Uwe Hiksch: „Darüber reden, was uns vereint“

Uwe Hiksch ist einer der Initiatoren einer neuen Linkspartei. Linksruck sprach mit ihm darüber, wie eine andere Politik aussehen kann.

Stichwort: Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit

Seit Anfang März sind die beiden Initiativen Wahlalternative und Arbeit und soziale Gerechtigkeit öffentlich in aller Munde. Schnell ist klar geworden, dass gegen den sozialen Kahlschlag der Bundestagsparteien nur eine gemeinsame Organisierung helfen kann.
Im ersten bundesweiten Treffen haben beide Initiativen vereinbart, eine gemeinsame bundesweite Organisation mit dem Titel Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit bis zum Sommer anzustreben. Deren Gründung soll bei einem Treffen noch vor den Sommerferien entschieden werden.
Zwischenzeitlich haben sich bundesweit über 40 Regionalorganisationen beider Initiativen gemeinsam gebildet. Etwa 10.000 Unterstützer bestätigten das große Bedürfnis für eine Organisation, die Alternativen zur herrschenden Politik zusammenfasst. Tausende kamen auf Veranstaltungen, um über die Perspektiven einer politischen Alternative zu diskutieren.
Das Ziel ist es als „politischer Arm“ für die Anliegen von Sozial- und Umweltverbänden, Gewerkschaften, Friedensbewegung und Globalisierungskritikern zur Verfügung zu stehen.

Mehr Informationen unter www.wahlalternative.de

Uwe, du reist gerade für die Wahlalternative durch das ganze Land. Was sind deine Erfahrungen?
Die Menschen auf den Veranstaltungen begegnen sich mit Solidarität und gegenseitigen Respekt. Gewerkschafter, Globalisierungskritiker, Sozialdemokraten und Sozialisten, jung und alt sitzen zusammen und sagen: Lasst uns nicht darüber reden was uns trennt, sondern was uns vereint, was wir gemeinsam tun können. In Hamburg saßen Aktivisten des besetzen Theaters Rote Flora neben ehemaligen Mitgliedern der „Arbeit für Hamburg“ – einer sozialdemokratischen Rechtsabspaltung. Das ist neu – ich habe so etwas in 25 Jahren politischer Aktivität noch nicht erlebt.

Wo liegt die Gemeinsamkeit?
Alle wollen ein Ende des Sozialabbaus. Das ist die Klammer. Uns wurde ja erzählt die, soziale Frage ist erledigt. Doch Millionen Menschen spüren, dass ihre Existenz nicht mehr gesichert ist. Grundsätzliche Dinge wie die Rente sind unsicher geworden. Durch die Hartz-Gesetze stehen Hunderttausende Arbeitslose vor der Verelendung. Die Sorge, dass das soziale System dieses Landes auseinander bricht, bringt diese Menschen unterschiedlicher politischer Grundströmungen zusammen um gemeinsam etwas zu verändern.

Zumal die soziale Demontage unter einer SPD-Regierung stattfindet.
Ja, das ist einer der wesentlichen Gründe für das Bedürfnis nach Alternativen. Die SPD hat die Seiten gewechselt. Sie vertritt keine Arbeitnehmerinteressen mehr, sondern nur noch Kapital- und Unternehmerinteressen. Die Sozialdemokratische Partei ist heute eine leere Hülle: Da steht Sozialdemokratie drauf, da ist aber keine sozialdemokratische Politik mehr drin. Auch deshalb glauben wir, dass das Projekt der Wahlalternative erfolgreich sein kann. Millionen Menschen, die sich traditionell an der SPD orientiert haben stehen ohne Vertretung, ohne organisatorische Stimme da.

