Der PDS fehlt eine Strategie, die Welt zu verändern

Rouzbeh Taheri von der PDS erklärt, warum die PDS nicht die neue Linkspartei ist.


Rouzbeh Taheri, PDS, ehemaliges Mitglied des PDS-Bundesvorstandes und Sprecher der AG Bundespolitik und jetzt auch aktiv im Berliner Sozialbündnis

PDS-Chef Bisky sagt, wir brauchen keine neue Linkspartei, wir haben doch die PDS.
Offensichtlich sehen das die meisten Menschen anders. Von den Hunderttausend, die aus der SPD ausgetreten sind, sind nicht mal ein Prozent bei der PDS gelandet.
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen gibt es noch immer eine kulturelle Barriere
zwischen Ost und West.
Auch 15 Jahre nach der Wende hängt der Geruch einer Ostpartei an – teilweise auch berechtigt.
Außerdem ist die innerparteiliche Kultur eine ganz besondere. Nicht unbedingt besser oder schlechter als bei der SPD – aber anders.
Beispielweise werden inhaltliche Auseinandersetzungen vielfach als persönliche Angriffe betrachtet. Man ist nicht gewöhnt, dass es verschiedene Parteiflügel gibt. Bisky sagt, das es keinen linken Flügel geben könne, weil ja alle links seinen.
Zum anderen zeigt die PDS dort wo sie in Regierungsverantwortung sitzt, keine Alternative zur SPD. Der Berliner SPD-PDS-Senat macht massive Sozialkürzungen. Da nützt es wenig, wenn die PDS auf Bundesebene versicht, inhaltliche Alternativen zur Agenda 2010 zu propagieren
In wesentlichen unterscheiden sich die verschiedenen Flügel der PDS an drei Punkten: Der Umgang mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die Haltung zu Privatisierung und die Rolle der Partei an der Regierung.
Der linke Flügel, der wiederum in zahlreiche Gruppen zerfällt, lehnt Privatisierungen und Kürzungen ab. Wir versuchen mit sozialen Bewegungen, vor allem den Gewerkschaften eine Gegenmacht gegen diese Politik aufzubauen.
Dem gegenüber stehen die sogenannten „Reformer“. Besonders stark ist dieser Flügel im Berliner Landesverband. Deren strategische Perspektive ist auf die SPD ausgerichtet – die PDS soll als kleiner Partei von der SPD anerkannt werden, in Koalitionsregierungen gehen und sich so im parlamentarischen System etablieren. Das Argument war, das die PDS als Koalitionspartner das schlimmste verhindert. Doch um von der SPD anerkannt zu werden, sind die Reformer bereit, jeden Kompromiss zu schlucken und auch die den härtesten Sozialabbau mitzutragen. Verhindert wird also gar nichts, dafür eifrig mitgetan.
Jetzt sitzt die PDS in zwei Landesregierungen. Die „Reformer“ haben sich durchgesetzt.
Der innerparteilichen Widerstand gegen die Regierungsbeteiligungen konnte gebrochen werden, weil die PDS-Linke sich nicht auf eine Gegenposition einigen konnten. Auch hat die Mehrheit der PDS-Basis ihren Genossen nicht zugetraut, in der Regierung so weit nach rechts zu gehen. Deshalb war es schwer, die Basis gegen die Regierungsbeteiligungen zu mobilisieren.
Mittlerweile ist die Stimmung an der PDS-Basis miserabel. Unter den Genossen macht sich Resignation breit. Zwei Drittel der PDS-Mitglieder sind über 70 und haben einfach keine Kraft mehr, um die Partei zu kämpfen. Sie bleiben drin und hoffen, das es irgendwie besser wird.
Die Ausnahme ist Berlin: Hier gibt es eine regelrechte Austrittswelle. Seit 2001 hat der PDS-Landesverband Berlin 3.000 Mitglieder verloren. Viele sind gestorben, viele aber wegen der Regierungspolitik gegangen.
Laut PDS-Programm setzt die Partei nicht nur auf Regierung, sondern auch auf Mobilisierung auf der Straße. Diese Doppelstrategie wird vom Vorstand verkündet, aber nicht in die Tat umgesetzt. Wie auch? Wie kann die PDS in Nordrhein-Westfalen gegen die Einführung von Studienkonten protestieren, wenn der eigene Genosse sie in Berlin einführen will? Wie kann die PDS in Hamburg gegen die Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser und die damit verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen protestieren, wenn die PD S in Berlin 30 Prozent Lohnkürzung in den Kliniken unter Androhung von Privatisierung durchsetzen will? Wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, die PDS-Regierungspolitik lähmt die Aktivität der Partei außerhalb des Parlaments.
Die Parteiführung hat keine Lösung für diese Situation. Die versuchen, die Partei irgendwie zusammenzuhalten. Eine strategische Debatte, zum Beispiel über Sinn und Unsinn von Regierungsbeteiligungen, oder gar über grundsätzliche Frag en wie Reformpolitik in Zeiten wirtschaftlicher Krise, findet in der PDS nicht statt. Jede Position, von rechter SPD-Politik über klassische sozialdemokratische Rezepte bis zu alten kommunistischen Positionen fliegt unvermittelt und ohne Klärung durch die Partei.
Biskys Totschlagargument ist, dass sich die PDS nicht zerstritten sondern, einig zeigen soll. Deshalb gibt es keine Debatte, die Krise in der Partei läuft einfach weiter.
Die PDS ist nur noch zu retten, wenn die Mehrheitsverhältnisse in der Partei sich grundlegend ändern. Ich sehe aber in Abwesenheit einer Debatte nicht, wie das in einem innerparteilichen Prozess passieren kann. Nur sehr starker Druck von links kann in der PDS zu Bewegung führen – sowohl auf der Straße als auch durch eine organisatorische, linke Konkurrenz. Das hat ja die PDS immer im Bezug auf die SPD argumentiert – nur Druck von links wird etwas ändern. Jetzt ist die PDS selbst ein Fall dafür.

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