Unternehmen sollen für Gesundheit zahlen

Inge Höger-Neuling, WASG-Abgeordnete der Linksfraktion, über Alternativen zu Kürzungen im Gesundheitswesen


Inge Höger-Neuling ist Mitglied der WASG und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion

Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss der Bereitschaftsdienst von Ärzten voll als Arbeitszeit bezahlt werden. Die Arbeitgeber sagen, durch die entstehenden Kosten müssten sie Angestellte entlassen. Stimmt das?

Die Umsetzung des Urteils würde nicht zu Entlassungen sondern zu Einstellungen von Ärzten führen. Das Urteil untersagt überlange Arbeitszeiten und es bedeutet, dass die Ärzte genauso wie andere abhängig Beschäftigte höchstens 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen.
Zurzeit sind die Arbeitszeiten der Ärzte mit Bereitschaftsdiensten häufig sehr viel länger. Wenn die Ärzte nicht mehr so lange arbeiten dürften, muss für den Erhalt der gesundheitlichen Versorgung in den Kliniken mehr Personal eingestellt werden.

Die Krankenhausarbeitgeber sagen, für eine bessere Bezahlung von Ärzten und Personal und Neueinstellungen sei kein Geld da. Woher kommt die Unterfinanzierung der Krankenhäuser? Was schlägt die WASG vor?

Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser hat ihre Ursache in den verschiedenen „Gesundheitsreformen“ von den Gesundheitsministern Horst Seehofer bis Ulla Schmidt ebenso wie in den Änderungen der Krankenhausfinanzierung durch die Bundesländer. Seit 1992 gelten Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen, die sich im Wettbewerb befinden und Gewinn machen müssen.
Den Krankenhäusern werden nicht mehr die entstehenden Kosten einschließlich nach Tarif bezahltes Personal bezahlt, sondern sie bekommen so genannte Fallpauschalen, die nicht die tatsächlichen medizinischen und personellen Vorhaltekosten berücksichtigen. Die WASG fordert den Erhalt öffentlicher Krankenhäuser und die Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen beziehungsweise Investitionen durch Bund und Länder.

Die Schröder-Regierung hat 2003 eine Gesundheitsreform verabschiedet. Hat diese Reform die Lage im Gesundheitswesen verbessert?

Das so genannte Gesundheitsmodernisierungsgesetz hat die Lage im Gesundheitswesen nicht verbessert, sondern nur einen Teil der Kosten auf die Versicherten und die Beschäftigten im Gesundheitswesen verlagert. Insbesondere in den Krankenhäusern wurde durch die Einführung der Fallpauschalen der Druck auf das Personal aber auch auf die Patientinnen und Patienten größer. Kranke werden immer schneller entlassen, um die Verweildauer zu verkürzen und so die Kosten zu senken.

Im Wahlkampf schlug die SPD eine Bürgerversicherung vor.

Auch die WASG und die Linkspartei fordern eine Bürgerinnenversicherung. Nur eine einheitliche gesetzliche Krankenversicherung für alle kann ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen finanzieren.
Allerdings sieht die Bürgerinnenversicherung von WASG und Linkspartei etwas anders aus als bei der SPD. Einig sind sich die Parteien, dass die Einnahmeseite verbessert werden muss: durch Einbeziehung von BeamtInnen, Selbstständigen und Freiberuflern.
Die SPD will damit allerdings die Beiträge der Unternehmen senken, während WASG und Linkspartei an Konzepten arbeiten, über eine Wertschöpfungsabgabe auch die Unternehmen zur Finanzierung heranzuziehen, die aufgrund hoher Produktivität und Rationalisierungen nur wenig Beschäftigte haben, aber große Gewinne erzielen.

Was tut die Linksfraktion, um die Proteste der Beschäftigten zu unterstützen?

Einige Abgeordnete der Linksfraktion haben an der Warnstreikaktion der Beschäftigten der Charité teilgenommen und ihre Solidarität mit dem Kampf der Beschäftigten bekundet. Die Linksfraktion setzt sich für den Erhalt des Flächentarifs ein und das bedeutet aus meiner Sicht, dass Beschäftigte in den Krankenhäusern nach dem neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden sollten. Die Linksfraktion wird die Beschäftigten auch dadurch unterstützen, dass sie Konzepte für eine zukunftsfähige Finanzierung des Gesundheitswesens in den Bundestag einbringt.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.