterwerfen und ihr Programm vergessen. Nur durch eine möglichst breite, öffentliche und solidarische Auseinandersetzung über die Inhalte der neuen linken Kraft und über gemeinsame Positionen für eine Politik von Straße und Parlament können wir verhindern, wie die Grünen nach rechts abzubiegen.
Eine reine Fusion der beiden Parteien wäre zu kurz gegriffen. Wir müssen alle mit einbeziehen, die soziale Gerechtigkeit wollen.
Viele haben die Hoffnung aufgegeben oder stehen kurz davor. Wir müssen uns zur Aufgabe machen, all denen eine neue politische Heimat zu geben, die über den Kurs der traditionellen linken Parteien enttäuscht sind und sich zurückgezogen haben: enttäuschten Sozialdemokraten genauso wie enttäuschten Grünen. In letzter Zeit habe ich viele frühere Grüne getroffen, die wie ich neue Hoffnung geschöpft haben und sich neu engagieren.
Nur eine wirklich breite pluralistische linke Partei wird die notwendige gesellschaftliche Kraft entwickeln, um eine andere Politik durchzusetzen. Dafür will ich mit meiner Kandidatur meinen Beitrag leisten.