Die britische Linkspartei Respect hat bei der Parlamentswahl Anfang Mai ihren ersten Sitz gewonnen. John Rees über Erfolg und Wahlkampf von Respect.
Respect hat einen Abgeordneten, aber Blair bleibt Premierminister. Ist das ein Erfolg für die Antikriegsbewegung?
Ganz eindeutig. Das Wahlergebnis ist demütigend für Blair und jeder weiß, dass der Krieg im Irak dafür verantwortlich ist. Blair hat als erster Labour-Premierminister einen dritten Wahlsieg in Folge erzielt, aber alle Zeitungen schreiben nur darüber, wann er zurücktreten wird. Es ist eher so, als ob er die Wahl verloren hätte.
Labour bekam mit 36 Prozent der Stimmen das niedrigste Ergebnis für eine Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur 61 Prozent der Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben; das bedeutet, dass nur 22 Prozent Blair gewählt haben.
Die Konservativen haben genau so viele Stimmen wie beim letzten Mal.
Das spektakulärste Ergebnis ist der Sieg unseres Kandidaten George Galloway in Ost-London. Zum ersten Mal seit 1945 ist jemand, der links von Labour steht, direkt gewählt worden. Drei weitere Respect- Kandidaten haben den Einzug ins Parlament nur knapp verfehlt. Es gab große Wählerwanderungen zugunsten von Respect.
Die Presse in Deutschland schreibt das Wahlergebnis vor allem Blairs Innenpolitik zu, nicht dem Krieg.
Der Krieg war das bestimmende Thema in den letzten zehn Tagen vor der Wahl. Alle etablierten Parteien wollten das verhindern, besonders Labour. Aber dann berichteten die Zeitungen, dass der Generalstaatsanwalt den Krieg gegen den Irak ursprünglich für illegal hielt.
Als nächstes kam heraus, dass Blair den Krieg mit US-Präsident Bush schon 8 Monate vor dem Angriff beschlossen hatte.
Wie hilft ein Sitz im Parlament der Antikriegsbewegung?
George Galloway, einer der bekanntesten Kriegsgegner, sitzt Blair gegenüber und nutzt die Öffentlichkeit der Parlamentsdebatten. In seiner ersten Rede im Unterhaus hat er schon gesagt: Mister Blair, das ist für den Irakkrieg. Das ist für die Tausenden, die sie umgebracht haben, und für die Lügen, die sie erzählt haben.
Die Antikriegsbewegung hat den Premierminister in die Lage gebracht, dass er vor den Kommunalwahlen im nächsten März abtreten muss. Das sagen selbst Blair-freundliche Zeitungen voraus.
Wie sah der Wahlkampf von Respect aus?
Es war ein Wahlkampf der Aktivisten aus der Antikriegsbewegung.
Hunderte Freiwillige strömten in unsere Hauptquartiere. So konnten wir zum Beispiel in Georges Wahlkreis mindestens zweimal an jede Haustür klopfen bei 85.000 Stimmberechtigten.
Über 10.000 Menschen haben uns auf ihrer Türschwelle ihre Stimme zugesagt, und noch mehr haben uns gewählt. Unser offener Doppeldeckerbus ist jeden Tag durch den Wahlkreis gefahren.
Unsere Aktivisten haben unsere Zeitung in jeden Briefkasten gesteckt und dazu noch hunderttausende Flugblätter verteilt.
Unsere Kandidaten haben auf Gewerkschaftsversammlungen gesprochen, in Moscheen, vor Mieterversammlungen von Sozialwohnungen, in Cafés, auf der Straße, vor U-Bahnhöfen und auf Rededuellen.
Das Interview führte Jan Maas