Frankreich: "F wie Faschist, N wie Nazi"

Der Wahlerfolg von Le Pen bei der französischen Präsidentschaftswahl hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Der Schock führte nicht zur Lähmung – in Frankreich gehen Hunderttausende gegen Rechts auf die Straße.

Le Pen ist – ein Faschist

Jean Marie Le Pen ist nicht nur ein rechter Politiker mit rassistischen Ansichten. Er ist ein Nazi. 1987 nannte er den Holocaust "ein Detail der Geschichte". Er wurde verurteilt, weil er Platten mit Liedern der Waffen-SS hergestellt und verkauft hatte.


Der Front National versucht in letzter Zeit, sich respektabel zu geben. Aber vor wenigen Wochen tauchte ein Video auf, das führende FN-Mitglieder beim Singen von Nazi-Liedern zeigte.


Le Pens Partei erstarkte in Frankreich während der 80er Jahre. Die Ursache für das Wachstum der Faschisten war die Enttäuschung über die Politik der Sozialdemokratie. In den 90ern gewann der Front National einige Bürgermeisterwahlen und hatte Abgeordnete im französischen Parlament und im Europaparlament.


Eine große Protestwelle gegen die FN 1997 traf die Nazis hart. Angesichts des wachsenden Widerstands zersplitterte der FN in rivalisierende Fraktionen. Jetzt hoffen die Nazis, wieder aufbauen zu können.


Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in Frankreich war das Ergebnis großer Enttäuschung über die letzten fünf Jahre Regierung der Sozialistischen Partei und ihrer Koalitionspartner, der Grünen und der Kommunistischen Partei. Der Rechtsextremist Le Pen erzielte einen schrecklichen Erfolg und bekam etwas über 4,5 Millionen Stimmen. Aber dieser Stimmenanteil war fast genau derselbe, den er bei den Wahlen 1995 bekommen hatte.


Er erreichte die zweite Runde der Wahlen am 5. Mai, weil die Unterstützung für die Regierungsparteien eingebrochen ist. Die Wahlbeteiligung sank mit 72 Prozent auf ein neues Tief. 1995 hatte sie noch bei 79 Prozent gelegen. Die Sozialistische Partei Frankreichs entspricht in etwa der SPD.


Für den sozialistischen Kandidaten Premierminister Jospin stimmten nur 16 Prozent oder 4,3 von 40 Millionen Wahlberechtigten. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 95 bekam Jospin 23 Prozent und unterlag dem konservativen Chirac nur knapp in der zweiten Runde. Aber Millionen von Menschen aus der Arbeiterklasse, die Jospin damals wählten, verweigerten ihm diesmal ihre Stimme.

11 Prozent stimmten für Revolutionäre

Ein hoffnungsvolles Zeichen in Mitten des Schocks dieser Wahl waren die Ergebnisse der revolutionären Kandidaten. Diese fordern einen wirklichen Kampf gegen das Elend und die Verzweiflung, die Le Pen nutzt. Arlette Leguiller von Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf) erreichte 6 Prozent oder 1,6 Millionen Stimmen.


Olivier Besancenot, ein junger Postangestellter und Kandidat der LCR (Revolutionäre Kommunistische Liga) bekam 4,3 Prozent oder 1,1 Millionen Stimmen. Während seines Wahlkampfes konnte er an die weit verbreitete antikapitalistische Einstellung der Bevölkerung anknüpfen.


Zusammen mit anderen kleineren linken Gruppierungen konnten revolutionäre sozialistische Kandidaten 11 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, also knapp 3 Millionen. Diese Wähler und jene die für die Grünen, die Kommunisten und die Sozialisten gestimmt haben, können für einen Kampf gegen Le Pen zusammengebracht werden.


Daneben wird es wichtig sein, dass die Linke jenen Menschen eine Hoffnung anbietet, die in Verzweiflung und Demoralisierung getrieben wurden. Das bedeutet mehr, als zu sagen, es gäbe keine Alternativen zu den schäbigen Politiken der Sozialisten und ihrer Koalitionäre. Hoffnung kann nur von einer Linken kommen, die einen wirklichen Kampf gegen die unsozialen Bedingungen führt und für Widerstand gegen den Kapitalismus eintritt.


Die Kommunistische Partei spielt eine Schlüsselrolle in Frankreich und ihr Vorsitzender Hue bekam bei der letzten Präsidentschaftswahl 9 Prozent. In den fünf Jahren in denen die Kommunisten an der Jospin-Regierung beteiligt waren, ist dieser Anteil zusammengeschrumpft. Am Sonntag hatte die Kommunistische Partei mit 3,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis. Die Grünen sind auch an der Regierung beteiligt und bekamen 5,3 Prozent.


Jospin wurde 1997 Premierminister. Zwei Jahre vorher hatte ein konservativer Premierminister einen großen Angriff auf den Sozialstaat gestartet. Millionen von Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst streikten und demonstrierten dagegen. Die Streiks schlugen die Angriffe teilweise zurück, verschoben die politische Stimmung in Frankreich stark nach links und schwächten damit die Regierung.


Jospin profitierte von diesem Stimmungswandel, weil die 97er Wahlen einen erdrutschartigen Sieg für die Sozialisten, Kommunisten und Grünen brachte. Viele Menschen hofften, dass die neue Regierung Veränderungen bewirken würde. Aber in den letzten Jahren sind diese Hoffnungen geschwunden.


Jospins zentrales Versprechen war, die Arbeitslosigkeit zu senken, indem er die 35-Stundenwoche einführen wollte, damit Unternehmen mehr Arbeiter einstellen müssten. Die Arbeitslosigkeit ist auch ein wenig gesunken. Aber mit 10 Prozent liegt sie immer noch sehr hoch. Viele Menschen leben in Armut und ohne Perspektive. Die neu geschaffenen Jobs sind oft zeitlich begrenzt und schlecht abgesichert.


Von Zeitarbeitsfirmen vermittelte Jobs haben zwischen 1998 und 2000 um 70 Prozent zugenommen. Und auch für Festangestellte wurde die 35-Stunden-Woche mit einer Flexibilisierung der Arbeit verbunden. Im letzten Jahr haben multinationale Unternehmen wie Michelin und Danone massenhaft Stellen abgebaut. Jospin und seine Regierung haben tatenlos zugesehen, wie Tausende Arbeiter entlassen wurden und ganze Städte verkamen.


Auch an anderen Stellen hat die Regierung die Hoffnungen ihrer Wähler enttäuscht. Obdachlosigkeit und schlechte Wohnbedingungen sind ein großes Problem in französischen Städten. Über 6 Millionen Franzosen leben unterhalb der offiziellen Armutsgrenze.


Jospin hat viele der Angriffe auf den Sozialstaat durchgedrückt, gegen die die Arbeiter 1995 gestreikt hatten, und das Gesundheits- und Sozialversicherungswesen sowie die Renten beschnitten. Jospin hat auch mehr staatliche Unternehmen privatisiert als die vorigen beiden konservativen Regierungen zusammen. Und der Kommunistische Verkehrsminister ist verantwortlich für große Privatisierungen, beispielsweise der Air France.

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