DB: Unternehmen Abbau

Verstaatlichen – was sonst?

Die Wut über den Kahlschlag bei der Bahn ist riesig. Bundesweit protestierten vor einigen Wochen Bahnarbeiter – aufgebrachte Arbeiter in Köln riefen "Mehdorn raus".


Trotzdem ist Mehdorn fürs erste mit seinem Plan, 3,6 Mrd. im Personalbereich einzusparen, durchgekommen.


Das war nur möglich, weil sich die Führung der Eisenbahnergewerkschaft GdED durch ihre Unterstützung des Privatisierungskurses beide Hände auf den Rücken gefesselt hat. Wer auf der Grundlage von Mehdorns Profitlogik steht, kann schlecht gegen die unausweichlichen Folgen dieser Logik kämpfen.


Die Bahn soll öffentlichen Bedürfnissen dienen und gehört wieder verstaatlicht. Das Potential, diesen Kampf zu führen ist vorhanden. "Warum bleiben nicht einmal für einen halben Tag alle Züge stehen?", fragte ein Eisenbahner aus Glücksstadt, "Wenn wir die Wartungszentren für die ICE bestreiken oder die Züge zur EXPO, können wir unsere Macht demonstrierten!" Das ist die richtige Strategie für die kommenden Auseinandersetzungen.

Abbau mit Tradition

Die Bahnprivatisierung ist der traurige Höhepunkt einer Verkehrspolitik, die seit Jahrzehnten die Bahn bluten läßt. Seit 1945 sind 12.000 km Schiene stillgelegt und 6.000 Bahnhöfe geschlossen wurden. Parallel dazu wurden 94.000 km allein an Landes- und Bundesstraßen gebaut.


Dieses Verhältnis ist kein Zufall. An der Ausarbeitung der Verkehrspolitik sind maßgeblich die direkten Konkurrenten der Bahn beteiligt: Automobilkonzerne, Speditionen, Mineralölgesellschaften und die am Straßenbau verdienenden Baukonzerne.


Rund 240 solcher Unternehmen sitzen in einem gigantischen Lobbyverband namens "Verkehrsforum Bahn". Der Name täuscht. Fürsprecher der Bahn oder gar Bahngewerkschafter finden sich hier nicht.

Privatisierung

Hauptanliegen des "Verkehrsforums Bahn" war die Privatisierung der Bahn. Eine "Arbeitsgruppe Unternehmensstruktur der Deutschen Bahn" arbeitete für die Privatisierung ein Konzept aus. Mitglieder der Arbeitsgruppe: Wilhelm Bender, Vorstandschef von Schenker-Rhenus, Deutschlands größter Spedition und Klaus Liesen, Aufsichtsratsvorsitzender bei VW.


Es ist Ungeheuerlich: Eine kleine Gruppe von Bossen von der Bahnkonkurrenz erarbeitet Konzepte für die Bahnreform. Schlimmer noch – die Vorschläge des "Verkehrsforums Bahn" wurden von der CDU-Regierung auch noch übernommen und werden heute von Rot-Grün durchgedrückt!

Privatisierungen sind ein Kernstück der Politik von Rot-Grün. Gerhard Schröder ist fest davon überzeugt, daß der Markt die Gesellschaft effizienter regelt als der Staat. Die Privatisierung der Bahn ist der Gegenbeweis


Bei der Bahnprivatisierung wurde uns versprochen, daß die Bahn besser, sicherer und billiger wird. Das Gegenteil ist eingetreten.

Zu teuer, zu unpünktlich, zu unzuverlässig – die Bahn hat Probleme. Für "Bahnmodernisierer" wie Hartmut Mehdorn und Verkehrsminister Klimmt stehen die Schuldigen fest: Die "alte Behördenmentalität" der Mitarbeiter verhindere guten Kundenservice.


Das ist Quatsch. Nicht "Behördenmentalität" ist schuld am schlechteren Service, sondern der Abbau von 200.000 Arbeitsplätzen im Zuge der Privatisierung.


Die verbliebenen Mitarbeiter, die versuchen, den Betrieb aufrecht zu erhalten, werden für guten Service bestraft. Die Bahn hat an ihren Schaltern ein Prämiensystem eingeführt, daß nach individuellem Umsatz funktioniert.


Das heißt im Klartext: Wer sich Zeit nimmt und dem Kunden die billigste Verbindung heraussucht, bekommt keine Prämie, weil er weniger Umsatz macht! Besserer Kundenservice durch Privatisierung – ein schlechter Witz.

