NMD: Kalter Krieg in Neuauflage

Ein neues atomares Wettrüsten steht bevor, angeheizt durch Bushs Raketenabwehrschild NMD. Die Welt wird ein immer gefährlicherer Ort.

Mit dem Ende des Kalten Kriegs versprachen uns Politiker und Ideologen eine neue Ära des Friedens und des Wohlstands. Gerade mal zehn Jahre später gab der neugewählte amerikanische Präsident George W. Bush grünes Licht für den Raketenabwehrschild NMD.


Die begrenzte Stabilität im Kalten Krieg gründete sich auf dem System der gegenseitigen Abschreckung der beiden Supermächte USA und UdSSR. Keine der Supermächte konnte sicher sein, dass wenn sie einen atomaren Krieg beginnen würde, sie auch dessen Ende erleben würde.


Aber wenn eine Seite eine Möglichkeit fände, die Raketen der anderen Seite abzufangen, würde das militärische Gleichgewicht in sich zusammenfallen. Diese Gefahr führte 1972 zu den Verhandlungen über den ABM-Vertrags. Seit die UdSSR als Bedrohung für die USA von der politischen Landkarte verschwunden ist, legt der ABM-Vertrag zumindest einige Regeln fest, die alle Atommächte bisher befolgt haben.


NMD wird diesen Vertrag in Stücke reißen. Bush begründet das mit der Bedrohung durch „Schurkenstaaten“. Dieser Begriff ist mißverständlich, da der Irak beispielsweise solch ein Schurkenstaat ist, während Israel als Verbündeter behandelt wird.


Manche dieser „Schurkenstaaten“ verfügen über biologische, chemische oder nukleare Waffen. Wenn sie die Technik erwerben sollten, um diese Waffen auf amerikanisches Gebiet abzufeuern, würde das die Fähigkeit der USA einschränken, im Sinne der US-Multis weltweit militärisch einzugreifen.


Andere Nuklearmächte werden auf den Abwehrschild mit einer Verbesserung ihres Raketenarsenals reagieren. Sie werden mehr und ausgereiftere Raketen bauen.


Viele der Schurkenstaaten werden im Rüstungswettlauf nicht mithalten können. Aber was ist mit China?


China verfügt nur über ein paar Dutzend nukleare Langstreckenraketen, die einige Stunden lang auf ihren Abschuss vorbereitet werden müssen. In einer Kriegssituation könnten einige vor ihrem Start vernichtet werden, den Rest könnte der Schild abfangen.


Die Einführung von NMD würde China zwingen, sein Raketenarsenal aufzustocken und zu modernisieren. Das würde die politischen Spannungen in der Region erhöhen. Chinas Hauptrivale in Asien ist Indien, und Indien ist bereits eine Atommacht. Ein Aufrüsten seitens Indiens würde wiederum Pakistan in den Strudel ziehen.


Das ist der Anfang einer Rüstungsspirale, der wahrscheinlicher Ausgang ist, dass das Gleichgewicht der militärischen Kräfte aus der Balance gerät. Der deutsche Außenminister Fischer hat NMD trotzdem als „nationale Entscheidung Amerikas“ bezeichnet.


Neben dem Wettlauf um das modernste Raketensystem, wird es noch das Wettrüsten um die Abwehrschilder geben. Einige europäische Mächte, einschließlich Deutschlands, unterstützen bereits ein System namens TMD. Es soll Kurz- und Mittelstreckenraketen abzufangen.


Beteiligt an Entwicklung und Produktion von TMD ist das europäische Rüstungskonsortium EADS – European Aeronautic Defence and Space Company. Das Konsortium umfasst Konzerne wie Airbus, die DaimlerChrysler Aerospace AG oder den französischen Konzern Aerospatiale Matra SA.


EADS entsprang 1999 dem Bestreben der europäischen Hauptmächte Frankreich und Deutschland, rüstungstechnisch unabhängig von den USA zu werden. EADS gehört weltweit zu den drei größten Rüstungskonzernen.


Durch die Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA bei TMD entsteht eine global konkurrenzfähige europäische Raketenindustrie. Ein Markt, der bisher vor allem von Lockheed Martin und Raytheon beherrscht wurde.


Die Ära des Kalten Kriegs war eine Zeit, in der Millionen Menschen täglich damit rechnen mussten, ausgelöscht zu werden. Menschen auf der ganzen Welt haben sich damals gegen diese Gefahr gewehrt.


Sie begannen als kleine Grüppchen, und wurden zu Millionen. Viele von ihnen zogen die Verbindung zwischen militärischer und wirtschaftlicher Macht.


NMD läutet wahrscheinlich die bisher gefährlichste Phase des nuklearen Wettrüstens ein. Jetzt braucht es eine neue Bewegung, die sowohl NMD als auch die verrückte Logik des Systems angreift, das es hervorgebracht hat.

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