Revolutionäre sind die besten Reformer, meinte Rosa Luxemburg. Monika Krala über eine der größten Kämpferinnen für eine revolutionäre Arbeiterbewegung.
Jedes Jahr gedenken am zweiten Januarwochenende in Berlin zehntausende den Revolutionären Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Rechtsradikale Soldaten ermordeten sie während der deutschen Revolution im Januar 1919.
Die in Polen geborene Luxemburg arbeitete seit Ende des 19. Jahrhunderts in der deutschen SPD. Damals stand die Partei in der Tradition von Karl Marx für den revolutionären Umsturz der kapitalistischen Gesellschaft.
Zu jener Zeit gab es in Deutschland ein stetiges Wirtschaftswachstum. Auch die Lebensbedingungen der Arbeiter wurden langsam verbessert. Dadurch glaubten immer mehr Menschen, dass es ausreiche, den Kapitalismus mit Gewerkschaft oder Parlament Stück für Stück zu verbessern, um irgendwann eine vollkommen freie und gerechte Gesellschaft zu erreichen. Die Anhänger dieser Idee bildeten eine rechte Strömung in der SPD. Ihr bekanntester Theoretiker war Eduard Bernstein.
Schon 1898 hielt Luxemburg ihm entgegen, dass die Macht der Arbeiterbewegung gerade aus ihrer unversöhnlichen Ablehnung des Kapitalismus erwächst: "Nur weil wir keinen Schritt von unserer Position weichen, zwingen wir die Regierung und die bürgerlichen Parteien, uns das wenige zu gewähren, was an unmittelbaren Erfolgen zu erringen ist.
Fangen wir aber an, im Sinne des Opportunismus dem Möglichen unbekümmert um die Prinzipien und auf dem Wege staatsmännischer Tauschgeschäfte nachzujagen, geraten wir bald in die Lage des Jägers, der das Wild nicht erlegt und zugleich die Flinte verloren hat." 1899 schrieb Luxemburg "Sozialreform oder Revolution", eine kompromisslose Abrechnung mit eben dieser angepassten Politik Bernsteins.
In diesem Buch widerlegte sie auch die Idee, man könne den Staat als Instrument für den Kampf gegen den Kapitalismus benutzen: "Der heutige Staat ist eben keine Gesellschaft im Sinne der aufstrebenden Arbeiterklasse, sondern Vertreter der kapitalistischen Gesellschaft, das heißt, ein Klassenstaat.
Deshalb ist auch die von ihm gehandhabte Sozialreform (…) eine Kontrolle der Klassenorganisation des Kapitals über den Produktionsprozess des Kapitals. Darin, das heißt in den Interessen des Kapitals, findet auch die Sozialreform ihre natürlichen Schranken."
Für Bernstein stand ausschließlich der Kampf um den nächsten kleinen Schritt im Zentrum. Luxemburg argumentierte dagegen, dass die immer wiederkehrenden Krisen des Kapitalismus auch die kleinen Erfolge der Arbeiterbewegung immer wieder zerstören werden.
In "Sozialreform oder Revolution" vergleicht Luxemburg das ständige Arbeiten an Reformen mit dem Schicksal des griechischen Sagenhelden Sisyphus. Er muss einen Felsbrocken einen Berg hinaufwälzen, der immer wieder kurz vor dem Gipfel hinabrollt.
Dennoch hielt die Revolutionärin den Kampf um Reformen für sehr wichtig. Für Luxemburg war aber nicht nur die Reform selbst wertvoll, sondern vor allem die Erfahrung derer, die dafür gekämpft haben: "Die große sozialistische Bedeutung des gewerkschaftlichen und politischen Kampfes besteht darin, dass er die Erkenntnis, das Bewusstsein des Proletariats sozialisiert, es als Klasse organisiert."
Für Luxemburg war der ständige Kampf um den Lebensstandard eine Schule der Arbeiterbewegung. Damit sie lernen kann, darf der Kampf um Reformen nicht als Papierkrieg an Experten und Parlamentarier abgeschoben werden. Entscheidend ist, dass die Mehrheit der Arbeiterklasse Schritt für Schritt selbst aktiv wird.
Nur so können laut Luxemburg die Arbeiter genug Erfahrung sammeln, um eines Tages einen Zusammenbruch des Kapitalismus zur revolutionären Machtübernahme nutzen zu können.
Mit dieser Betonung des eigenständigen Kampfes der Arbeiter grenzt sich Luxemburg nicht nur gegen die Reformisten ab, die sich in der SPD durchgesetzt haben. Luxemburgs Ideen haben auch nichts mit dem Missbrauch des Sozialismus durch die Stalinisten zu tun. Sie haben nicht für die Selbstemanzipation der Arbeiter gekämpft. Stattdessen wurden sie im Ostblock mit Diktatur und Panzern unterdrückt.
Rosa Luxemburg war seit ihrem 16. Lebensjahr in sozialistischen Parteien organisiert. Nach eigener Aussage war es ihr nur dadurch möglich die zahlreichen Erfahrungen des Klassenkampfes zu sammeln und systematisch zu analysieren. Denn der Kampf um Reformen verläuft an jedem Ort verschieden schnell und hat andere Schwerpunkte.
