Kommentar: Schröders Flimmern

Das die Grünen in der Krise sind, wird von niemand bezweifelt.. Aber neu ist, daß die Presse langsam merkt, in welche Schwierigkeiten Schröder und die SPD hineinsteuern:

Die Meinungsumfragen im Spiegel vom Ende Juni bringen es schonungslos an den Tag: Die Wähler von Rot-Grün sind zutiefst enttäuscht von "ihrer" Regierung. Laut Allensbach freuen sich nur 21% über Schröders Reformen, und nur 15% sind mit der Steuerpolitik zufrieden

Laut Emnid bezichtigen 60% die Regierung der "Rentenlüge". Zwei Drittel der Deutschen halten den gesamten Wirtschaftskurs für falsch. Kurz: Viele Menschen erkennen, daß die Politik der Neue Mitte die "Alte Scheiße" ist: Kohl Politik in neuen Gewand.


Die Umfragen zeigen aber nicht nur eine Ablehnung der Neuen Mitte. Die Stimmung geht gegen den weltweiten Kapitalismus selbst. Eine Studie vom Bundesverbands deutscher Banken zeigt, daß 25% der Deutschen "ausschließlich Nachteile von der Globalisierung" erwarten.


Wer nur auf die Wirtschaftsdaten schaut, wird die Brisanz der Lage nicht verstehen und überrascht sein von den kommende Tumulten im rot-grünen Lager. Schröder selbst beschwerte sich zuletzt bei eine Präsidiumssitzung der SPD: "Der wirtschaftliche Aufschwung kommt bei den Leute nicht an".


Warum sollte er auch: Der Aufschwung von heute hat nicht die integrierende Wirkung des Nachkriegsbooms. Nirgends sind die Profitraten so hoch wie in den 50er und 60er Jahren. Damals hatten die Kapitalisten und Regierungen erheblich mehr Spielraum für Zugeständnisse, die auch die Integration der Gewerkschaftsführung in die Regierungspolitik ermöglichte.


Der relative Aufschwung heute findet vor dem Hintergrund einer Aufholjagd zwischen Europa und die USA statt. Um mit dem neun Jahren boomenden US-Kapitalismus aufzuschließen, versuchen Bosse und die Regierung massive Angriffe gegen die Bevölkerung durchzusetzen.


Das hat Konsequenzen für das Verhältnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften. .Wer nur auf die niedrigen Streikzahlen schaut, wird die enorme Reibungen im Zentralgefüge der Sozialdemokratie nicht verstehen.


Der "soziale Frieden’ zwischen den Arbeitgebern und der organisierten Arbeiterbewegung wird im Moment durch den politischen Einfluß der SPD Führung auf die Gewerkschaftsführung nur mühsam aufrecht gehalten


Die Süddeutsche schreibt: "Es wächst die Unruhe zwischen SPD und Gewerkschaften…Unterschiedliche Akzente in Tariffragen, Gerangel um Kürzungspläne im Etat. Streit um die Rentenpolitik und im Herbst vielleicht sogar Demonstrationen: Ein sozialdemokratischer Kanzler regiert, dessen Kernprogramm es ist…in Frieden mit der Wirtschaft zu leben. Eine Gewerkschaftsklientel steht ihm gegenüber, der zunehmend der Frust über die Regierungspolitik im Gesicht steht…Das alles wird zu einem ernsthaften Strategieproblem für die SPD."


Der Basis für Widerstand ist tief und breit in die SPD Wählerbasis. Und zwar nicht nur für Kämpfe gegen einzelne Teile der Regierungspolitik, sondern für eine komplett andere Politik. Die Spiegel schreibt: "Hinzu kommt, daß derzeit auch personell niemand in Sicht ist, der die Rolle des sozialstaatlichen Robin Hood glaubwürdig verkörpern könnte. ‘Mit dem Abgang von Oskar Lafontaine haben wir ein Problem bekommen’, räumt ein SPD-Mann gequält ein."


Es wird sicherlich linke Persönlichkeiten geben, die in Zukunft sporadisch die Hoffnungen der von der SPD enttäuschten Wähler verkörpern wird. Was wir aber brauchen ist eine politische Alternative. Diese muß nicht nur den Haß auf die Neue Mitte und die steigenden antikapitalistische Ressentiments verkörpern. Sie muß auch anstreben, die potentielle Macht der organisierte Arbeiterbewegung aus dem Griff der Neuen Mitte-Ideologie zu befreien, so daß diese Macht sich in eine prächtige Bewegung gegen das kapitalistische System entfalten kann.

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