Wir wollen legal sein

12 Millionen Menschen müssen in den USA illegal leben. Am 1. Mai haben sie Politikern und Konzernen ihre Macht gezeigt.


„Ein Tag ohne Einwanderer“, so lautete das Motto des Protesttages der Einwanderer am 1. Mai. Das Mädchen im Bild deutet auf ihrem Schild an, was geschehen würde, wenn die illegal in den USA lebenden Arbeiter ausgewiesen: „Wer wird eure Tomaten ernten?“

„Damit werden wir Geschichte machen“, jubelte ein Jugendlicher am 1. Mai in Chicago, nachdem ihn ein Freund auf seine Schultern gehoben hatte, damit er die Menge besser überblicken konnte. Es war die größte Demonstration aller Zeiten in den USA. In dutzenden Städten gingen über 2 Millionen Menschen nicht zur Arbeit, um ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und gleiche Rechte für alle „Illegalen“ zu fordern. In den USA ist der 1. Mai kein Feiertag.

Die Menschen protestierten gegen den Gesetzentwurf, mit dem das Parlament die 12 Millionen illegalen Einwanderer zu Verbrechern stempelt. Wenn der Entwurf beschlossen wird, kann die Polizei jeden „Illegalen“ verhaften und abschieben.

Sie könnten keine sozialen Leistungen mehr bekommen und nicht mal mehr einen Führerschein machen. Nach dem Gesetzentwurf können auch Angehörige, Kirchen oder Gewerkschaften bestraft werden, wenn sie „Illegale“ unterstützen.

Ana Alfaro demonstrierte in Los Angeles, weil sie dagegen ist, „dass Einwanderer kriminell sein sollen. Sie haben nichts getan, außer für dieses Land zu arbeiten.“ Ana ist 14 und kam vor fünf Jahren aus El Salvador in die USA.

„Wir wollen legal sein und gleichberechtigt, genau wie die anderen Bürger“, erklärt die Textilarbeiterin Concepción Perez auf der Demo in New York. Sie stammt aus dem mexikanischen Puebla und hat sich frei genommen, um mit ihrer Familie zu demonstrieren.

„Wir wollen ohne Angst vor Einwanderungsbehörden zur Arbeit gehen.“ Concepción lebt seit 1989 in den USA und bemüht sich seitdem vergeblich um ein Aufenthaltsrecht. Von ihrem geringen Lohn unterstützt sie auch ihre Mutter und ihren Großvater in Puebla. „Viele Einwanderer tragen sehr, sehr viel bei in diesen Ländern“, sagt sie.

Seit März organisieren Einwandererorganisationen, Gewerkschafter und Studierende Großdemonstrationen, zunächst um zu verhindern, dass der Gesetzentwurf beschlossen wird, erklärt die Künstlerin Alessandra Moctezuma. „Doch je größer die Protestaktionen wurden, desto mehr Teilnehmer verglichen ihren Aufstand mit der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre. Viele von uns verstanden, dass es nicht reicht, uns nur an einem Tag zu engagieren, sondern dass wir eine Generation des Kampfes brauchen.“

In Los Angeles streikten und demonstrierten am 1. Mai 1 Million Menschen unter dem Motto „Ein Tag ohne Einwanderer“. Große Delegationen der Metaller-Gewerkschaft UE, Menschenrechtsorganisationen und Globalisierungskritiker beteiligten sich an den Demos.

Neben den Schildern der Einwandererrechtsgruppen trugen Demonstranten selbst gemalte Schilder mit Aufschriften wie: „Ihr braucht unsere Arbeit. Wir brauchen eure Legalisierung“ oder „Meine Familie hat euer Land mit ihrem Blut, ihrem Schweiß und ihren Tränen aufgebaut“ und vielen anderen.

Lastwagenfahrer an den großen kalifornischen Häfen streikten in Solidarität und um von ihren Unternehmen bessere Arbeitsverträge zu bekommen. Betriebe, in denen viele „Illegale“ arbeiten, zum Beispiel in der Verpackungs- oder Textilindustrie, mussten wegen der Streiks ihre Produktion senken oder einstellen.

„In diesen Zeiten gibt es keinen Respekt für die Arbeiter“, so die Fabrikarbeiterin Maria Hurtado auf der Demo in New York. „Die Regierung schließt die Augen vor dem, was in den Fabriken passiert. Sie machen gar nichts, während viele Konzerne jede Menge Geld aus den Leuten herauspressen.“

Die Abgeordneten, die den Gesetzentwurf gegen „Illegale“ einbrachten, unterstützen auch den Plan von Präsident Bush, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen und dort 6000 Soldaten zu stationieren, um Einwanderer zu jagen. Der schwarze Politiker und Bürgerrechtler Jesse Jackson griff die Politik gegen Einwanderer auf der Demo in New York als Ablenkungsmanöver an: „Sie erzählen uns, die Mexikaner würden unsere Jobs nehmen. Auf ihre Teile-und-Herrsche-Taktik werden wir nicht reinfallen.“

Die Lehrerin Magdalena Palomina hörte von den Vorbereitungen der 1.-Mai-Demos, als sie einen Monat zuvor ihre Familie in ihrer Heimat Michoacán besuchte. „Es war dort in allen Nachrichten. Jeder wusste davon“, berichtete sie auf der Demonstration in Chicago.

„Die Leute beklagen sich hier über Einwanderer, die Geld nach Mexiko überweisen. Dabei werden dort so viele Produkte aus den USA gekauft: McDonald’s, Burger King, Sam’s, Wal-Mart, wir haben sie alle.“

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