Sicherheit


"Die Bahn ist das sicherste Verkehrsmittel", sagt Mehdorn. Noch hat er Recht. Doch die furchtbaren Zugunglücke von Eschede und Brühl haben gezeigt, wie sehr die Sicherheit unter der Privatisierung leidet.


Der Untersuchungbericht über das Eschede-Unglück gibt die Schuld eindeutig den Sparmaßnahmen der Bahn. Ein nicht für Hochgeschwindigkeitverkehr geeigneter billiger Radreifen war gebrochen und hatte das Unglück verursacht. Dieser Radreifen war aus Kostengründen eingeführt worden.


Auch der Unfall in Brühl Anfang Februar, der neun Todesopfer forderte, hätte verhindert werden können. Gleismagneten zur Geschwindigkeitskontrolle hätten die Todesfahrt gestoppen. Eine bessere, also teurere, Signalanlage in Brühl hätte den Unglückszug ebenfalls sicher aus dem Bahnhof geleitet.


Vor der Privatisierung der Bahn war es üblich, daß junge Lokführer nur unter Überwachung eines erfahrenen Kollegen fahren dürfen. Der Führer des entgleisten Zuges fuhr allein – obwohl er nur drei Monaten auf seinen Job vorbereitet wurde. Nicht "menschliches Versagen", sondern die Kürzungen durch die Bahnbosse sind für die Toten verantwortlich.

Stillegung


Mehdorn behauptete, das Ziel der Bahnprivatisierung sei, "die Bahn zum besten Transportdienstleister für die Allgemeinheit zu machen". Doch die Allgemeinheit kann sich Reisen mit dem Zug kaum noch leisten.


Der Zwang, Gewinne zu machen, um profitabel zu sein, hat eine Fahrpreiserhöhung nach der nächsten gebracht. Eine Hin- und Rückfahrt von Hamburg von München kostet ohne Bahncard 536 DM und ist damit teurer als das Flugzeug. Bahnfahren nur für Reiche – das ist eine Konsequenz der Privatisierung.


Bahnfahren nur zwischen Großstädten eine andere: Die Bahn stößt alle Strecken ab, die nicht profitabel sind – vor allem Regionalstrecken.


Als Konsequenz stehen 12.000 km Schiene, etwa ein Viertel des gesamten Schienennetzes, vor der Stillegung. Jeder zweite Interregio soll wegfallen, in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sind sogar zwei Drittel des Schienennetzes von Stillegung bedroht. Worin beim Bahnkahlschlag der Dienst an der Allgemeinheit besteht, bleibt Mehdorns Geheimnis.

Straßen


Eine Subventionierung dieser Strecken durch den Staat wäre höchst sinnvoll. Allein die im Bundeshaushalt 1999 vorgesehenen 249 Mio. für das endlich beerdigte Wahnsinnsprojekt Transrapid hätten ausgereicht, das jetzt bedrohte Interregio-Angebot zu erhalten.


Doch Schröder und Mehdorn weigern sich. Die Bahn "könne nicht am Tropf des Staates hängen". Das Argument ist heuchlerisch: Während die Bahn blutet, stehen für die Subventionierung des Straßenverkehrs scheinbar unermeßliche Mittel zur Verfügung.


Der jetzt gültige Bundesverkehrswegeplan von 1992 sieht den Bau von 11.500 neuen Straßenkilometern innerhalb der nächsten 22 Jahre vor – Kostenpunkt 538,8 Mrd. DM. Jedes Jahr wird von Bund, Ländern und Kommunen rund 30 Mrd. für Straßen ausgegeben. Demgegenüber stehen 6,8 Mrd., die der Bund 1999 für die Schiene ausgab. Nicht das Geld ist das Problem, sondern die Prioritäten, die diese Regierung setzt.

Markt


Die Bahnprivatisierung ist ein offenkundiges Desaster für Bahnarbeiter und Kunden. Nichts hat sich zum besseren geändert, vieles zum schlechteren.


Trotzdem halten Schröder und Mehdorn an ihrer Privatisierungsstrategie fest. Der Grund: Der Glaube der Markt sei das beste Mittel, die Gesellschaft zu regeln, ist ein Eckpfeiler rot-grüner Ideologie.


Bei der Post, in den Unis – überall soll der Markt Einzug halten, mit dem Ergebnis, das Profite wichtiger sind als unsere Bedürfnisse. Die Lehren aus der Bahnprivatisierung ziehen heißt, gegen Privatisierung und Marktwahnsinn kämpfen – in jedem Bereich!

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