Der Weg zum Frieden in Nahost

Kaum eine Frage ist in der Linken so umstritten wie die Haltung zum Nahostkonflikt. Dazu eine Stellungnahme von Linksruck.

Die Darstellungen, die den Konflikt zwischen Juden und Muslimen im Nahen Osten als unüberbrückbar und „ewig während“ beschreiben, sind falsch. Im Gegenteil. Die Verfolgung der Juden im Namen des Christentums seit dem Spätmittelalter hat nie ein vergleichbares Gegenstück in der islamischen Welt des Orients gehabt. Zwar gab es im Verlauf eines über 1300-jährigen Zusammenlebens auch Spannungen in den Beziehungen zwischen Muslimen und Juden. Aber es gab nicht die lange Geschichte der Verfolgung, die wir im christlichen Europa seit den Kreuzzügen finden.

Der im 19. Jahrhundert parallel zum modernen Industriekapitalismus aufkommende rassistisch begründete Antisemitismus konnte an diese lange Geschichte religiös begründeter Pogrome, von Unterdrückung und Vertreibung der Juden anknüpfen. In Reaktion darauf entstand Ende des 19. Jahrhunderts die Bewegung zur Gründung eines jüdischen Nationalstaates, von deren Gründern auch Zionismus genannt. In den ersten fünfzig Jahren der zionistischen Bewegung bis 1930 folgten nicht mehr als etwa 120.000 Juden dem Ruf, in Palästina zu siedeln. Das waren viel zu wenig Menschen, um dort einen rein jüdischen Nationalstaat zu errichten. Die Verfolgung der Juden durch die Nazis und ihre barbarischen Verbrechen veränderten die Lage grundlegend. Zwischen 1931 und 1946 waren es mehr als ein halbe Million, die dem Holocaust entkamen oder überlebten. Viele von ihnen flohen nicht aus zionistischer Überzeugung nach Palästina. Vielmehr war bevorzugtes Ziel der Mehrheit emigrierender Juden aus Europa nach wie vor die USA. Aber die Türen blieben dort für viele verschlossen. In einer Welt, in der viele Juden von keinem Staat Unterstützung gegen die Vernichtungsmaschine der Nazis fanden, sahen viele in der Emigration nach Palästina den einzigen Ausweg und eine neue Hoffnung.

Doch anstatt den Frieden zu finden, wurden sie im Nahen Osten in einen scharfen Konflikt mit der angestammten arabischen Bevölkerung gebracht. Denn das zionistische Siedlungsprojekt schloss von vornherein eine Durchmischung mit Muslimen aus. Stattdessen zielte es auf deren Verdrängung, um einen rein jüdischen Nationalstaat zu etablieren. Organisationen des Zionismus kauften arabischen Großgrundbesitzern so viel Land wie möglich ab. Die darauf lebenden kleinen Pächter, Arbeiter und Nomaden wurden gezwungen, das Land zu verlassen. 1948 verübten zionistische Milizen Massaker unter palästinensischen Dorfbewohnern – das größte und brutalste in Deir Yassin – und lösten so e ine Fluchtwelle aus. 750.000 Palästinenser verließen panikartig ihre Heimat. So gerieten die jüdischen Siedler, ganz gleich warum sie ihre Heimat verließen, unvermeidlich in Konflikt mit den arabischen Bewohnern des Landes.

Die jüdische Besiedlung Palästinas nahm die Form einer gewaltsamen Kolonisierung an. Sie stand dabei in einem widersprüchlichen Verhältnis zur britischen Kolonialmacht, die seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches das Gebiet kontrollierte. Die erste palästinensische Intifada in den Jahren 1936 bis 1939 wurde von der britischen Armee im Bündnis mit zionistischen Milizen niedergeworfen. Vor dem so genannten Peel-Untersuchungsausschuss, der sich mit den dabei angewandten gewaltsamen Methoden beschäftigte, erklärte Winston Churchill zur Vertreibung der Palästinenser durch die zionistischen Siedler:

