Debatten für eine neue Linke: Irak – Widerstand ist legitim

Aufgabe für Kriegsgegner weltweit ist die Unterstützung des irakischen Widerstandes gegen die Besatzung argumentiert Joachim Guilliard.


Vom Autor erschien soeben: Göbel/Guilliard/Schiffmann (Hg.): Der Irak – Krieg, Besetzung, Widerstand (Köln, PapyRossa Verlag, 2003), 15,80 €, ISBN 3-89438-270-8.

In Teilen der deutschen Medien läuft eine regelrechte Kampagne, "um den US-Kolonialkrieg gegen den Irak" zu unterstützen und die europäischen Regierungen unter Druck zu setzen, die sich dem "amerikanischen Völkerrechtsverbrechen (noch) verweigern", schreibt Jürgen Rose, kriegskritischer Oberstleutnant der Bundeswehr, in der Wochenzeitung Freitag vom 19.12.2003. Nach allen Regeln der "psychologischen Kriegführung" werde versucht, dem gutgläubigen Publikum weiszumachen, dass bei einem Scheitern der Besatzungsmacht im Irak ein Alptraum aus Bürgerkrieg, Diktatur und der Ausbreitung islamistischen Terrors drohe, der auch für Europa gefährlich wäre.

Auch viele Kritiker der angloamerikanischen Kriegspolitik übernehmen weitgehend die Charakterisierung des irakischen Widerstands durch die Besatzungsmächte und reden undifferenziert von "marodierenden Banden", "Freischärlern" und "Terroristen". Nicht wenige stellen sich angesichts einer noch recht diffusen Widerstandsbewegung lieber hinter die Besatzungsmächte. So streitet der DFG-VK-Sprecher Jürgen Grässlin in einem Interview mit der jungen Welt den Irakern das Recht auf militärische Selbstverteidigung generell ab, "da die USA vorgeben, nunmehr den Übergang zu einer vom irakischen Volk gewählten Regierung leisten zu wollen."
Unabhängig aber davon, was die "USA vorgeben" zu tun, besteht kein Zweifel daran, dass für die Iraker der Alptraum längst Realität ist und es die Maßnahmen der Besatzungsmächte sind, durch die dem Land Bürgerkrieg und Diktatur drohen. Während die Lebensbedingungen noch katastrophaler sind, als sie aufgrund des Embargos schon vor dem Krieg waren, hat der Ausverkauf des Landes längst begonnen (siehe hierzu z.B. meine bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) erschienene Studie, "Irak – die neue Phase des Krieges" unter www.imi-online.de). Nicht die irakische Souveränität steht auf dem Plan der USA, sondern ein US-höriges Kolonialregime mit irakischem Gesicht.
Dem stellen sich immer mehr Irakerinnen und Iraker entgegen: durch schlichte Verweigerung der Zusammenarbeit, über Protestaktionen und Streiks bis hin zur Sabotage und bewaffneten Aktionen gegen die Invasoren. Nicht ohne Erfolg: wie die Washington Post zum Jahresende vermeldete, sah sich die Besatzungsbehörde aus Furcht vor einer Ausweitung der Kämpfe gezwungen, eine Reihe fest geplanter Maßnahmen, wie den Verkauf diverser staatlicher Unternehmen und Umstellungen bei Lebensmittelsubventionen, vorerst auf Eis zulegen.
Auch wenn die Widerstandsbewegung nicht einheitlich ist, ist es sicherlich nicht Sache der deutschen Friedensbewegung, darüber zu urteilen, wie die Iraker ihren Kampf um Unabhängigkeit zuführen haben. Der irakische Widerstand ist in seiner ganzen Breite selbstverständlich so legitim, wie es der jugoslawische und griechische gegen die deutsche Besatzung oder die antikolonialen Kämpfe waren – auch wenn, sowenig wie damals, jede Aktion gerechtfertigt werden kann.
Die weitere Entwicklung des zivilen wie militärischen Widerstands im Irak wird nicht nur entscheidend für die Zukunft des Landes selbst sein. Sie wird einen wesentlichen Einfluss darauf haben, in welchem Maß die USA ihre aggressiven Pläne gegenüber anderen Ländern weiter verfolgen können. Die politische Unterstützung dieses Widerstands, vor allem durch die Verteidigung seiner Legitimität, ist daher zu einer unmittelbaren Aufgabe der Antikriegsbewegung geworden.
Angesichts einer deutschen Politik, die den Ausverkauf des Iraks nicht kritisiert, sondern nur eine angemessene Beteiligung fordert, besteht unsere Aufgabe vor allem darin, das wahre Gesicht des bis heute anhaltenden Krieges aufzuzeigen und für ein Ende der deutschen und europäischen Unterstützung der US-amerikanischen Kolonialpolitik einzutreten.
Eine Möglichkeit bietet die Beteiligung an den internationalen Irak-Tribunalen "von unten". Eine weitere Gelegenheit wird der internationale Aktionstag gegen die Besatzung am 20. März sein, dem leider durch die Festsetzung eines europäischen Aktionstages gegen Sozialabbau zwei Wochen später, viel Gewicht genommen wurde.

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