Wie Konkurrenz zu Krieg wird

Ob im Irak, im Kosovo oder jetzt in Afghanistan – seit dem Zusammenbruch des Ostblocks versuchen die Herrscher der Welt ihre Ziele immer öfter mit Krieg zu erreichen. Vor allem die USA drängen mit immer mehr Gewalt auf die Kontrolle der ganzen Welt und ermorden dabei tausende von Menschen. Schon einmal führte die Konkurrenz großer Wirtschaftsmächte die Menschheit zur größten Katastrophe ihrer Geschichte.


Vom Stillschweigen zur Revolution


„Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft, steht bei einem Sieg des russischen Despotismus viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“ Das war die offizielle Erklärung der SPD am Tage der deutschen Kriegserklärung. Obwohl die stärkste Arbeiterpartei der Welt seit Jahrzehnten jeden Krieg ablehnte, schwenkte sie im entscheidenden Moment auf die Linie von Adel, Militär und Großindustrie ein.


Der Grund war, dass die SPD zwar noch offiziell sozialistisch war, in ihrer Politik den Kapitalismus aber längst akzeptiert hatte. Die Sozialdemokratie verteidigte das Wirtschaftssystem, das den Krieg aus der immer schärferen Konkurrenz zwischen immer größeren Wirtschaftsmächten nahezu zwingend hervorgebracht hatte. Deshalb konnte sie auch keine Alternative anbieten, als das große Massenmorden für die deutsche Wirtschaftskraft begann.


Trotzdem entwickelte sich mit den Jahren eine immer stärkere Bewegung gegen den Krieg. Bereits 1915 gab es die ersten Demonstrationen gegen den Krieg, weil ArbeiterInnen im ganzen Land Hunger litten. Als der Sozialist Karl Liebknecht verhaftet wurde, weil er am 1. Mai 1916 auf einer Anti-Kriegs-Demonstration sprechen wollten, streikten 55.000 Arbeiter in Solidarität mit ihm. Das Eingeständnis der Militärs im Sommer 1916, große Gebietsgewinne in Belgien, Nordfrankreich und Polen erreichen zu wollen, ließ die Ablehnung des Krieges ansteigen. Im April 1917 streikten 200.000 Metallarbeiter unter der Führung von Kriegsgegnern gegen eine Kürzung der Brotration.


Im Januar 1918 organisierten Betriebsräte Massenstreiks in mehreren großen Städten. Im November zwangen dann Streiks und Meutereien das Militär zur Beendigung des Krieges und den Kaiser zur Abdankung. Doch die Novemberrevolution war weit mehr als der Rückzug von den Schlachtfeldern, oder das Auswechseln der politischen Herrscher. Viele Menschen hatten verstanden, dass sie die Möglichkeit hatten, die mörderische Konkurrenz der Kapitalisten zu beenden. Ähnlich wie in der russischen Revolution 1917 übernahmen auch in fast allen großen Städten Deutschlands Arbeiter- und Soldatenräte die Macht, organisierten den Rückzug der Truppen oder ließen Lebensmittel an Hungernde verteilen.


Der mögliche Beginn einer sozialistischen Gesellschaft, die nicht durch die Profitinteressen einiger Weniger diktiert wird, überlebte aber nicht. Weil die revolutionären Organisationen zu schwach waren, konnte sich die SPD-Führung an die Spitze einer angeblich sozialistischen Regierung wählen lassen, und so den Kapitalismus erhalten.


Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Europa mit all den noch unabhängigen Ländern Afrikas, Asiens und des pazifischen Raums bereits eng verbunden. Die neue kapitalistische Produktionsweise industrialisierte Europa in rasendem Tempo.


Große technische Fortschritte waren damit verbunden. Sie führten zu einer schnellen Ausweitung der Handelsbeziehungen mit allen Teilen der Erde. Die Entwicklung der Dampfschiffe machte es möglich, den Handel schnell auf weit entfernte Teile der Welt auszudehnen, die früher Segelschiffe kaum erreichen konnten.


Damit die Industrie den weltweiten Handel gewinnbringend betreiben konnte, benötigte sie den Schutz der jeweiligen Nationalstaaten. So entsandte der französische König 1830 eine Flottenexpedition in den Hafen von Algier, um die zahlreichen Überfälle algerischer Piraten auf französische Handelsschiffe zu unterbinden.


Was als begrenztes Vorgehen gegen die Stützpunkte der Piraten geplant war, endete 1882 mit der Besetzung des gesamten algerischen Gebietes. Das war die einzige Möglichkeit, die Aufstände der Einheimischen gegen die französische Unterdrückung dauerhaft zu verhindern.


Im Falle Tunesiens wurde die französische Fremdherrschaft 1881 dadurch herbeigeführt, dass das Land den europäischen Banken die gewährten Kredite nicht mehr zurückzahlen konnte.