„Ich bin nicht der Meinung, dass der Hund am Futtertrog das unwiderrufliche Recht auf den Futtertrog hat, auch wenn er dort schon sehr lange liegt. Ich räume ihm dieses Recht nicht ein. Ich räume zum Beispiel auch nicht ein, dass den nordamerikanischen Indianern oder den Schwarzen in Australien großes Unrecht widerfahren ist. Ich räume nicht ein, dass diesen Menschen Unrecht widerfahren ist, weil eine stärkere Rasse, eine höherrangige, eine weltgewandtere Rasse, um es so zu formulieren, gekommen und ihre Stelle getreten ist.“

Indessen waren die Interessen des britischen Imperialismus und der zionistischen Siedler keineswegs deckungsgleich. Als die Möglichkeit zur Bildung eines eigenen Staates unter dem Namen Israel nach dem Zweiten Weltkrieg in greifbare Nähe rückte, entluden sich die Spannungen. Während die britische Armee die jüdische Zuwanderung zu blockieren versuchte, ging die zionistische Bewegung in Palästina zu einer Terrorkampagne über, die sich auch gegen die britische Bestatzungsmacht richtete. Bei dem von einer zionistischen Miliz im Sommer 1946 auf das King David Hotel in Jerusalem verübten Bombenanschlag kamen nach offiziellen Angaben 91 Personen ums Leben, darunter 28 Briten (meist Offiziere), 41 Araber und 17 Juden. Nahezu alle prominenten Politiker, die den Staat Israel nach seiner Gründung im Jahr 1948 führten, waren von den britischen Behörden zu schweren Gefängnisstrafen wegen „Terrorismus“ verurteilt worden.

Nach Bildung des Staates Israel ist dieser zum treuesten Verbündeten der nun dominierenden USA geworden. Im Konflikt um die Kontrolle über die ölreiche Region erwiesen sich viele d er arabischen Staaten und auch der Iran aus Sicht der USA als unzuverlässig oder instabil. Um die eigene Herrschaft zu sichern, suchten viele arabische Regime und der Schah von Persien das Bündnis mit den USA. Doch dies machte sie in der eigenen Bevölkerung nur noch unpopulärer. Auf diesem Nährboden wuchs in diesen Ländern zunächst der arabisch-nationalistische, seit den 70er Jahren zunehmend der islamistische Protest. Israel ist demgegenüber fest an die USA gebunden. Deren massive Militärhilfe hat die israelische Armee zu einer der stärksten Streitmächte der Welt gemacht, die gesamten Mittleren Osten heute mit Atomwaffen bedrohen.

Alle Bemühungen für einen dauerhaften Frieden wurden seitdem von der Ausdehnung der Kolonisierung durchkreuzt. Um die Stärke und Lebensfähigkeit des auf den Ausschluss der angestammten arabisch-muslimischen Bevölkerung basierenden Staates Israel zu erweitern, haben die verschiedenen Regierungen auch nach 1948 eine Politik der fortgesetzten Landnahme betrieben. Dieser Prozess, der den Ursprungskonflikt immer wieder von neuem belebt hat, ist bis heute nicht abgeschlossen. 1967 eroberte Israel das Gesamtterritorium Palästinas mit dem Gaza-Streifen, dem Westjordanland und Ostjerusalem. Es ist das Ziel der israelischen Politik, möglichst viele der weltweit lebenden 15 Millionen Juden ins Land zu holen. Allen rückkehrwilligen Palästinensern bleibt der Zugang ins eigene Land hingegen verschlossen.

Es ist eine historische Tragödie, dass der Zionismus, geboren aus der Erfahrung antisemitischer Pogrome und dem Holocaust der Nazis als furchtbaren Höhepunkt, sein eigenes politisches Ziel, die Schaffung eines jüdischen Nationalstaates, mit den Mitteln von Terror und Vertreibungen durchgesetzt hat.

