Kampffähig werden gegen das Profitdiktat

Betriebsversammlungen organisieren und Debatten anstoßen – so geht es jetzt weiter gegen "Agenda 2010". Das meint Matthias Fritz, IG Metall-Vertrauensmann beim Autozulieferer Mahle in Stuttgart. Seine Rede vom Protest beim SPD-Sonderparteitag druckt Linksruck hier auszugsweise.


Matthias Fritz meint, die Kollegen in den Betrieben müssen Schritt für Schritt für Widerstand gewinnen werden

Kanzler Schröder behauptet, dass mit den Hartz-Gesetzen und der "Agenda 2010" Arbeitsplätze geschaffen werden. Seine Maßnahmen lassen sich in zwei Kategorien unterscheiden.
Einerseits werden die Arbeitslosen gequält, entrechtet und ihr Lebensunterhalt zusammengestrichen. Sie werden in Armut gestoßen. Das bringt keinen einzigen Arbeitsplatz.
Andererseits werden den Unternehmen Steuergeschenke gemacht. Arbeitgeber werden bei den so genannten Lohnnebenkosten auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung entlastet. Unternehmen bekommen Erleichterungen bei der Entlassung von Beschäftigten.
Diese Politik hat nirgendwo auf der Welt zu mehr Arbeitsplätzen geführt. Und Herr Schröder sollte das eigentlich wissen. Vor fünf Jahren wurden er und viele andere Sozialdemokraten in Europa gewählt, weil diese Politik gescheitert war.
Deshalb wäre es die Pflicht aller Gewerkschafter, heute dagegen zu mobilisieren. Selbst wenn diese Mobilisierung nicht so einfach ist, wie wir es gerne hätten.
Millionen Kollegen haben in dem Glauben gelebt, dass mit der Wahl der SPD genau diese Politik zu verhindern ist. Es braucht Zeit, sich von solchen Erwartungen zu verabschieden. Die Kundgebungen vorletzte Woche (siehe Seite 4) waren ein hoffnungsvoller Auftakt. Man konnte auch sehen, wo die Mobilisierungen boykottiert worden sind.
Jetzt müssen wir an diesen Schwachpunkten ansetzen, die Aktionen weiter vorantreiben und betriebliche Proteste vorbereiten, damit auch die Profiteure der "Agenda" getroffen werden. Wir müssen als Gewerkschaften fähig werden, Kampfmaßnahmen zu organisieren.
Wer das Wort vom politischen Streik oder Generalstreik in den Mund nimmt, muss auch wissen, wie dieser vorbereitet werden kann. Es wird nicht reichen, dass die Gewerkschaftsführer Sommer, Zwickel und Bsirske davon sprechen. Zu oft – und jetzt erneut – haben sie mit der Kampfbereitschaft der Leute gedroht – und sie letztlich missbraucht.
Wir brauchen Aktionen, in denen die Kollegen sehen, dass sie eine Kraft sind und dass sie was erreichen können – mit oder ohne Billigung des Vorstands. Das ist der Weg, einen politischen Massenstreik vorzubereiten. In diese Richtung müssen wir weiter arbeiten.
Beim 140-jährigen Jubiläum der SPD hat Schröder behauptet, seine "Agenda" stünde in einer Reihe mit historischen Erfolgen der Sozialdemokratie, mit dem Acht-Stunden-Tag und der Erkämpfung des allgemeinen Wahlrechts.
Das ist ziemlich unverfroren. Er organisiert den Abbruch der sozialen Errungenschaften der Arbeiterbewegung und stellt ihn in eine Reihe mit diesen historischen Erfolgen. Seinen Parteimitgliedern stellt Schröder das Ultimatum – ihn zu unterstützen oder die Regierung zu verlassen.
Ich denke, die Alternative sieht anders aus: Die SPD muss sich entscheiden – mit den Gewerkschaften in der Tradition der Arbeiterbewegung oder mit Schröder und den Arbeitgeberverbänden.
Was die historischen Erfolge der deutschen Arbeiterbewegung angeht: Schröder hat kein Recht, die Erkämpfung des Wahlrechts für sich zu reklamieren. Er missbraucht gerade den Auftrag, den er bei seiner Wahl erhalten hat.
Er hat auch kein Recht, den Acht-Stunden-Tag für sich zu beanspruchen. Gerade kämpfen die IG Metall-Kollegen in Sachsen und Brandenburg für die Arbeitszeitverkürzung. Wir sind solidarisch mit diesen Kollegen. Aus der SPD oder gar von Seiten der Regierung erhalten sie jedoch keine Unterstützung.
Kolleginnen und Kollegen, es gibt viel zu tun. Es wird nicht einfach. Aber wenn wir nicht einen Nackenschlag nach dem anderen von der Regierung und den Unternehmern erdulden wollen, wenn wir nicht bei zahnlosen Protesten und lauwarmer Kritik der Gewerkschaftsspitzen bleiben wollen, dann müssen wir uns und unseren Kollegen eine Zukunftsperspektive vermitteln.
Organisiert weiter Proteste gegen die "Agenda" und alles was noch kommen wird – im Betrieb und vor Ort mit den Sozialforen. In Stuttgart erstellen wir bereits einen Aufruf. Wir brauchen entsprechende Verbindungen und Vernetzungen.
Wir brauchen aber noch mehr. Wir brauchen eine Politik, die sich nicht den Bedürfnissen des Kapitals unterordnet, weder als Verteidigung des Standorts Deutschland, noch als Co-Management in den Betrieben.
Wenn wir die sozialen Errungenschaften von gestern heute verteidigen wollen, müssen wir das Profitdiktat der Unternehmer hinterfragen. Das heißt zum Beispiel, dass Betriebe, die entlassen, unter Kontrolle der Belegschaft gestellt werden müssen. Die Bilanzen müssen offen gelegt werden.
Es ist völlig klar, dass sich eine solche Politik nicht nur auf einen Betrieb oder ein Land beschränken darf – sie muss von Anfang an international sein. Wenn wir eine solche Strategie entwickeln und zugleich zeigen, dass damit die Gewerkschaften kampffähiger werden, dann können wir eine neue Orientierung dauerhaft durchsetzen und die Leute ablösen, die uns heute in passive Anpassung führen.
So werden wir eine politische Alternative aufbauen zu Schröder und zur SPD. Wir werden die positiven Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung fortsetzen – nicht sie. Wir stehen für die Zukunft – nicht sie.

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