Während sich die Schröder-Regierung auflöst, öffnet am 21. Juli das erste Sozialforum in Deutschland seine Tore.
15.000 Jugendliche kamen zum Festival der IG-Metall-Jugend in Nürnberg unter dem Motto Wir können auch anders. Solche Proteste gegen Sozialabbau sind der Grund für Schröders Krise |
Wenn am 21. Juli tausende Aktivisten aus den sozialen Bewegungen in Erfurt zusammenkommen, um über eine bessere Welt zu diskutieren, dann haben sie einen wichtigen Sieg schon errungen. Gerhard Schröder hat in seiner Begründung zur Vertrauensfrage eingeräumt, dass der Unmut und die Proteste gegen die Agenda 2010 die Ursache der Krise der Regierung sind.
Gleich zu Beginn seiner Rede ging Schröder auf die Kette zum Teil empfindlicher und schmerzlicher Wahlniederlagen der SPD ein, deren letztes Glied der bittere Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewesen sei.
Die Agenda 2010 mit ihren Konsequenzen schien zum wiederholten Male ursächlich für ein Votum der Wählerinnen und Wähler gegen meine Partei, sagte Schröder.
Schröder brüstete sich damit, dass seine Regierung die Agenda gegen massive Widerstände von Interessengruppen durchgesetzt habe. Mit den Interessengruppen waren offensichtlich Arbeiter, Arbeitslose und Rentner gemeint, da Schröders Agenda 2010 stets die volle Unerstützung der Unternehmerverbände genoss.
Schröder folgerte: Wenn diese Agenda fortgesetzt und weiterentwickelt werden soll – und das muss sie -, ist eine Legitimation durch Wahlen unverzichtbar.
Damit entlarvt Schröder das Wahlmanifest der SPD als Täuschungsmanöver. Mit dem Manifest, in dem unter anderem eine Millionärssteuer gefordert wird, will die SPD sich als soziale Alternative zur CDU darstellen. Im Bundestag sagte Schröder jedoch unmissverständlich, dass die SPD jede Stimme für sie als Zustimmung zur Agenda 2010 und zu mehr Umverteilung von unten nach oben interpretieren wird.
Der Sozialabbau wird also nach der Bundestagswahl im Herbst weitergehen, egal ob CDU oder SPD dann die Regierung stellen. Deshalb wird es zum Abschluss des Sozialforums eine Versammlung der sozialen Bewegungen geben, auf der wir über die Wiederaufnahme der sozialen Proteste diskutieren werden. Am Ende der Diskussion soll eine Verabredung zu einem gemeinsamen Protest stehen.
Leider wurde eine wichtige Frage in der Vorbereitung des Sozialforums weitgehend ausgeklammert, nämlich das Verhältnis der Bewegung zu Parteien. Die Enttäuschungen mit den Regierungsbeteiligungen der Grünen und der PDS haben viele dazu bewogen, Parteien insgesamt abzuschreiben und als Ablenkung von der Bewegung gegen Sozialabbau abzutun.
Die politische Diskussion rund um das entstehende Linksbündnis aus WASG und PDS zeigt aber, dass Parteien und außerparlamentarischer Widerstand sich gegenseitig bestärken können. Das Linksbündnis hat schon, bevor es überhaupt zustande gekommen ist, den Druck auf die Parteien des Sozialabbaus massiv erhöht. In Umfragen stehen PDS/WASG zusammen bei 11 Prozent. Schröder hat im Bundestag eingeräumt, dass die entstehende Linkspartei ein Grund für das Vorziehen der Wahl ist. Horst Siebert, einer der so genannten Wirtschaftsweisen, klagt im Handelsblatt, das vor allem von Managern gelesen wird: Durch die Neugründung der Linken aus PDS und WASG verschiebt sich der Nullpunkt des politischen Koordinatensystems nach links. Die SPD setzt sich von ihrem bisherigen Reformansatz ab, und die Union ist dabei, der Bewegung nach links ein Stück weit zu folgen. Siebert fürchtet, dass im Wahlkampf nicht nur von der Notwendigkeit von Reformen, sondern auch über soziale Gerechtigkeit gesprochen wird. Das macht es linken Aktivisten leichter, soziale Forderungen öffentlich zu formulieren.
Eine linke Partei, die die Herrschenden so verunsichert, dass sie anfangen, deren Forderungen zu übernehmen und damit ihre eigene Ideologie der letzten Jahre auf den Kopf zu stellen, schwächt den Kampf gegen Sozialabbau nicht sie stärkt ihn.