Saudi-Arabien: Zwischen Diktatur und Terror

Terrorismus fällt nicht vom Himmel. Die Täter kommen meist aus den Mittelschichten. Eine Untersuchung der Verhältnisse in Saudi-Arabien ermöglicht, die Hintergründe zu verstehen.

Saudi-Arabien ist wichtiger Partner der USA sowohl für die Golfregion wie auch für Zentralasien. Dieser Verbündeter des Westens, einer der größten Ölförderer der Welt, wird von einer Königsfamilie regiert, Demokratie gibt es hier nicht.


In diesem fundamentalistischen Land ist die islamische Scharia Gesetz. Frauen haben keine Rechte, Hinrichtungen sind an der Tagesordnung.


Die USA und auch die Bundesrepublik haben Saudi-Arabien aufgerüstet, 1991 wurde das Land als Militärbasis im Krieg gegen den Irak genutzt.


Die saudischen Diktatoren behaupteten damals, die US-Truppen würden das Land verlassen, sobald der Irak geschlagen wäre. Aber etwa 25.000 US-Soldaten blieben stationiert – angeblich zur Überwachung der Flugverbotszonen im Südirak.


Dafür würden aber 5.000 Soldaten reichen. Tatsächlich geht es um die Sicherung des saudischen Regimes, das mit einer wachsenden Unzufriedenheit der eigenen Bevölkerung zu kämpfen hat. Eine Mehrheit der Saudis lehnt die Anwesenheit der US-Streitkräfte ab.


Das Einkommen der meisten Menschen ist drastisch gesunken. Laut Financial Times ist das durchschnittliche jährliche Prokopfeinkommen von 35.000 Mark Anfang der 80er auf etwa 15.000 Mark heute gefallen.


"Die großzügigen Prachtstraßen im Geschäftsviertel von Riad (die Hauptstadt) mit ihren westlichen Einkaufszentren und Luxusboutiquen stehen in scharfem Gegensatz zu der Armut im Süden der Stadt, wo einige Frauen auf den Straßen betteln."



Ausgeschlossen


Viele Angehörigen der Mittelschichten, ausgeschlossen von jeglichem politischen Einfluss, drücken ihre Unzufriedenheit mit dem Regime und dessen Unterstützer im Westen in einer religiösen Sprache aus.


Die Financial Times zitiert einen saudischen Anwalt: "Niemand mag die US-Politik und die jungen Leute sehen in Bin Laden einen Helden, weil er als Außenseiter die Supermacht angreift."


Teile der saudischen Eliten bezweifeln die Verantwortung Bin Ladens für die Anschläge in den USA. Sie deuten auf den bisherigen Mangel an Beweisen und darauf, dass es in Saudi-Arabien Gruppen ohne Verbindungen zu Bin Laden gibt, die genauso verantwortlich sein könnten. Auf diese Möglichkeit verwies auch der viel geachtete Journalist Ali Laidi, der auch in der liberalen französischen Tageszeitung Le Monde schreibt.


Er deutete darauf hin, dass Oppositionsgruppen seit dem Golfkrieg Anschläge in Saudi-Arabien verüben, letztens Anfang Oktober, und zwar auch auf US-Basen und Personal. Die Mehrheit der mutmaßlichen Flugzeugentführer am 11. September kommt aus Saudi-Arabien.


Viele von ihnen, argumentiert Ali Laidi, haben Namen, die auf eine Herkunft aus der südlichen Region Assir schließen lassen. Diese Region war lange Zeit das Zentrum der Opposition gegen die Monarchie. Aber weder das Regime in Riad noch Bush interessiert die Möglichkeit, dass es saudische Gruppen ohne Verbindung mit Bin Laden gewesen sein könnten.


Sie bevorzugen die Theorie, "verrückte" religiöse Fanatiker wären die Urheber, und man könnte sie einfach beseitigen. Denn wenn der Terrorismus seine Ursachen in den politischen und sozialen Strukturen im Nahen Osten hat, ist ein Krieg gegen Afghanistan und die militärische Besetzung weiterer Länder in Zentralasien nicht zu rechtfertigen.

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