Innerhalb des israelischen Staatsgebietes leben nach wie vor arabische Muslime. Sie besitzen zwar formelle Staatsbürgerschaft, werden aber durch hunderte von Erlassen und Willkürakten der Verwaltung zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Ein 2002 veröffentlichter Bericht der Organisation Sikkuy, die sich seit fünfzehn Jahren für die Gleichstellung zwischen jüdischen und palästinensischen Bürgern Israels einsetzt, illustriert die Diskriminierung der Palästinenser am Beispiel der staatlichen Finanzierung von Entwicklungs-, Infrastruktur- und Bildungsvorhaben. Obwohl die Palästinenser 18,5 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen, erhalten palästinensische Gemeinden im Jahr 2002 bloß 2,6 Prozent der staatlichen Zuschüsse im Wohnungsbau, 0,7 Prozent des Kulturbudgets, 3,5 Prozent der zur Schaffung von Industriezonen bestimmten Gelder oder 1,6 Prozent des Budgets zur Tourismusförderung.

Die Situation in den 1967 besetzten Gebieten ist noch ungleich bedrückender. Verelendung und Unterdrückung rauben den Menschen die Lebensbasis und sollen sie zum Verlassen des Landes treiben. Neben der fortgesetzten Anwendung von Gewalt durch den israelischen Staat vollzieht sich diese Politik der „ethnischen Säuberung“ dabei größtenteils „geräuschlos“ und wird auf Grundlage gesetzlich begründeter Verwaltungsakte durchgesetzt. Ein Beispiel ist die Wassernutzung: Seit 1982 werden palästinensische Orte mit dem israelischen Wasserleitungsnetz verbunden. Das Trinkwasser wird zugeteilt, aber nach unterschiedlichen Sätzen abgerechnet: Der Pro-Kopf-Verbrauch für israelische Siedler 330 Liter/Tag zu 0,3 Schekel/m3, der Pro-Kopf Verbrauch für Palästinenser 32 Liter/Tag zu 4,6 Schekel/m3. Die israelische Militärregierung erlaubt den Palästinensern nur eine Brunnentiefe von 60 bis 150 Metern erlaubt. Deshalb kommt es zum zeitweiligen oder völligen Versiegen vieler Brunnen. Die Brunnen der Israelis dürfen 100 bis 600 m tief sein, dadurch ist die Wasserförderung zu jeder Zeit möglich. Ähnlich Auflagen wie bei der Wassernutzung gibt es im Verkehrswegebau und im Wohnungsbau.

Die Politik des israelischen Staates gegenüber den Palästinensern ist notwendige Folge eines Staatsverständnisses, welches elementare Bürgerrechte wie die freie Wahl des Aufenthaltsortes an die religiös bestimmte Zugehörigkeit zu einem Staatsvolk koppelt. Volle Staatsbürgerrechte genießen nur die Angehörigen des Staatsvolkes, unabhängig davon, ob sie im Land wohnen oder außerhalb. Denn jeder Mensch, der nach der Religion dem jüdischen Volk zugehört, hat jederzeitiges Einwanderungsrecht. Dieser Charakter Israels als alleiniger Besitz des (jüdischen) Staatsvolkes negiert das Existenzrecht der Palästinenser.

Der Sonderberichterstatter für Palästina beim UN-Menschenrechtsrat, der Südafrikaner John Dugard, hat in einer Stellungnahme Parallelen zwischen der Situation in Palästina und dem Apartheids-Regime in Südafrika gezogen:

„Israels Besetzung der palästinensischen Gebiete hat viele Kennzeichen der Kolonisierung. Gleichzeitig hat es viele der schlimmsten Züge der Apartheid. Die West Bank ist in drei Gebiete geteilt worden: im Norden Jenin mit Nablus, die Mitte mit Ramallah und im Süden Hebron. Diese Gebiete ähneln immer mehr den Bantustans von Südafrika. Die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, die durch ein strenges Genehmigungssystem auferlegt und durch etwa 520 Kontrollpunkte und Straßensperren unterstützt wird, ähnelt sehr dem Apartheids-Pass-System – geht aber über dieses hinaus. Auch der Sicherheitsapparat erinnert an den die Apartheid mit mehr als 10.000 Palästinensern in israelischen Gefängnissen, wo es Folter und grausame Behandlung gibt.