Als die ägyptische Regierung die Zahlungen an europäische Gläubiger 1878 wegen steigender Verschuldung einstellen musste, setzten Frankreich und Großbritannien eine Schuldenkommission ein, die fortan faktisch das Land regierte. Auch hier konnte die wirtschaftliche Kontrolle nur durch Krieg Großbritanniens gegen aufständische Ägypter erhalten werden.


Mit der Zeit stieß das wirtschaftliche Wachstum der Kolonialmächte an Grenzen. Etwa Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts begann die erste globale Stagnationskrise des Kapitalismus. Damit änderte sich die Kolonialpolitik der Industriestaaten.


War militärische Besetzung lange Zeit ein Mittel, um direkt Handelswege oder Rohstoffe zu sichern, so wurden jetzt zunehmend langfristige wirtschaftliche Pläne in militärische Überlegungen einbezogen.


Kolonien galten als Verhandlungsmasse für wirtschaftliche Konflikte unter den Kolonialmächten. Länder, die hunderte Kilometer von wichtigen Rohstoffquellen entfernt lagen, wurden besetzt, um jede denkbare Möglichkeit der Einmischung anderer Mächte auszuschließen.


Nicht zuletzt wurden Kolonien als militärische Stützpunkte für Kriege betrachtet. Denn die räumliche Ausdehnung europäischer und nordamerikanischer Konzerne fand ihre Grenzen: Neben Großbritannien und Frankreich hatten auch Spanien und Portugal sich in den Wettlauf eingeschaltet. Deutschland, Italien, die USA und sogar Belgien meldeten ihre Ansprüche an.


Von 1800 bis 1878 erwarben die europäischen Länder Kolonien im Umfang von knapp 17 Millionen Quadratkilometer. Bis zum 1. Weltkrieg kamen weitere 22 Millionen hinzu, so dass 1914 85 Prozent der Welt von europäischen Staaten besetzt waren.


Frankreich hatte es sich in Afrika zum Ziel gesetzt, ein zusammenhängendes Kolonialreich von Algerien bis zum Kongo und dem Sudan zu errichten. Das gefährdete die britischen Ziele, ein Reich von Kairo bis Kapstadt zu schaffen.


Schon 1898 standen beide Mächte im Sudan am Rande eines Krieges. Solche Krisen entstanden nun immer wieder. 1911 entsandte Deutschland ein Kanonenboot vor die marokkanische Küste, um Bank- und Eisenbahnkonzessionen zu verhindern, die Frankreich dem dortigen Sultan abpresste.


Aber mit solch begrenzten Mitteln waren gegen die mittlerweile hochgerüsteten Kolonialmächte keine wirtschaftlichen Erfolge mehr zu erzielen. Besonders die deutschen Herrscher mussten ihre Machtstellung in der Welt fundamental ausbauen, sollten Kolonien für deutsche Konzerne nutzbar werden.


Deshalb wurde der 1. Weltkrieg schon lange vor 1914 eingeleitet. Die deutsch-britische Flottenrivalität begann bereits im Jahr 1906. Nachdem der deutsche Flottenverein mit dem Geld der Schwerindustrie eine breit angelegte Agitation betrieben hatte, beschloss der Reichstag in diesem Jahr, die militärische Vormachtstellung Großbritanniens auf dem Meer zu brechen.


Die britische Regierung wollte jedoch weiterhin den „two powers standard“ halten, wonach ihre Flotte so groß sein musste, wie die der beiden nachfolgenden Seemächte zusammen. Als Großbritannien 1908 versuchte, Deutschland für eine beidseitige Reduzierung der Flottenrüstung zu gewinnen, antwortete der deutsche Kaiser: „Das Flottengesetz wird bis ins letzte Tüttelchen ausgeführt; ob es den Briten passt oder nicht, ist egal! Wollen sie den Krieg, so mögen sie ihn anfangen, wir fürchten ihn nicht.“


Als Russland im selben Jahr unter schärfstem Druck Deutschlands der Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn zustimmen musste, erklärte der russische Zar, dass der Zusammenstoß mit dem Germanentum in Zukunft unausweichlich sei, und dass man sich auf denselben vorbereiten müsse. Der große Krieg war beschlossene Sache – auf allen Seiten.


Aus einem nichtigen Anlass – der Ermordung des österreichischen Thronfolgers – trugen die Industriestaaten den Konflikt um die größten Rohstoffquellen, Absatzmärkte und Arbeitskräfte dann in den verschlammten Schützengräben Europas aus. Millionen Soldaten wurden in verminte Stacheldrahtbarrieren gejagt, ohne die geringste Überlebenschance zu haben.


Bei der alliierten Offensive an der Somme im Sommer 1916 starben 400.000 britische, 200.000 französische und 455.000 deutsche Soldaten für einen Geländegewinn der Alliierten von maximal 12 Kilometern auf einer Breite von 50 Kilometern.


Dieses Massenmorden nahmen die Kriegstreiber gern in Kauf, um ihre Profite zu sichern. Die kapitalistische Konkurrenz scheut sich nicht vor dem Krieg, sie setzt ihn für ihre Ziele ein. Diese Dynamik ist bis heute die selbe geblieben.

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