Was bringt die EU-Osterweiterung?

Im Mai treten zehn osteuropäische Länder der Europäischen Union bei. Linksruck sagt, wer profitiert und werverliert.

Stichwort: Europäische Union

Die EU-Osterweiterung dient den großen Konzernen. Das ist kein Zufall. Die ganze EU ist ein Projekt der Bosse.
Die Macht in der EU liegt bei der EU-Kommission. Dieser bürokratische Apparat wird nicht gewählt. Seine Spitze bilden 20 von den europäischen Regierungen ernannte Funktionäre.
Diese Leute stehen in engstem Kontakt zu den europäischen Konzernen. Zum Beispiel war der amtierende EU-Handelskommissar, der vom französischen Premierminister vorgeschlagene Pascal Lamy, vorher stellvertretender Vorsitzender der Großbank Credit Lyonnais.
Martin Bangemann, bis 1999 von Kohl eingesetzter EU-Industriekommissar, sitzt heute im Vorstand des spanischen Telekommunikationsriesen Telefonica.
Für die EU-Osterweiterung und die Beitrittskriterien ist EU-Kommissar Günther Verheugen von der deutschen SPD zuständig. Er folgt den Vorgaben von Kanzler Schröder.
Schröder schrieb nach einem gemeinsamen Gipfeltreffen zusammen mit dem britischen Premier Tony Blair und dem französischen Präsidenten Chirac einen offenen Brief an die übrigen EU-Mitglieder. Darin fordern sie eine "Agenda 2010 für Europa” und eine "unternehmensfreundliche Politik”. Deshalb fordern Schröder und seine Amtskollegen Einschnitte im Gesundheitswesen und Lockerungen der Tarifverträge.

Der Die Konzerne gewinnen…

Anlagemöglichkeiten zu Schleuderpreisen

Die neuen EU-Mitglieder wurden von der EU verpflichtet, bis zu ihrem EU-Beitritt Staatsunternehmen und den Öffentlichen Dienst zu privatisieren. Schwerpunkt sind dabei die Bereiche Stromerzeugung, Telekommunikation, Transportwesen, Öl- und Gasindustrie, Bergbau und Wasserversorgung.
Unter Zeitdruck haben die Regierungen der Beitrittsländer in den vergangenen Jahren deshalb Anlagen zu Schleuderpreisen an westliche Konzerne verkauft.
Führend in der privaten Wasserwirtschaft in Osteuropa ist Berlinwasser International (BWI), ein Konsortium aus dem deutschen Konzernen RWE und Allianz und dem französischen Konzern Vivendi.
Die Folgen der Privatisierung tragen die Menschen in Osteuropa. Zum einen durch Entlassungen, zum anderen durch Preiserhöhungen. In der Tschechischen Republik verdoppelte sich der Wasserpreis von 1994 bis 1997. Im Jahr 2000 wurden die Gebühren noch einmal um 40 Prozent erhöht – bei stagnierenden Löhnen.

Billiglöhne

In Polen, Tschechien und Ungarn sind 350.000 Arbeiter in deutschen Unternehmen beschäftigt. Allein der Siemens-Konzern unterhält mehr als 95 Tochtergesellschaften mit 25.000 Angestellten. Volkswagen übernahm 1991 den tschechischen Autohersteller Skoda.
Die Konzerne behaupten, die Öffnung der Beitrittsländer für westliche Investitionen helfe den Menschen in Osteuropa. Doch das ist nicht der Fall: In der Slowakei, vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) als "Investorenparadies” gerühmt, sind die Löhne ähnlich wie in anderen osteuropäischen Ländern in den letzten drei Jahren um jährlich 3,7 Prozent gefallen. Die slowakische Regierung setzt regelmäßig Polizei gegen Arbeiter ein, die für höhere Löhne streiken.