Viele Aspekte israelischer Besatzung weisen über das Apartheidsystem Südafrikas hinaus. Israels Zerstörung von palästinensischen Häusern in großem Ausmaß, das Einebnen landwirtschaftlich genutzten Bodens, die militärischen Überfälle und die gezielten Morde von Palästinensern überschreiten bei weitem ähnliche Praktiken in der Apartheid Südafrikas. Niemals wurde eine Mauer gebaut, um Schwarze von Weißen zu trennen.“

Die Vertreibung und Entrechtung der Palästinenser durch den israelischen Staat hat den Menschen im Nahen Osten weder Sicherheit noch Frieden gebracht – auch nicht der israelischen Bevölkerung. Im Gegenteil – sie hat zu unendlichem Leid und Blutvergießen geführt. Wir stimmen dem jüdischen Friedensaktivisten und Wissenschaftler Noam Chomsky zu. Er schreibt:

„Solidarität mit den Palästinensern ist in Wirklichkeit Solidarität mit den Juden. Es ist nicht in unserem Interesse, dass wir die Zustände, die Widerstand und Blutvergießen andauernd reproduzieren, verstärken.“

In zahlreichen UN-Resolutionen der letzten 30 Jahre wurde die israelische Regierung zum Rückzug aus den besetzen Gebieten aufgefordert. Im Unterschied zu vielen anderen Staaten der Welt konnte und kann Israel diese Resolutionen allesamt ignorieren, ohne mit irgendwelchen ernsthaften Sanktionen durch den Westen rechnen zu müssen. Selbst Aktionen wie der stundenlange Angriff der israelischen Armee auf einen UN-Beobachterposten während des Krieges gegen den Libanon, der im vergangenen Jahr vier Blauhelmen das Leben kostete, haben nichts daran geändert. Stattdessen reagierten USA und EU nach dem Sieg der demokratisch g ewählten Hamas-Regierung mit einer Politik der Isolierung Palästinas, die das Massenelend insbesondere im Gaza-Streifen in unerträglicher Weise gesteigert hat.

Angesichts der Wirkungslosigkeit der UN-Resolutionen haben Palästinenser auf Vertreibung und Gewalt durch den Staat Israel mit Widerstand und Gegengewalt reagiert. Wir verurteilen terroristische Anschläge gegen unbeteiligte Zivilisten. Selbstmordattentate palästinensischer Widerstandskämpfer auf Schulbusse, Einkaufsmärkte oder anderer ziviler Einrichtungen sind nicht zu rechtfertigen. Bei ihnen handelt es sich um Verzweiflungsaktionen, die nur Leid erzeugen, ohne einen Weg aus der Unterdrückung zu weisen.

Sie sind Ausdruck eines asymmetrischen Konflikts, in dem die übermächtige israelische Armee bei ihren bewaffneten Aktionen ein Vielfaches an Opfern in der verarmten palästinensischen Zivilbevölkerung verursacht. Die Feuerwaffen und wenigen selbstgebauten Raketen des palästinensischen Widerstandes können nichts gegen eine der stärksten Armeen der Welt mit ihrem Arsenal an Hubschraubern, Panzern und satellitengesteuerten High-Tech-Waffen ausrichten. Es wäre deshalb falsch, aufgrund der Verzweiflungstaten einer Minderheit von Selbstmordattentätern die Gegenwehr der Palästinenser mit der für sie ursächlichen Gewalt gleich zu setzen. Eine solche Gleichsetzung bringt uns einem Frieden im Nahen Osten keinen Schritt näher, weil sie zwischen Ursache und Wirkung, Aktion und Reaktion nicht unterscheidet.

