Kommentar: Die Linke nach dem Krieg

So rechneten drei aus den Grünen ausgetretene Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete
mit ihrer Regierung ab. Gestartet war sie mit einem Vertrauensplus
der Wähler. Der soziale Hoffnungsträger Lafontaine stand
an der Spitze der SPD und die Grünen hatten die Abschaffung
der NATO in ihr Programm geschrieben. Der Traum ist atemberaubend
schnell geplatzt.

Und nun? Andreas Nahles, ex Juso-Chefin und seit der Bundestagswahl
SPD-Bundestagsabgeordnete, meint, es gäbe gegen den Rechtskurs
nichts zu machen: "Minister und führende Fraktionspolitiker
sind in der Verantwortung gefragt. Wenn von dort nichts kommt,
gibt es keinen Kampf, denn zu führen es lohnt."

Alles, was wir tun können, ist zu warten, bis
die Politiker sich wehren und zu schreien, wenn Schröder
im Dienst der Bosse sie abschießt wie schon Lafontaine?

Die ehemaligen Grünen sehen die Regierung zwar
einem sozialen "Erwartungsdruck" ausgesetzt,
"im großen oder ganzen überwiegt aber die gesellschaftliche
Zustimmung für die moderatere Fortsetzung des neoliberalen
Projekts durch die `Neue Mitte`."

Der Ausgang der Europawahl widerlegt diese Behauptung.
Die britische und deutsche Sozialdemokratie, die die Ideen der
"Neuen Mitte" am deutlichsten vertreten, sind am stärksten
eingebrochen. Blairs New Labour erfuhr die größte Wahlniederlage
seit 1918.

In Deutschland blieben von 20 Mio. Wählern,
die im September 1998 Schröder wählten, fast 12 Mio.
den Wahlurnen fern. Die Freiburger Politologen Ulrich Eith und
Gerd Mielke stellen fest: "daß das Ausmaß
der Staatsorientierung in der SPD-Wählerschaft von 1998 wohl
weitaus größer ist, als es die Kanzlerbegeisterung
über die neue Mitte vermuten läßt."

Kein Wunder, wenn man sieht, was Eichel alles in
sein Sparpaket geschnürt hat. Das Handelsblatt schreibt mit
Freude: "Die Bonner Koalitionäre haben einen Kurs
eingeschlagen, der zum Teil tief in die Besitzstände ausgerechnet
jener Klientel eingreift, der die Sozialdemokraten vor wenigen
Monaten ihren Sieg bei der Bundestagswahl verdankten."

Also macht Schröder Politik gegen und nicht
für die Mehrheit der rot-grünen Wählerschaft.


Aktivität

Trotz ihrer manchmal pessimistischen Einschätzung der Lage
lehnen die Ex-Grünen, die sich in einer "Regenbogenfraktion"
organisiert haben, passives Warten auf führende Politiker
ab.

Das ist eine Konsequenz aus der Anti-Kriegs-Bewegung. Druck von
unten konnte den Krieg nicht stoppen – aber er brachte viele Kriegsbefürworter
in die Defensive. Fischer und Scharping wurden gezwungen, ihren
Auschwitz-Vergleich fallenzulassen.

Der Kampf gegen Eichels Sparpaket könnte Möglichkeiten
ein neues einheitliches Projekt bieten. Eine Kampagne für
eine große Protestkundgebung vor dem nächsten SPD-Parteitag
im Dezember könnte der Anfang sein, eine Opposition zum rot-grünen
Rechtsruck aufzubauen. Wenn sich die Anti-Kriegs-Linke an der
Unzufriedenheit orientiert, die in der Bevölkerung über
die rot-grünen Sparkommissare herrscht, wäre es möglich,
eine Opposition zur Ideologie der neue Mitte aufzubauen.

Die Regenbogenfraktion sucht eine ernsthafte Debatte
unter den Linken.

"Es ist die Auseinandersetzung um den Krieg,
die zu einer Neugruppierung der politischen Landschaft führen
wird."
Die Anti-Kriegs-Linke muß jetzt "die
Zäsur durch den Krieg und die Fortsetzung neoliberaler Politik
unter rot-grünen Vorzeichen gemeinsam verarbeiten".

Es gibt eine substantielle kritische Minderheit in Deutschland,
die nach dem Krieg bereit ist, genau das zu tun.


Gegen den Markt

Hier muß die Linke mit zwei Positionen brechen, die die
Erfahrung mit Rot-Grün als Illusionen entlarvt hat. Illusionen,
die bisher im linksreformistischen Milieu verbreitet waren. Die
Regenbogenfraktion schreibt: "Die Linke steht vor der
Aufgabe, die elementaren Voraussetzungen für reformistische
Politik zu rekonstruieren. Es geht um nichts anderes, als den
Zusammenhang von autonomen Bewegungen, sozialen Konflikten und
institutioneller Politik wiederzubeleben."

Erfreulich ist die Orientierung auf die Verbindung
von außerparlamentarischen Bewegungen. Aber was heißt
"institutionelle Politik?".

Das ist eine Ansatz, die Doppelstrategie wieder ins
Leben zu rufen: Außerparlamentarischer Druck, um in den
Institutionen weiterzukommen. Das haben wir schon gehabt – das
Ergebnis sind Schröder und Fischer.

Die Institutionen, in die die Linke ihr Hoffnung
setzte: Die Regierung, die EU oder die UNO haben alle zutiefst
enttäuscht. Für Linksruck sind Bewegungen nicht nur
eine Begleitung des institutionellen Geschehens, sondern ein Ort,
wo eine neue Gegenmacht, wo neue demokratische Strukturen aufgebaut
werden können.

Der Krieg hat die Brutalität des Kapitalismus
gezeigt.

Er hat aber auch den Bankrott des Parlamentarismus
verdeutlicht. Nicht nur das Tempo, in dem es eine Generation von
„68er nach rechts zieht. Sondern vor allem die Unmöglichkeit,
über das Parlament den Markt zu zähmen, ihn so zu regulieren,
daß die Menschen ein Leben ohne soziale Ängste und
Misere führen können.

Die Krisenhaftigkeit des Systems heißt, daß
die Spielräume, innerhalb des Systems etwas zu ändern,
immer enger werden. Für Reformen müssen wir bereit sein,
auch die Logik des Systems und den Markt in Frage zu stellen.Die
Kompromißlosigkeit gegenüber dem Krieg muß zu
einer Kompromißlosigkeit gegen über dem Markt werden.
Die Orientierung auf einen Kampf von unten kann beides beseitigen.

Wir freuen uns auf eine Zusammenarbeit mit allen, die in gemeinsamer
Aktivität die Debatte darüber aufnehmen wollen.

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