Angesichts der absehbaren Wahlniederlagen der SPD werden in der Partei die Rufe nach Richtungsänderung lauter. Kommt der Kurswechsel?
Die Chance liegt bei nahe Null. Schröder denkt, er ist auf einer heiligen Mission zur Rettung des Standorts. Er ist zum politischen Selbstmord bereit. Zehntausende verlorene Mitglieder und auch die großen Demonstrationen haben bei Schröder kein Umdenken bewirkt, höchstens eine gewisse Vorsicht in Bezug auf Ankündigungen weiteren Abbaus.
Damit steht Schröder in der europäischen Sozialdemokratie nicht allein. Tony Blair ist genau so stur in den Irak-Krieg gezogen und hat die sich jetzt entwickelnde Regierungskrise und Parteiaustritte in Kauf genommen.
Selbst wenn Schröder abtreten müsste, wird es nicht besser werden. Die tonangebende SPD-Generation nach Schröder, die sogenannten „Netzwerker“ stehen rechts vom Kanzler und haben keinerlei Verbindungen mehr zu den Gewerkschaften. Die „alte“ Sozialdemokratie wird nicht zurückkehren.

Ihr schlagt eine Arbeitsverkürzung oder die Besteuerung von Reichen vor – darüber redet doch keiner mehr.
Wir brauchen dringend dringend eine Alternative, die diese Antworten an die Mehrheit der Bevölkerung trägt. Das ist für mich der wahre Test einer politischen Alternative: Schaffen wir es die Millionen betroffenen Menschen zu erreichen, klar und verständlich Argumente gegen die Neoliberalen zu liefern und vor allem – auf dieser Grundlage den Menschen Perspektiven für eigenes Engagement zu geben um gemeinsam Widerstand gegen die neoliberale Offensive zu organisieren.

Lenkt das Projekt einer politischen Alternative mit Ausrichtung auf Wahlen nicht von Bewegung außerhalb vom Parlament ab?
Nicht, wenn Wahlen und parlamentarische Arbeit Ergänzung und nicht Ersatz für außerparlamentarische Aktionen sind. Die gesellschaftliche Bewegung ist das entscheidende, nur durch gesellschaftliche Aktionen wie zum Beispiel und Streiks, Demonstrationen und spannende Aktionen kann die Politik der Herrschenden gestoppt werden. Die Aufgabe einer politischen Alternative ist, die Argumente und Forderungen der aktiv sozialpolitisch Arbeitenden Kämpfenden an die vielen Millionen betroffenen Menschen zu bringen, die noch nicht in diese Aktivitäten einbezogen sind. 90 Prozent des Projektes der Wahlalternative muss Bewegung von unten sein, 10 Prozent Arbeit im Parlament.
Doch diese 10 Prozent sind wichtig. Millionen Menschen schauen auf die Wahlen, verfolgen den Wahlkampf und wollen hören, was die Kandidaten zu sagen haben. Wir würden eine Riesenchance vergeben, wenn wir das nicht nutzen, um für aktiven Widerstand zu werben.

„Ihr spaltet die Linke und helft den Konservativen“. Deine Antwort?
Ein besserer Wahlhelfer für die Konservativen als Schröder durch seine falsche Politik könnten wir gar nicht sein. Wie steht es denn nach 6 Jahren Rot-Grün? Die Sozialdemokratie liegt in Trümmern, die Konservativen werden voraussichtlich die nächsten Wahlen haushoch gewinnen und dazu wahrscheinlich eine zwei drittel Mehrheit im Bundesrat haben. Hier will die Wahlalternative mithelfen, einen gesellschaftlichen Rechtsruck zu verhindern. Die Wahlalternative bietet eine Chance zu verhindern, dass dieses Land von einer konservativen Machtmehrheit auf längere Zeit drangsaliert werden kann. Dazu hat Schröder politische Vorarbeit geleistet und mit der Agenda 2010 den Sozialstaat zum Abschuss freigegeben – was Merz und Merkel natürlich ermuntert, richtig in die Vollen zu gehen. Die Frage in den kommenden Jahren ist nicht, ob die SPD oder die CDU regiert. Sondern wie wir es schaffen, alle Menschen die den Sozialstaat verteidigen wollen für eine große Bewegung für soziale Gerechtigkeit zu sammeln um soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung in Gesellschaft und Betrieben und ein Ende der neoliberalen Offensive zu erreichen.Uwe Hiksch ist ehemaliger PDS-Geschäftsführer und jetzt in der Wahlalternative „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ aktiv

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