Solange die nun schon bald ein Jahrhundert währende Vertreibung und Entrechtung der Palästinenser anhält, kann es auch keinen Frieden geben. Die israelische Reg ierung aber ist nicht einmal bereit, in irgendwelche Verhandlungen mit der bestehenden palästinensischen Regierung zu treten. Sie fordert dafür als Vorbedingung von palästinensischen Organisationen wie der Hamas die Anerkennung des „Existenzrechts Israels“ und einen Gewaltverzicht. In dieser Haltung wird sie von der amerikanischen, ebenso wie der deutschen Regierung, unterstützt. So soll der Eindruck erweckt werden, als handele Israel aus Gründen bloßer Selbstverteidigung. Tatsächlich hat die PLO unter Yasser Arafat im Osloer Abkommen bereits 1993 Israel anerkannt, ohne dass dies zum Ende oder auch nur zu einer Verlangsamung der Besiedlung in den besetzten Gebieten Westjordanlands und Ostjerusalems geführt hätte. Stattdessen trug in den folgenden Jahren die Politik der einseitigen Konzessionen zum Niedergang der Fatah-Organisation Arafats und zum Aufstieg von Hamas wesentlich bei.

Bei Debatten in der Linken, auch und gerade in Deutschland, bleibt oft unklar, was mit der Forderung nach „Anerkennung“ Israels durch die palästinensische Seite eigentlich gemeint ist – zumal Hamas wie zuvor auch Fatah und die PLO als politische Lösung des Konflikts einen eigenständigen palästinensischen Staat an der Seite eines Israels in den Grenzen von 1967 vorschlägt. Die Hamas-Führung hat ihre Zustimmung zum letzten Vermittlungsvorschlag der saudischen Regierung gegeben, die eine Zweistaatenlösung in den Grenzen vor 1967 vorschlägt. Damit erkennt sie nicht nur den Staat Israel faktisch an, sondern akzeptiert auch die durch frühere Vertreibungen geschaffene territoriale und demographische Realität.

Dass die israelische Regierung trotzdem Verhandlungen mit der demokratisch gewählten Regierung unter Hamas ablehnt, zeigt den vorgeschobenen Charakter dieses Arguments. Ihr geht es bei der ungeachtet aller palästinensischen Konzessionen vorgetragenen Forderung nach „Anerkennung“ darum, sich in Verhandlungen nicht vorzeitig auf Staatsgrenzen festlegen zu müssen, solange sie über die Ressourcen für eine Fortsetzung des Siedlungsprojektes verfügt. Es geht ihr darum, Zeit zu gewinnen, um Fakten zu schaffen, zumal die internationalen Konstellationen dafür weiterhin günstig sind. Es geht um die Demütigung und Unterwerfung der Palästinenser, ihre fortgesetzte schleichende Vertreibung aus den besetzten Gebieten und die Hintertreibung der palästinensischen Staatsbildung.

Der israelische Friedens aktivist Uri Avnery schrieb in einem Essay mit dem Titel „Muss ein Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten anerkennen?“ dazu:

„Ich bin ein israelischer Patriot, und ich bedarf niemandes Anerkennung des Rechts meines Staates zu existieren. Mir reicht es vollkommen, wenn jemand bereit ist, mit mir Frieden zu schließen, und zwar auf der Grundlage von gemeinschaftlich ausgehandelten Bedingungen und Grenzziehungen…Aber diese Forderung, die jetzt an die palästinensische Einheitsregierung gestellt wird, ist keinesfalls ehrlich. Im Hintergrund steht eine politische Absicht, genauer genommen zwei Absichten: zum einen soll die internationale Gemeinschaft davon überzeugt werden, die sich gerade formiere nde Einheitsregierung nicht anzuerkennen, und zum anderen soll die Weigerung der israelischen Regierung, sich auf Friedensverhandlungen mit dieser Regierung einzulassen, gerechtfertigt werden.“