Niederlagen gehören ebenso dazu wie Erfolge. Manche Aktivisten ziehen sich zurück, andere stoßen zur Arbeiterbewegung hinzu.
Luxemburg sah die revolutionäre sozialistische Partei als Speerspitze und Gedächtnis der Bewegung zugleich. Sie setzte sich in jedem Konflikt zwischen Arbeitern und Kapital für die Selbstaktivität der Arbeiter ein und versuchte, den Kampf gegen den Kapitalismus in den Mittelpunkt zu stellen.
Gleichzeitig war Luxemburg immer bestrebt, Spaltungs- und Betrugsmanöver von Feinden und falschen Freunden der Arbeiter abzuwehren. Eine revolutionäre Partei sah Luxemburg als das Werkzeug der Arbeiterklasse an, mit dem sie sich selbst befreien kann. Luxemburgs tragisches Schicksal war, dass die SPD diese revolutionäre Partei spätestens mit der Unterstützung des Ersten Weltkriegs ab 1914 nicht mehr war.
Trotzdem haben revolutionäre Arbeiter und Soldaten 1918 den Krieg beendet und den Kaiser gestürzt. Doch erst 1919 haben Luxemburg und andere Genossen mit der Kommunistischen Partei Deutschlands eine neue revolutionäre Partei gegründet zu spät, um zu verhindern, dass die SPD die Herrschaft der Kapitalisten aufrecht erhält und Luxemburg wie auch viele andere Revolutionäre ermorden lässt.
Archive
- September 2007
- Juni 2007
- Mai 2007
- April 2007
- März 2007
- Februar 2007
- Januar 2007
- Dezember 2006
- November 2006
- Oktober 2006
- September 2006
- August 2006
- Juli 2006
- Juni 2006
- Mai 2006
- April 2006
- März 2006
- Februar 2006
- Januar 2006
- Dezember 2005
- November 2005
- Oktober 2005
- September 2005
- August 2005
- Juli 2005
- Juni 2005
- Mai 2005
- April 2005
- März 2005
- Februar 2005
- Januar 2005
- Dezember 2004
- November 2004
- Oktober 2004
- September 2004
- August 2004
- Juli 2004
- Juni 2004
- Mai 2004
- April 2004
- März 2004
- Februar 2004
- Januar 2004
- Dezember 2003
- November 2003
- Oktober 2003
- September 2003
- August 2003
- Juli 2003
- Juni 2003
- Mai 2003
- April 2003
- März 2003
- Februar 2003
- Januar 2003
- Dezember 2002
- November 2002
- Oktober 2002
- September 2002
- August 2002
- Juli 2002
- Juni 2002
- Mai 2002
- April 2002
- März 2002
- Februar 2002
- Januar 2002
- Dezember 2001
- November 2001
- Oktober 2001
- September 2001
- August 2001
- Juli 2001
- Juni 2001
- Mai 2001
- April 2001
- März 2001
- Februar 2001
- Januar 2001
- Dezember 2000
- November 2000
- Oktober 2000
- September 2000
- August 2000
- Juli 2000
- Juni 2000
- Mai 2000
- April 2000
- März 2000
- Februar 2000
- Januar 2000
- Dezember 1999
- November 1999
- Oktober 1999
- September 1999
- August 1999
- Juli 1999
- Juni 1999
- Mai 1999
- April 1999
- März 1999
- Februar 1999
- November 1998
- Mai 1998
- Dezember 1997
- August 1997
- Juni 1997
- Februar 1997
- August 1988
Kategorien
- Afrika
- Allgemein
- Anti-Atom-Bewegung
- Anti-Kriegs-Bewegung
- Anti-Nazi-Bewegung in der BRD
- Antifaschismus
- Antikapitalismus
- Arbeiterbewegung
- Asien
- Bildung
- Börse
- Buchrezensionen
- DDR
- Deutschland
- Europa
- Filmkritik
- Frauenbefreiung
- Geschichte
- Gewerkschaften
- Globalisierungskritik
- Großkonzerne und Privatisierung
- Imperialismus
- International
- Ist Gewalt ein legitimes Mittel?
- Kosovo
- Kultur
- Lebensmittel und Gesundheit
- Linkspartei
- Marktwahnsinn
- Mittelamerika
- Mumia Abu-Jamal
- Musik
- Naher und Mittlerer Osten
- Nahost: Afghanistan
- Nahost: Irak
- Nahost: Iran
- Nahost: Israel / Palästina
- Neue Rechte in Europa
- Nordamerika
- Organisation
- Parlament & Wahlen
- PDS
- Rassismus
- Sozialdemokratie und Reformismus
- Sozialforen
- SPD
- Staat und Parlament
- Studentenproteste
- Süd-Ost-Asien
- Südamerika
- Theorie & Hintergründe
- über Linksruck
- Umweltschutz
- Unis und Hochschulen
- UNO
- USA
- Warum gibt es Wirtschaftskrisen?
- Weimarer Republik und 3. Reich
- Woher kommen die Ideen der Menschen?