Interview: „Die US-Truppen müssen abziehen“

Während im Irak die US-Armee jeden Tag Zivilisten tötet und neue Meldungen über tote US-Soldatenkommen, bröckelt die Unterstützung in den USA für Präsident George W. Bush immer stärker. Linksruck
sprach mit Gretchen Klotz über die amerikanische Friedensbewegung. Das Interview führte Monika Krala.

Am 25. Oktober haben in Washington und San Francisco 115.000 Menschen gegen die US-Besatzung des Irak protestiert. Was fordern die Demonstranten?

Im Irak sind 130.000 US-Soldaten von denen jeden Tag welche getötet werden. Die Stimmung unter den Soldaten wird immer schlechter. Sie wollen nach Hause. Ihre Familien wollen, dass sie nach Hause kommen und auch die Iraker wollen, dass die Truppen wieder nach Hause gehen. Nur die US-Regierung will, dass sie im Irak bleiben. Wir fordern, die Truppen abzuziehen. Immer mehr Amerikaner wollen dasselbe.

Manche Politiker sagen, die Truppen könnten nicht abgezogen werden, weil der Irak sonst im Chaos versinken würde. Stimm das?

Schon heute herrscht Chaos im Irak, dass durch den Krieg und die nachfolgende Besatzung geschaffen wurde. Die Iraker kämpfen gegen die Besatzung. Wenn die US-Truppen abziehen, werden diese Kämpfe aufhören. Wahrscheinlich würde das Chaos eher abnehmen als zunehmen.
So lange die US-Armee bleibt, werden die Probleme im Irak nicht gelöst werden. Ich denke, es gibt nur eine Möglichkeit, das Chaos was die USA mit ihrem Krieg geschaffen haben, zu beenden: Die Iraker müssen selbst über ihr Land bestimmen. Sicher wird es Auseinandersetzungen zwischen den verschienen Gruppen in Irak geben. Diese könnten auch gewaltsam werden. Aber wer will behaupten, es sei jetzt friedlich? Die UNO wird als Handlanger der USA betrachtet, und sie wird deshalb auch nicht die Probleme lösen können. Nur wenn eine selbstständige irakische Regierung um die Hilfe der UNO bittet, hat es Sinn, UNO-Truppen dorthin zu schicken.

Glaubst du, die Iraker würden Demokratie einführen?

Schon in den 40ern und 50ern hat es demokratische Bewegungen im Irak gegeben. Die USA haben diese Bewegungen aber zerstört und Diktatoren unterstützt, die gegen angebliche Kommunisten kämpften. Damit wurden Interessen internationaler Konzerne vertreten, welche die Verstaatlichung des Öls verhindern und den Zugang zum Öl kontrollieren wollten. Auch der Erfolg der islamischen Fundamentalisten wurde durch die US-Intervention im Nahen Osten vorangetrieben, da auch sie für den Kampf gegen Kommunisten mit Geld und Waffen unterstützt wurden.
Ob die Iraker Demokratie einführen wollen? Im Augenblick sieht es nicht aus, dass irgendwelche demokratischen Gruppen viel Einfluss haben. Demokratie wird im Irak automatisch mit den USA und mit der Besatzung gleichgesetzt. Wer will diese Demokratie haben?

Laut Umfragen wird Präsident Bush in den USA immer unbeliebter. Warum?

Die Propagandamaschine der Regierung ist zwar sehr stark. Aber seit Bush den Krieg im Mai für beendet erklärt hat, das Töten aber nicht aufhört und immer teuerer wird, werden einige Medien immer kritischer.
Die Besatzung ist sehr teuer: Gerade hat das Parlament zusätzlich 87 Milliarden US-Dollar (74 Milliarden Euro, die Redaktion) bewilligt. Damals behauptete die Regierung, der Krieg wäre nach sechs Wochen vorbei, die Soldaten dürften zurückkehren und die Iraker würden sich auf ihre Befreiung freuen.
Doch der Krieg geht immer weiter. Jeden Tag lesen Amerikaner, dass US-Soldaten gestorben sind, und die US-Amerikaner müssen dafür bezahlen. Gleichzeitig bleibt in den USA durch die Besatzung weniger Geld für Verkehr, Schulen, Gesundheit und andere wichtige Dinge. Die meisten US-Amerikaner leiden darunter. Bush hat zwar Steuern gesenkt, aber nur für Reiche. In den USA profitiert nur eine kleine Minderheit von den Plänen Bushs, ein militärisch gesichertes Weltreich zu schaffen – nämlich die Rüstungsindustrie und ihre Anhänger. Die Armen werden ärmer. Nur die 5 Prozent Reichsten werden immer reicher.

Die Medien sprechen immer öfter vom "Vietnamsyndrom". Du warst schon in den 70ern gegen den US-Krieg in Vietnam auf der Straße. Verlaufen die Kriege damals und heute ähnlich?

Wenn die US-Armee den Widerstand der Iraker nicht brechen kann, und vor allem wenn immer mehr US-Soldaten sich weigern in den Krieg zu ziehen, dann ist es möglich, dass die US-Armee sich zurückziehen muss, wie damals aus Vietnam.
Zurzeit versucht die US-Regierung, die UNO als Deckmantel zu benutzen, damit nicht nur US-Soldaten zur Zielscheibe werden, sondern auch andere. Ich bezweifle trotzdem, dass der Widerstand aufhört, denn die Iraker werden keine Besatzungsarmee wollen, egal wo sie herkommt.
Dass jetzt so viele Staaten den USA Geld für die Besatzung geben – auch Deutschland zahlt dafür – ist schlecht, weil es der Bush-Regierung Luft verschafft. Das wird den Krieg verlängern.

Du nimmst auch an den Protesten gegen die Amerikanische Freihandelszone FTAA teil. Worum geht es dabei?

Neo-konservative Strategen, welche die Ziele der Bush-Regierung bestimmen, haben ihren Plan für das US-Weltreich "Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert" genannt. Es geht darum, die ganze Welt dem Diktat der USA und ihrer Konzerne zu unterwerfen. Dieses Ziel wird mit Kriegen gesichert. Die Regierung hat den Krieg auch geführt, um allen zu zeigen, dass die USA die Welt kontrolliert und es allen die dagegen sind, so ergehen wird, wie den Irakern.
Der Krieg ist somit ein Teil des Plans, ein Weltreich der USA zu schaffen. Kontrolle über Märkte und Handel ist ein anderer Teil. Die FTAA ist eine "Freihandelszone" (die Nord- und Südamerika umfasst), die den Einfluss der Konzerne sichern soll, während die Mehrheit der Weltbevölkerung für die Profite der Konzerne leiden müssen. Der Protest gegen die FTAA und andere Welthandelsorganisationen ist, so wie der Protest gegen Krieg, eine wichtige Station im Kampf gegen den Weltmachtwahn der US-Regierung.Gretchen Klotz ist in den USA gegen den Krieg aktiv – wie schon 1968. Sie war mit Rudi Dutschke verheiratet, der ein 1968 ein bekannter Aktivist in Deutsachland war.

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