Wir vertreten die Position, dass trotz aller Wunden, die der jahrzehntelange Konflikt in Palästina geschlagen hat, Frieden möglich ist. Letztendlich setzt dies die Schaffung eines weltlichen, demokratischen Staates voraus, in dem Juden, Muslime und Christen mit gleichen Rechten zusammenleben können, da nur so die ethnisch-religiös motivierten Bruchlinien in der Region durchbrochen werden können. Immerhin leben über eine Million Araber auf israelischem Staatsgebiet – das entspricht immer noch in etwa 20 Prozent der israelischen Bevölkerung. Auch in den besetzten Gebieten Ostjerusalems und Westjordanland leben heute hunderttausende Juden. Sie alle könnten dort leben bleiben, wo sie heute leben, vorausgesetzt es gibt einen wirklichen Neuanfang auf der Basis völliger Gleichberechtigung von Juden und Arabern. Dies schließt das Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser mit ein und dies setzt einen Bruch mit der Politik der Kolonisierung des Landes durch den jüdischen Staat voraus. Es schließt zugleich das selbstverständliche Recht der jüdischen Bevölkerung ein, im historischen Gebiet Palästinas zu leben.

Die UNO schlägt demgegenüber seit je her als Lösung eine Teilung für Palästina vor. Wobei der erste Plan von 1947 allerdings noch ein wesentlich größeres Territorium als alle späteren internationalen Pläne fü fr die Palästinenser vorsah. Die mit Unterbrechungen seit den frühen 90er Jahren verhandelte Zweistaatenlösung hat bislang zu nichts anderem geführt als zu einem geografischen Flickenteppich mit ungezählten Armeeposten im Westjordanland. Letztes Kapitel der israelischen Annexion ist der Bau einer Mauer, die zum Teil tief in das Westjordanland hinreicht und Ostjerusalem vom palästinensischen Gebiet abschneidet.

Unter solchen Bedingungen kann weder ein gleichberechtigter palästinensischer Staat neben Israel entstehen, noch kann so die Grundlage für eine dauerhafte Beilegung des religiös aufgeladenen Konflikts in der Region gelegt werden. Sollte am Ende dennoch ein auf einen kleinen Bruchteil des ursprünglichen Territoriums gestutztes Rumpfpalästina entstehen, so wäre dieser Ministaat buchstäblich eingemauert und ökonomisch kaum überlebensfähig. Er würde zur politischen Geisel Israels, als auch der Regime in den arabischen Nachbarstaaten werden. Wir befürchten, dass eine solche Lösung weder das Elend der meisten Palästinenser lindern, noch zu einem dauerhaften Frieden in der Region führen würde.

Sicher ist: Eine Lösung kann nicht am grünen Tisch entworfen werden. Es gibt viele auf der Linken, die einen gemeinsamen weltlichen und demokratischen Staat in Nahost für ein wünschenswertes, aber unrealistisches Ziel halten. Die palästinensischen Organisationen selbst fordern schließlich die Bildung eines zweiten arabischen Staates neben Israel auf palästinensischen Boden. Wir solidarisieren uns mit diesen palästinensischen Forderungen nach einem eigenen, lebensfähigen Staat. Die Situation der Palästinenser ist im Übrigen derzeit so verzweifelt, dass jeder Fortschritt auf dem W eg zu mehr Selbstbestimmung, egal wie klein, von den Betroffenen mit Erleichterung aufgenommen wird. Wir unterstützen deshalb alle konkreten Forderungen, die auf eine unmittelbare Verbesserung der Lebenssituation der Palästinenser abzielen. Dazu gehört z.B. die Aufhebung der internationalen Isolation der palästinensischen Regierung und die Freigabe aller palästinensischen Gelder, der Abzug der israelischen Armee aus dem Westjordanland, der Abriss der Mauer, der sofortige Stopp der Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und die Aufhebung der Abriegelung des Gazastreifens.

Die Diskussion um die Perspektiven für Frieden im Nahen Osten wird in der Linken sehr kontrovers geführt. Wir sind interessiert an Meinungen, Kritik, Ergänzungen. Schreibt an redaktion@linksruck.de

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