Steuergeschenke

Um ausländische Investoren anzuziehen, konkurrieren die EU-Beitrittsländer um die niedrigsten Steuersätze. Die Steuersätze für Unternehmen liegen in der Slowakei und Polen bei 19 Prozent, in Ungarn bei 16 Prozent. Mit den niedrigen Steuereinnahmen rechtfertigen die Regierungen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben.

Der … die Bevölkerung zahlt

Massenarbeitslosigkeit

Die von der EU verlangten Privatisierungen staatlicher Unternehmen führen fast immer zu Massenentlassungen. Um die privatisierten Firmen für ihre neuen Besitzer profitabel zu machen, rationalisieren diese regelmäßig tausende Stellen weg. 1990 lag die Arbeitslosenquote in Polen bei 6,5 Prozent – heute sind es 16,5 Prozent. In der Slowakei und Bulgarien liegt sie bei 17 Prozent.

Sozialabbau

Die Beitrittsländer werden von der EU zu drastischen sozialen Einschnitten gezwungen.
Das Mittel dafür sind die so genannten Beitrittskriterien. Diese Kriterien legen unter anderem fest, wie viel Geld ein Land für den Sozialstaat ausgeben darf. Betroffen sind dieselben Bereiche, die Schröder in Deutschland mit der Agenda 2010 angreift – die Rente, Arbeitslosenversicherung und Gesundheitswesen.
– Die tschechische Regierung senkte das Rentenniveau von 55,1 Prozent des Bruttolohns 1990 auf rund 40 Prozent jetzt. Arbeitslosenhilfe wird nur 9 Monate ausgezahlt.
– In Ungarn wurde die Rente auf 58 Prozent des Durchschnittslohns gesenkt und liegt damit nur knapp über dem Existenzminimum.
– Kürzlich beschloss die slowenische Regierung die Halbierung der Sozialhilfe von 2.900 und 1.450 Kronen – umgerechnet 35,80 Euro im Monat. Die Proteste dagegen waren so heftig, dass die Regierung 2.000 Soldaten schickte, um die Proteste zu ersticken.
– Die gesetzliche Gesundheitsvorsorge in den Beitrittsländern ist auf eine minimale Basisleistung reduziert worden. Zahnbehandlungen sind darin zum Beispiel nicht enthalten.
Der von der EU verordnete Sozialabbau in Osteuropa soll auch den Sozialabbau in den jetzigen EU-Staaten vorantreiben. Ein Papier der EU-Kommission nennt den weitgehenden Abbau von Sozialleistungen in Polen und der Tschechischen Republik "zukunftsweisend für die ganze EU”.

Aufrüstung

Die Zerschlagung der Sozialsysteme ist ein Weg für die Beitrittsländer, mehr Geld für das Militär freizustellen. Denn den Beitritt zur EU knüpfen die führenden EU-Staaten an einen Zwang zur Aufrüstung.
Polen, die Tschechische Republik und Ungarn mussten sich schon bei der NATO-Aufnahme verpflichten, Milliarden auszugeben, um ihr Militär auf NATO-Standard hochzurüsten. Allein letztes Jahr hat die polnische Regierung 48 Kampfflugzeuge, 690 Transportpanzer, 128 Kampfpanzer und 8 Transportflugzeuge bestellt. Gleichzeitig lebt ein Viertel der Polen unter dem Existenzminimum.

Lohndruck

Die Bosse benutzen die EU-Osterweiterung als Rammbock gegen die Tariflöhne. In der diesjährigen Metalltarifrunde drohte der deutsche Metallarbeitgeberverband Gesamtmetall mehrfach mit der Verlagerung von Produktionsstätten nach Osteuropa. Gleichzeitig wurde letztes Jahr slowakischen Arbeitern mit Fabrikschließung und Abzug ausländischen Kapitals gedroht, sollten sie höhere Löhne erkämpfen.
Nur durch gemeinsamen Kampf können sich Arbeiter in Ost und West dagegen wehren, dass die Bosse sie gegeneinander ausspielen.

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